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Wie können Arbeitgeber in großen Teams Transparenz herstellen?

Frage an die HR-Werkstatt: Wie können Arbeitgeber in großen Teams Transparenz herstellen?
Es antwortet: Jan Lübcke, CEO und Co-Gründer von HEY NOW, einer Digitalagentur für Talent Communication

Transparenz – ein Wort, das eigentlich Durchsicht beschreibt, und das dennoch häufig ein undurchsichtiges Phantom in Unternehmen bleibt. Besonders dann, wenn Firmen schnell wachsen und sich die Art der gelebten Transparenz ändern muss. Während in kleinen Teams auch größere Entscheidungen häufig noch basisdemokratisch organisiert werden, ist das mit mehr Mitarbeitenden zumeist weder sinnvoll noch zielführend. Eine transparente Unternehmenskultur als Basis für eine glaubwürdige Arbeitgebermarke lässt sich aber dennoch realisieren: mit Ehrlichkeit, realistischem Erwartungsmanagement und Authentizität.

Doch was bedeutet Transparenz im Unternehmenskontext überhaupt? Transparenz meint nicht, dass Arbeitgeber alle Entscheidungen und Entwicklungen kleinschrittig an ihre Mitarbeitenden weitergeben müssen. Es geht vielmehr für Unternehmen darum, eine ehrliche Beziehung zu ihren Beschäftigten aufzubauen, die von beidseitig realistischen Erwartungen geprägt ist. Dadurch entsteht mehr Fairness und Gleichberechtigung, was wiederum die Mitarbeiterbindung stärkt und beim Recruiting von Talenten hilft. Eine offene und transparente Unternehmenskultur fördert zudem die Kreativität und Zufriedenheit des Teams, erhöht dessen Motivation und schafft so auch Raum für Innovation.

Von Anfang an ehrlich sein

Eine transparente Unternehmenskultur erfordert es, dass Arbeitgeber in den entscheidenden Prozessen den Realzustand offen kommunizieren. Welche Prozesse das sind, geben die Mitarbeitenden meist bewusst oder unterbewusst durch Äußerungen oder Verhalten vor. Meist handelt es sich hierbei um die Entstehung von Gehältern, Arbeitsbedingungen und Karrierechancen.

Ein essenzieller Prozess ist aber auch das Recruiting, wo Unternehmen bereits mit Ehrlichkeit bei den Kandidatinnen und Kandidaten punkten können. Bestmögliche Benefits aufzuzählen und die Unternehmenskultur sehr positiv darzustellen, wird dabei von HR häufig als besonders offen gewertet, fungiert in der Realität aber eher als eine Verschönerung des Status Quo. Natürlich ist es bei der Talentsuche alles andere als verkehrt, die Vorteile als Arbeitgeber herauszustellen. Unternehmen sollten aber sorgsam prüfen, ob alles Versprochene auch der Wahrheit entspricht.

Denn nach der Einstellung folgt das Onboarding und die ersten sechs Monate im neuen Job. Neue Mitarbeitende reflektieren während dieser Zeit, ob sie zufrieden sind und ihre Erwartungen an den neuen Arbeitgeber mit ihren Erfahrungen übereinstimmen. Hat dieser ihre Erwartung – allein um sie für sich zu gewinnen – bereits im Recruitingprozess in die Höhe getrieben, ist die Enttäuschung vorprogrammiert und eine langfristige Zusammenarbeit wird unwahrscheinlicher. Wahrhaftige Transparenz im Bewerbungsprozess kann diesen Misserfolg (für beide Seiten) häufig verhindern. Dabei gilt: Eine starke und überzeugende Employer Brand muss nicht fehlerfrei sein, sondern selbstbewusst: Wir sind, wer wir sind und wir stehen, wo wir stehen. Diese Art der Transparenz lässt die Zusammenarbeit auf einer stabilen Grundlage beginnen.

Proaktive Beantwortung der wichtigen Fragen

Vertrauen ist die Basis jeder guten Beziehung, auch der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden, und Transparenz ist dafür eines der effektivsten Werkzeuge. Fragen nach Karrierechancen im Unternehmen, Gehaltserhöhungen, der Möglichkeit, Arbeitsbedingungen zu ändern und anderen Themen, die den Mitarbeitenden auf der Seele brennen, sollte der Arbeitgeber nicht nur aufrichtig, sondern vor allem auch proaktiv beantworten. Wer auch heikle Themen von allein anspricht, nimmt potenziell bohrenden Fragen nicht nur den Wind aus den Segeln, sondern zeigt sich reflektiert und verständnisvoll. Mitarbeitende verstehen so, dass sich Unternehmen ihrer brennenden Fragen bewusst sind und sie sich bereits mit ihren Bedürfnissen auseinandergesetzt haben. Ein selbstbewusster Ansprechpartner wirkt kompetent und sicher und zieht sich so auch selbstbewusste Angestellte heran, die ihren Job wiederum besser erledigen können.

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Über Geld spricht man

Eines der Hauptthemen, bei denen sich Mitarbeitende eine ehrliche Kommunikation wünschen, ist nach wie vor das Gehalt. Dennoch versuchen einige Unternehmen auch heute noch mit unwirksamen Klauseln im Arbeitsvertrag ihre Beschäftigten davon abzuhalten, über ihr Gehalt zu sprechen. Transparenz in diesem Bereich scheint weiterhin ein Tabuthema zu sein. Dabei bietet es sich genau hier an, sich als fairer Arbeitgeber herauszustellen. Faire und gleichberechtigte Bezahlung ist für Mitarbeitende ein wichtiger Wert.

Dabei geht es nicht darum, das Gehalt aller Mitarbeitenden einzeln offenzulegen. Zu viel Transparenz könnte sonst zu Missgunst und Unruhe im Team führen. Vielmehr kann es hilfreich sein, wenn Arbeitgeber ihren Angestellten einen Überblick der Gehälter im Unternehmen erstellen. So können Arbeitgeber die durchschnittliche Gehaltsdifferenz zwischen männlichen und weiblichen Mitarbeitenden offenlegen, um daran entweder etwas zu ändern oder zu zeigen, dass man sich als Unternehmen für eine Bezahlung ohne Geschlechterdiskriminierung einsetzt. Das kann ein starkes Bindungsinstrument sein. Eine gerechte Bezahlung wiederum motiviert die bestehenden Mitarbeitenden und fördert so die Produktivität des Unternehmens. Der offene und faire Umgang mit dem Thema Gehalt nach innen – und auch nach außen im Bewerbungsprozess – kann ein wirkungsvolles Alleinstellungsmerkmal für Unternehmen sein, wenn es darum geht, Fachkräfte zu gewinnen und zu binden.

Abseits der Hard Facts – Cultural Fit

Transparenz zählt im Bereich Human Resources nicht nur bei den Hard Facts. Zwar sind das Gehalt, Entwicklungschancen und ein transparenter Recruitingprozess wichtig, sie allein machen aber noch keinen perfekten Fit. Denn eine transparente Unternehmenskultur kann nur etabliert werden, wenn sich die Mitarbeitenden ebenfalls zu einer offenen und ehrlichen Kommunikation verpflichten.

Dies gelingt am besten, wenn sich die Angestellten mit dem Wert der Transparenz identifizieren können und er für sie persönlich auch einen hohen Stellenwert hat. Lassen Sie mich das an einem aktuell stark präsenten Thema – der Nachhaltigkeit – genauer erläutern. Legt ein Unternehmen beispielsweise ein besonderes Augenmerk auf Nachhaltigkeit, sollte für die ideale Zusammenarbeit auch den Mitarbeitenden dieser Wert etwas bedeuten. Nur so kann als Organisation wirklich nachhaltig agiert werden. Wie erfolgreich sich Transparenz im Unternehmen durchsetzt, hängt folglich vom Cultural Fit zwischen Talent und Arbeitgeber ab.

Ein Blick auf den Cultural Fit zu werfen bedeutet, den Fokus weg von Qualifikationen hin zu sozialen Kompetenzen und persönlichen Überzeugungen der Talente zu lenken. Um überprüfen zu können, ob Fachkräfte ins Unternehmen passen, bedarf es wiederum auch Transparenz – und zwar von beiden Seiten.

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