Was geschieht nach dem Brexit, was ändert sich für deutsche Unternehmen? Wir fragten Hubertus Douglas, Geschäftsführer von Korn Ferry in Deutschland, nach seiner Meinung. Die ist deutlich: Er warnt vor Kaffeesatzleserei und Aktionismus und richtet gleich noch ein paar kritische Worte an Politik und Wirtschaft.
Herr Douglas: Was bedeutet der Brexit in der Übergangszeit für deutsche Firmen?
Insbesondere: Unsicherheit. Und das bedeutet in der Wirtschaft keine oder nur zurückhaltende Investitionen. Darum ist es von entscheidender Bedeutung sowohl für die EU als auch für Großbritannien, diese Phase der Unsicherheit so kurz wie möglich zu halten und zügig über die Modalitäten des Austritts Klarheit zu schaffen. Im Interesse der deutschen Wirtschaft ist es höchstes Gebot für die Bundesregierung, erneut sichere Rahmenbedingungen herzustellen. Bisher scheint die Linie leider noch nicht klar zu sein und mäandert zwischen „so zügig wie möglich“ und „sobald die Briten dazu bereit sind“. Letzteres wendet sich gegen die Interessen nicht nur der deutschen, sondern der gesamten europäischen und internationalen Wirtschaft.
Viele vertreten derzeit die Einschätzung, dass es mit Großbritannien nach der Übergangszeit keine Lösung wie etwa mit der Schweiz geben wird, auch wenn man hierzulande hofft, dass der Zugang zum Binnenmarkt und die Zollunion erhalten bleiben. Was könnte auf Deutschland zukommen, vor allem hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit?
Niemand weiß heute, wie ein mögliches Abkommen zwischen der EU und England aussehen wird. Wer es dennoch schon zu glauben vorgibt, beteiligt sich einfach nur an einem Ratespiel. Schauen Sie: Weder die Eliten noch die Wirtschaft hatten wirklich damit gerechnet, dass das Referendum so ausgeht. Darum gibt es jetzt auch keinen Masterplan, was zu tun ist. Denn einen Plan B zu machen, gilt ja in vielen Kreisen heute nicht mehr als zeitgemäß.
Nun lässt sich trefflich erkennen, warum der Plan B kein Relikt der Vergangenheit ist, sondern vielmehr zum Standard-Repertoire modernen Managements gehören muss. Auch in der Politik. Der deutschen Wirtschaft wäre es zu wünschen, dass Großbritannien weiter am Binnenmarkt teilnehmen wird.
Welche Auswirkungen hat der Brexit auf Auslandsentsendungen bestehender und künftiger deutscher Mitarbeiter, etwa in Tochtergesellschaften, und die Einstellung britischer Mitarbeiter hierzulande?
Dazu lässt sich erst dann eine fundierte Aussage treffen, wenn wir wissen, über welche Rahmenbedingungen wir sprechen. Alles andere ist Kaffeesatzleserei.
Welche arbeits- und sozialrechtlichen Aspekte müssen die Unternehmen beachten?
Noch gar keine. Wir wissen nicht, über welche Gesetzgebung wir zukünftig sprechen. Wir wissen nicht einmal, wann wir darüber sprechen werden. Unternehmen und ihre Entscheider sollten die Prozesse der nächsten Monate jetzt ganz genau verfolgen, um stets über die neuesten Entwicklungen informiert zu sein. Aber zu handeln, bevor es eine Handlungsgrundlage gibt: Das würde ich eher für Aktionismus halten.
Wird es weniger grenzüberschreitende Mobilität geben, wenn für den Einsatz in Großbritannien wieder eine Arbeitserlaubnis notwendig würde und das künftige Arbeitsrecht dort stark von den EU-Regelungen abwiche?
Schon heute unterscheidet sich das Arbeitsrecht in den EU-Staaten deutlich. Vergleichen Sie einmal Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Da haben Sie ganz andere Voraussetzungen. Trotzdem gelingt der Binnenmarkt. Am Ende hängt es aber von den Briten selbst ab, wie sie ihren Arbeitsmarkt für Drittländer beschränken. Da Großbritannien wie auch Deutschland auf qualifizierte Einwanderung angewiesen ist, wäre es allemal ein großer Fehler, den Zuzug von Fach- und Führungskräften aus dem Ausland zu erschweren.
Was geschieht mit den deutschen Niederlassungen in Großbritannien?
Erstmal nichts. England ist und bleibt eine der Säulen der europäischen Wirtschaft. Daran hat sich ja nichts geändert. Was nach einem faktischen Austritt erfolgt: Das werden wir dann erleben.
Könnte der Brexit für die Deutschen auch Vorteile mit sich bringen, wenn ja, welche?
Der eigentliche Akt des Austritts bringt keine Vorteile – sondern nur Nachteile, insbesondere eben eine im schlimmsten Fall lang anhaltende Unsicherheit. Als Staatsbürger wünsche ich mir jedoch, dass unsere Politiker und die EU-Institutionen erkennen, dass Regulierungswut und undemokratische Führung ein Ende finden müssen. Für die Menschen ist die EU nicht mehr ein Friedens- und Einigkeitsprojekt, sondern vor allem Brüssel mit seiner Vielzahl an Vorschriften und dem Eingriff ins tägliche Leben. Schon heute sind auch mittelständische Betriebe mit einer Regulierung belastet, die ganze Heerscharen an Anwälten beschäftigt. Das kann nicht das Ziel der EU sein – und war es auch nie. Darum ist der Brexit eine Chance, die EU und die Integration neu zu denken. Und ihr Modell auf die Bedürfnisse der Bürger Europas anzupassen. Und nicht anders herum.
Wozu raten Sie Unternehmen jetzt?
Weitermachen wie bisher. Und gleichzeitig genau beobachten, was passiert. Keine voreiligen Schlüsse und Entscheidungen treffen, sondern entschieden handeln, wenn es dazu auch fundierte Grundlagen gibt.
Das Interview führte Ute Wolter, freie Journalistin, Freiburg
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