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Wiederheirat rechtfertigt keine Kündigung

Die christlichen Kirchen als Institutionen spielen in Deutschland eine wichtige Rolle. Zwar ist die Anzahl der Mitglieder rückläufig, als Arbeitgeber sind sie aber präsent in Kitas, Krankenhäusern, caritativen Einrichtungen und anderen Organisationen. Und dort gelten besondere Regeln des Kirchenrechts. Von Arbeitnehmern der eigenen Konfession fordert die katholische Kirche ein sittliches Leben nach ihren Vorstellungen.

Gegen diese Loyalitätspflicht soll der Chefarzt eines von einem katholischen Träger betriebenen Krankenhauses in Düsseldorf verstoßen haben. Er hat sich von seiner ersten Frau scheiden lassen und 2008 ein zweites Mal standesamtlich geheiratet. Davon hat sein Arbeitgeber Kenntnis erlangt. Daraufhin wurde ihm ordentlich zum 30. September 2009 gekündigt, da dieses Verhalten einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß nach Art. 5 Abs. 2 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO 1993)dargestellt habe. Der betroffene Arzt wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage. Er fühlte sich im Vergleich zu Mitgliedern anderer Konfessionen ungleich behandelt. So wäre einem evangelischen Kollegen nicht wegen einer erneuten Heirat gekündigt worden.

Beschluss des BAG

Es folgte über Jahre hinweg eine Reise durch die deutsche Gerichtsbarkeit: Unter anderem von Erfurt zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Karlsruhe, zurück nach Erfurt, zum EuGH und wieder zurück nach Erfurt. Denn das BAG gab der Klage des Arztes 2011 zunächst Recht (BAG, Urt. v. 8.9.2011, Az. 2 AZR 543/10). Dagegen wehrte sich die Kirche wiederum mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG. Das BVerfG stimmte der Kirche zu (2 BvR 661/12). Dazu führte es aus, dass sich staatliche Gerichte nicht über das kirchliche Selbstverständnis hinwegsetzen dürften, solange dieses nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen stehe. Mit anderen Worten: Solange die Kirche die Grundrechte nicht besonders krass verletzt, hat sie einen großen Entscheidungsspielraum bezüglich der Regeln für ihre Mitarbeiter.

Zurück beim BAG riefen die Richter den EuGH zu diesem Thema an. Dieser entschied in der Rechtssache (Az. C-68/17) jedoch gegen Karlsruhe. Das Recht der Kirche auf Eigenständigkeit müsse hinter dem Recht des Arztes auf Gleichbehandlung zurücktreten.

Dieser Argumentation sind die Erfurter Richter nun mit ihrem Urteil vom 20. Februar gefolgt. Mit seiner Wiederverheiratung verletze der Arzt weder eine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte Loyalitätserwartung der Beklagten. Die Vereinbarung im Dienstvertrag sei gem. § 7 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) unwirksam, soweit dadurch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe als schwerwiegender Loyalitätsverstoß bestimmt ist. Diese Regelung benachteilige den Kläger gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religionszugehörigkeit und damit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ohne dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt sei. Dies folge aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG.