Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren Dr. Toralf Pusch und Dr. Hartmut Seifert in ihrer Auswertung der Erwerbstätigenbefragung des Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler Stiftung.
Dafür
wurden in zwei Wellen im April und im Juni jeweils mehr als 6.000
Menschen befragt. Die Befragung bildet die Erwerbspersonen in
Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und
Bundesland repräsentativ ab. Das erlaubt es, Arbeitszeiten und
Kurzarbeit auf dem bisherigen Höhepunkt der Corona-Krise detailliert
auszuleuchten.
Die Ergebnisse resultieren wesentlich daraus, dass in der Pandemie nicht nur Industriebetriebe stark
betroffen sind, sondern auch viele Dienstleistungsbranchen. Im
Vergleich zu vorherigen Wirtschaftseinbrüchen ist damit die
gesamtwirtschaftliche Quote der Kurzarbeitenden sehr hoch, ebenso wie
mit rund 50 Prozent auch der Anteil, um den die Arbeitszeit im
Durchschnitt reduziert wurde.
Entsprechend groß ist die Bedeutung einer
Aufstockung des Kurzarbeitergeldes, um Einkommensverluste zu reduzieren.
In Betrieben mit Tarifvertrag und/oder Betriebsrat wird das
Kurzarbeitergeld dabei fast doppelt so häufig aufgestockt wie in
Betrieben, die nicht über Tarifbindung und/oder Mitbestimmung verfügen.
Kurzarbeit vor allem im Gastgewerbe
Im Juni gaben 13 Prozent der befragten Beschäftigten an, in
Kurzarbeit zu sein. Differenziert man nach Branchen, war Kurzarbeit im
Gastgewerbe mit Abstand am stärksten verbreitet. Gut 45 Prozent der dort
Beschäftigten befanden sich in Kurzarbeit.
Es folgten das verarbeitende
Gewerbe mit rund 20 Prozent sowie der Verkehrs- und Logistikbereich mit
gut 17 Prozent. Unterdurchschnittlich oft wurde Kurzarbeit unter
anderem im Gesundheits- und Sozialwesen (5 Prozent), im Baugewerbe
(knapp 4 Prozent) und im öffentlichen Dienst (knapp 3 Prozent) genutzt.
Die starke Verbreitung in Branchen wie dem Gastgewerbe mit seinen vielen
Kleinbetrieben spiegelt sich nach Analyse der Wissenschaftler in der
Kurzarbeits-Quote nach Betriebsgröße wider: In Kleinstbetrieben mit
weniger als 5 Beschäftigten waren knapp 17 Prozent von Kurzarbeit
betroffen, in großen Betrieben ab 2000 Beschäftigten waren es gut 11
Prozent.
Verkürzung und Ausweitung der Arbeitszeiten
Auch jenseits von Kurzarbeit wurde bei zahlreichen Befragten die
Arbeitszeit krisenbedingt verkürzt. Insgesamt arbeiteten 21 Prozent
aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Sample im Juni
weniger Stunden als normal.
In einigen Branchen musste aber auch ein
Teil der Beschäftigten ihre Arbeitszeit ausweiten, um zusätzliche
Nachfrage und Anforderungen während der Pandemie bewältigen zu können.
Das betraf laut Pusch und Seifert etwa den Handel, wo 19 Prozent der
Befragten mehr arbeiteten als normal, während ebenfalls 19 Prozent
kürzer treten mussten.
Im öffentlichen Dienst arbeiteten 17 Prozent der
Beschäftigten Pandemie-bedingt länger, bei neun Prozent wurde die
Arbeitszeit reduziert. In beiden Bereichen fiel die Ausweitung der
Arbeitszeit bei den von Mehrarbeit Betroffenen erheblich aus: Im Handel
um durchschnittlich 5,7, im öffentlichen Dienst um 4,7 Wochenstunden.
Einkommenseinbußen durch Arbeitszeitreduzierung
Auch wenn Kurzarbeit zahlreiche Jobs sichern konnte: Für die
Betroffenen bedeutet die Arbeitszeitreduzierung Einkommenseinbußen.
Schließlich ersetzt das gesetzliche Kurzarbeitergeld (KUG) ab dem 1. Tag
lediglich 60 Prozent des Lohns, bzw. 67 Prozent, wenn Kinder im
Haushalt leben.
Von den
Befragten in Kurzarbeit, die lediglich das normale KUG erhielten,
schätzten 49 Prozent, ihr Haushaltseinkommen habe sich um 25 bis 50
Prozent reduziert. Weitere 46 Prozent gingen von Verlusten bis zu 25
Prozent aus. Unter den Kurzarbeitenden mit Aufstockung kamen
Einkommenseinbußen jenseits von 25 Prozent hingegen deutlich seltener
vor: knapp ein Viertel der Befragten berichtete davon. Bei 73 Prozent
blieben die Verluste unter 25 Prozent.
Insgesamt erhielten im Juni 46 Prozent der Befragten in Kurzarbeit
eine Aufstockung. Darunter dürften einige gewesen sein, die vom höheren
gesetzlichen KUG ab dem 4. Monat profitierten – eine neue Regelung, die
im Zuge der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen eingeführt wurde.
Eine
deutlich größere Bedeutung spielten zum Zeitpunkt der Befragung nach
Puschs und Seiferts Analyse aber höhere Leistungen, die durch
Tarifverträge und/oder von Betriebsräten vereinbart wurden. So erhielten
im Durchschnitt 58 Prozent der Beschäftigten, die nach einem
Tarifvertrag bezahlt wurden, eine Aufstockung.
In Unternehmen ohne
Tarifbindung waren es hingegen lediglich 34 Prozent. Ähnlich groß fiel
der Vorsprung in Betrieben mit Betriebs- oder Personalrat aus: In dieser
Gruppe lag der Anteil der Kurzarbeitenden mit Aufstockung bei 60
Prozent. Dagegen profitierten in Unternehmen ohne betriebliche
Mitbestimmung lediglich 32 Prozent der Beschäftigten von einer
Aufstockung.
Kurzarbeit zur Weiterbildung nutzen
Kurzarbeit zur Weiterbildung zu nutzen ist,
nach Analyse der Forscher, absolut vernünftig und wurde in früheren
wirtschaftlichen Krisensituationen bereits praktiziert, insbesondere
wenn diese länger andauerten. Das gilt vor allem für die
Transformationsphase der ostdeutschen Wirtschaft nach der deutschen
Wiedervereinigung.
Zum Befragungszeitpunkt im Juni war der Anteil der
Kurzarbeitenden, die seit Beginn der Pandemie an Weiterbildung
teilgenommen hatten, mit knapp 10 Prozent allerdings deutlich niedriger
als unter Beschäftigten ohne Kurzarbeit (18 Prozent). Das könne unter
anderem mit zeitweiligen Betriebsschließungen und der besonders
schwierigen Situation vor dem Hintergrund von notwendigen
Hygienebestimmungen und Kontaktbeschränkungen zu tun haben, schreiben
die Forscher. Trotzdem bestehe ganz offensichtlich „noch Potenzial für
eine Ausweitung der Weiterbildungsaktivitäten“.