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Vereinbarkeit: „Wir sprechen über Männer, aber nicht mit ihnen“

Wenn HR, Führungskräfte und die Belegschaft darüber sprechen, wie Berufs- und Familienleben besser vereinbart werden können, geht es meist um die Situation der Frauen. Das ist richtig und wichtig, sind sich Nicole Wronski von der New-Work-Beratung Blackboat und Tim Jäger, Marketing Lead Neurology bei Janssen einig. Doch eine Perspektive komme dabei zu kurz: die der Männer. „Sie müssen miteinbezogen werden, denn sonst gelingt der Wandel zu mehr Vereinbarkeit nicht“, sagt Wronski.

Beim Pharmaunternehmen Janssen, das zum globalen Gesundheitskonzern Johnson & Johnson gehört, haben Jäger und die Diversity– und Inclusion-Verantwortliche Sarah Land Anfang 2022 gemeinsam mit engagierten Kolleginnen und Kollegen deshalb ein Männernetzwerk mit dem Namen Men@Work ins Leben gerufen. Seitdem wird es von Jäger und Alexandra Karnetzky, Business Unit Lead, sowie Jochen Kleining, Director Country HEMAR Management, betreut. „Wir sprechen – wenn es um Vereinbarkeit geht – über Männer, aber nicht mit ihnen“, sagt Jäger.

Das sollte sich mit der Gründung des Netzwerks ändern. Der Austauschplattform können alle Mitarbeiter beitreten, die sich die Frage stellen möchten, wie Männer flexibler arbeiten sowie Karriere und Privatleben bestmöglich in Einklang bringen können. Auch Frauen können Mitglieder sein und sind es bereits. Vom Männernetzwerk profitieren Mitarbeiter wie auch Mitarbeiterinnen, sagt Jäger. Schließlich sei es für Frauen einfacher, ihrer Karriere mehr Raum zu geben, wenn Männer mehr von der Care-Arbeit übernehmen.

Klassische Vereinbarkeitsfragen aus der männlichen Perspektive besprechen

Das Netzwerk ist mit 15 Mitgliedern noch recht klein – für Janssen arbeiten rund 1.000 Menschen. Im Vergleich: Janssens Netzwerk Family@Heart, in dem sich Mitarbeitende über das Thema Vereinbarkeit und Work-Life-Balance generell austauschen, zählt mehr als 400 Mitglieder. Men@Work sei aber noch relativ jung, sagt Jäger, und die Projekte des Männernetzwerkes würden eine größere Gruppe als nur die Mitglieder erreichen.

Die Pain Points, die in Men@Work bisher für Mitarbeiter herausgearbeitet werden, unterscheiden sich wenig von denen, die Family@Heart für die gesamte Belegschaft unabhängig vom Geschlecht gefunden hat. Der größte Pain Point sei Ungewissheit darüber, ob bestimmte flexible Arbeitsmodelle auch auf höheren Ebenen im Unternehmen angewendet werden können und mit welchen möglichen Konsequenzen eine längere Elternzeit oder eine verkürzte Arbeitszeit einhergeht.

Die Themen nehmen die Mitglieder von Men@Work aus der männlichen Perspektive unter die Lupe und fragen sich: Was gilt derzeit für einen Mann hinsichtlich Vereinbarkeit? Gleichzeitig möchte das Netzwerk diejenigen Männer im Unternehmen sichtbar machen, die als Rolemodels für Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fungieren können. Damit soll folgendes Szenario der Vergangenheit angehören: „Das Team nimmt bisher in den seltensten Fällen wahr, dass das Kind zehnmal pro Nacht aufgewacht ist und man deshalb als Vater kurz weniger leistungsstark ist“, sagt Jäger, der selbst Vater ist.

Rolemodels sichtbar machen

Um männlichen Rolemodels sichtbarer zu machen, haben er, die Diversity-Beauftragte sowie engagierte Beschäftigte gemeinsam mit der Beratung Blackboat als Auftakt für Men@Work eine Video-Kampagne gestartet. Vor der Kamera zu sehen sind unter anderem Männer aus dem Unternehmen, die in Teilzeit Karriere machen oder für einen langen Zeitraum in Elternzeit gegangen sind. Die Kurzinterviews wurden im Intranet veröffentlicht und teilweise auch extern fürs Employer Branding verwendet.

Teil der Netzwerkaktivität ist es auch, Webinare zu Themen zu organisieren, die Mitarbeitende hinsichtlich Vereinbarkeit aus der männlichen Perspektive interessiert. So wollte ein Beschäftigter gerne mehr zu Elternzeitrückkehrern wissen. Wie läuft das bei Janssen? Jäger und das Netzwerkteam haben sich auf die Suche nach Vätern gemacht, die diesen Schritt bereits erlebt haben und daraus einen Artikel fürs Intranet geschrieben.

Individuen mit ihren Sorgen abholen

Als Haupttool des Männernetzwerks dient allerdings ein simpler Teams-Kanal. Dort werden Fragen transparent gepostet und von anderen Mitgliedern beantwortet – darunter auch Personalverantwortliche. Weitere Projekte möchten Jäger und der Rest des Teams dann angehen, wenn ein entsprechender Bedarf aus der Belegschaft heraus geäußert wird. „Man muss sich auch immer fragen, was man als Netzwerk leisten kann“, sagt Jäger. Schließlich mache man das neben der eigentlichen Arbeit. „Uns geht es überwiegend darum, Awareness zu schaffen, einen Diskurs anzuregen, durch den Vorbehalte und Hürden abgebaut und überwunden werden.“ Ziel sei es, den Individuen zuzuhören und ihre Fragen zu beantworten.

Men@Work – vor allem auch mithilfe von Family@Heart – hätten als Austauschplattformen das Thema Vereinbarkeit „omnipräsent“ im Unternehmen gemacht. Etwas, das laut Jäger nur mit der Unterstützung des deutschen Managementboards möglich war. „Die Leute trauen sich, persönliche Wünsche und Bedürfnisse anzusprechen, was ich als großen Erfolg ansehe“, sagt er. Bei Janssen sind durch die Gespräche – auch hier wieder vor allem durch Family@Heart – Feriencamps und eine Vermittlung von Babysittern entstanden sowie eine Gehaltsaufstockung bei mindestens 12 Wochen Elternzeit eingeführt worden. Das zeige: „Mitarbeitende können die zukünftige Arbeit bei Janssen mitgestalten.“ Deshalb sollten auch Männer die Art und Weise, wie Berufs- und Privatleben vereinbart werden können, mitformen.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.