Ja, das wäre was: Ein Team, in dem man sich wertschätzend und klar die Meinung sagt, dessen Mitglieder sowohl eigene Ziele klar vor Augen haben als diese den kollektiven Bestrebungen unterordnen können. Jef van den Hout ist als Schlagzeuger in einer Band, als Ruderer, als Fußballspieler, aber auch als Forscher und Coach aus den Niederlanden mit unterschiedlichsten Formen von Freud und Leid des Team-Daseins durchaus vertraut.
Und er hat ein spektakulär kluges, praktisches und sehr lesenswertes Buch dazu geschrieben, das sehr evidenzbasiert und gleichzeitig sehr beispielhaft aufzeigt, wie Spitzenleistungen in Teams entstehen und wie Führende dies stärken können („Team Flow. The psychology of optimal collaboration“, Springer 2020).
Von Flow zu Team Flow
Flow war nochmal…? Genau, jenes Konzept des Ungarn Mihalyi Czikszentmihalyi (gesprochen: Tschick-sänt-mi-hai), das den Zustand beschreibt, wenn wir so in Tätigkeiten aufgehen, dass wir darüber Raum, Zeit, Hunger und uns selbst vergessen. Eine Passung zwischen Person und Situation, wenn was von uns verlangt wird und wir zu leisten in der Lage sind, so zusammenpassen, dass wir weder überfordert noch gelangweilt sind.
Und Team Flow? Jef van den Hout erklärt in einem Zoom-Call: „Team Flow ist eine geteilte Erfahrung, in der alle Mitglieder der Gruppe einem gemeinsamen, lohnenden, sinnvollen Zweck verpflichtet sind. Musiker einer Band etwa, egal ob Reggae, Jazz oder Rock, haben Freude an dieser Verbindung, an diesem Moment optimaler Kollaboration, wenn sie sich gut genug gerüstet fühlen, um auch schwierige Passagen zu bewältigen. Dann geht plötzlich alles leicht, mühelos, aber doch auch kraftvoll und vorwärts!“
Die Positive Psychologie hat sich seit Ende der 1990er Jahre viel mit den individuellen Faktoren von Wohlbefinden und Aufblühen in der Arbeit und in anderen Lebensbereichen auseinandergesetzt. In einer „zweiten Welle“ nahm die Disziplin auch mehr und mehr Fragen des konstruktiven Umgangs mit Leid, Schmerz, Ungerechtigkeit und anderen unangenehmeren Aspekten der menschlichen Existenz in den Blick. Was das optimale Funktionieren von Teams, Familien, Organisationen und ganzen Staaten ermöglicht, damit beschäftigt sich – neben anderen, methodischen und kulturübergreifenden Fragen – die sogenannte Positive Psychologie 3.0. Van den Houts Denken lässt sich dazu zählen.
Gemeinsamkeit, Vertrauen und ganzheitlicher Fokus
Für ihn ist Team Flow – wenig überraschend – mehr als die Summe des optimalen Funktionierens vieler Einzelner. Er macht sieben Voraussetzungen für Team Flow aus: kollektiver Ehrgeiz, ein gemeinsames Ziel, persönliche Ziele, hohe Passung unterschiedlicher Skills und Fertigkeiten, offene Kommunikation, eine Atmosphäre von Sicherheit sowie, schließlich, gegenseitige Verbindlichkeit. „Ein Gefühl von Gemeinsamkeit, von gemeinsamem Fortschritt sowie Vertrauen und ein ganzheitlicher Fokus, das sind die typischen Effekte von Team Flow“, sagt van den Hout. Das mag vielleicht etwas wolkig klingen. Wirkt sich aber in der Regel ganz und gar unwolkig aus konkrete KPIs in Organisationen aus: In eigenen Studien oder mit Verweis auf andere Forschende weist van den Hout in seinem Buch nach, dass sich Team Flow sowohl für den Einzelnen als auch für das Team als auch für die Organisation als ganzes lohnt. Mehr Team-Posivität, mehr individuelle Flow-Erlebnisse, bessere Performance, mehr und bessere Ideen, ein höheres Zufriedenheitsniveau: das sind nur einige der Effekte, die Jef van den Hout Team-Flow zuschreibt. Ein von ihm entwickelter Fragebogen macht Team Flow auch mess- und nachweisbar.
Drei Führungsstrategien
Welchen Einfluss hat Chefin oder Chef darauf, ob und wann Team Flow entsteht? Keine Kleine, sagt van den Hout. Auch wenn natürlich große Entscheidungsfreiheiten der einzelnen Gruppenmitglieder für das Entstehen flüssiger Teamzusammenarbeit mindestens so wichtig sind wie eine engagierte Leitungskraft, die bewusst dieses tut und jenes erwartet.
Er schlägt drei Führungsstrategien vor: Echtes Miteinander, echtes Kennenlernen fördern – zum Beispiel in informellen Kaffeerunden, Weiterbildungen oder sonstigen Veranstaltungen. Zweitens, die Stärken der Einzelnen zu kennen und bewusst zu benennen – etwa bei der Delegation von Aufgaben oder in Projekt-Reviews. Rezept Nummer drei für mehr Team Flow: „Ein gewisses Maß an Reibung und Konflikt ist immer gut“, auch wenn manche Führungskräfte dies schwer auszuhalten wüssten, sagt er. Die Corona-Krise, sagt van den Hout übrigens, habe die Teams emotional eher zusammenrücken lassen und damit einerseits das Aufkommen von Team Flow wahrscheinlicher gemacht. Andererseits: „In virtuellen und hybriden Teams wird’s einfach schwieriger. Da kommt das Bindungshormon Oxytocin, was in menschlicher Interaktion entsteht, nicht so schnell auf!“ Virtuelle Fußballmanschaften tun sich schließlich auch beim Torjubel schwieriger, und wer will schon eine Reggae-Band hören, die per Zoom zusammengroovt?
In der aktuellen Folge seines Podcasts „Positiv Führen“ spricht Christian Thiele mit Jef van den Hout ausführlich über das Thema Team Flow.
Christian Thiele ist Autor und Coach für positive Leadership. Sein Buch „Positiv führen für Dummies“ ist gerade im Wiley-Verlag erschienen, sein Podcast „Positiv Führen“ lässt sich auf allen großen Podcast-Plattformen abrufen.
https://positiv-fuehren.com/