Sie rauben uns Zeit und Nerven im Büroalltag: Gemeint sind die täglichen Zeitfresser – angefangen von der E-Mail-Flut über den Meeting-Wahn bis hin zu unwichtigen Kurznachrichten auf Whats App, Facebook & Co. Doch wie kann man diesen Zeitverschwendern die Stirn bieten? Durch einen bewussteren Umgang mit ihnen.
Montagmorgen im Büro eines Automobilzulieferers. Zehn Mitarbeiter sitzen an einem Konferenztisch. Kollege Schulze aus dem Vertrieb führt seinen bekanntlich langen Monolog, nachdem er unpünktlich erschienen ist. Controllerin Matthiesen wurschtelt mit ihrem Smartphone unter dem Tisch herum; wie so oft in Meetings checkt sie ihre E-Mails. Verschiedene Kollegen diskutieren wild durcheinander. Ob das wohl an der fehlenden Agenda liegt? Die Besprechung zieht sich. Wer hört eigentlich noch zu? Der Projektleiter schaut ungeduldig auf die Uhr: „Zehn Minuten haben wir noch“. Dann packen alle hektisch ihre Sachen zusammen. Mal wieder wurde keine Entscheidung getroffen, und die Aufgaben nicht richtig verteilt. Und dass, obwohl man über eine Stunde zusammengesessen hat.
Solche Arbeitstreffen gibt es in deutschen Firmen zuhauf: Sie finden mehrmals am Tag, mit dem eigenen Team oder auch in abteilungsübergreifenden Arbeitsgruppen statt. Obwohl Mitarbeiter und Führungskräfte diese Besprechungen – so weist die Forschung immer wieder nach – als zeitraubend und belastend empfinden, scheint sich an der „Meetingitis“, wie sie Matthias Messmer beschreibt, nicht viel zu ändern. Der Meeting-Coach hat die Erfahrung gemacht, dass viele Unternehmen es scheuen, ihre Meeting-Kultur zu reflektieren und festgefahrene Strukturen zu hinterfragen. Das hängt auch mit der mangelnden Bereitschaft der Vorgesetzten zur Verhaltensänderung zusammen: „Welcher Chef gesteht sich schon gern ein, dass er derjenige ist, der immer reden will und seine Mitarbeiter kaum zu Wort kommen lässt?“ Wichtig sei daher, ein Meeting im Vorfeld gut zu planen und klare Spielregeln für alle Teilnehmer im Vorfeld festzulegen, angefangen von der Erstellung einer Agenda mit zu behandelnden Themen und Zielen, der Festlegung der Redezeit bis hin zur klaren Aufgabenverteilung.
E-Mails – der tägliche Wahnsinn
Zum Meeting-Wahn kommt die E-Mail-Flut: Manche Führungskräfte erhalten täglich 120 Nachrichten, wenn man von 250 Werktagen pro Jahr ausgeht. Ein Großteil der Mitarbeiter checkt seine E-Mails mindestens drei Mal am Tag, sieben von zehn Leuten schauen auch ihre privaten Posteingänge bei der Arbeit nach. Das hat die Unternehmensberatung Bain & Company kürzlich in einer Studie ermittelt; die Analysten haben 17 Konzerne in Europa und den USA untersucht.
Es überrascht nicht: Das tägliche Abarbeiten der eingegangenen Mails kann wertvolle Arbeitszeit auffressen und die Arbeitsproduktivität beeinträchtigen, sorgt die elektronische Post doch immer wieder für Unterbrechungen. Und das wiederum kann den Stress am Arbeitsplatz erhöhen. Ist man diesem Störenfried ausgeliefert? Nein, man muss nur wissen damit umzugehen und Wichtiges von Unwichtigem trennen, sagen die Verfechter der modernen Kommunikationsmittel. In ihrem Ratgeberbuch „Management by E-Mail“ geben die Unternehmensberater Günter Weick und Susanne Wagner Tipps, wie Führungskräfte mithilfe eines optimalen E-Mail-Managements die Flut in den Griff bekommen. Ein kleiner Ausschnitt:
• Lassen Sie Ihr E-Mail-Programm nicht ständig geöffnet. So vermeiden Sie permanente Ablenkungen, die beim Eintreffen einer neuen E-Mail durch einen Signalton angekündigt werden.
• Lassen Sie sich aus jedem Verteiler löschen, den Sie nicht zwingend brauchen.
• Überprüfen Sie die Informations-E-Mails wie Newsletter, die Sie bekommen. Filtern Sie die, die sie nicht (mehr) brauchen, hinaus. Lassen Sie diese E-Mails in einen bestimmten Ordner einlaufen. Wenn Sie an einem Tag keine Zeit haben, sie zu lesen, stören Sie Ihren Alltag nicht.
• Differenzieren Sie zwischen E-Mails, die zu den Kernaufgaben gehören und solchen, die unwichtig oder nur unnötige Zeitverschwendung sind. Letztere sollten Sie sofort löschen.
• Ein besonderes Problem ist das in „CC-Setzen“. Eine E-Mail, in der ein Vorgesetzter in Kopie gesetzt wird, zählt keineswegs zu „Personal führen“ oder „Fortschritte kontrollieren“. Also reduzieren sie jede überflüssige E-Mail und sagen Sie auch den Kollegen, dass sie nicht mehr zwingend in CC gesetzt werden wollen. Von Ausnahmen abgesehen sollte keine E-Mail mehr als zwei Empfänger haben.
Im Büro auf Facebook – geht das?
Privates Internet-Surfen am Arbeitsplatz kann ebenfalls Zeit und Geld verschwenden: Es verursacht in Unternehmen schätzungsweise einen Produktivitätsausfall von 40 Prozent. Das ist das Ergebnis von timedoctor.com, einer Beratung für Zeitmanagement. Diese hat eine Software entwickelt, die Firmen dabei unterstützen soll, typische Zeitfresser und Ablenkungen zu identifizieren und produktiver mit ihrer Zeit beziehungsweise der der Mitarbeiter umzugehen. Die Berater geben auch Tipps, welche Social Media-Angebote wie zum Beispiel Facebook, Twitter und You Tube geblockt werden können. Klingt erschreckend und nach Überwachung. Doch das „Monitoring“ ist in vielen nordamerikanischen Unternehmen üblich, haben die Zeitdoktoren herausgefunden: Über die Hälfte verbieten bereits eine Social Media-Nutzung am Arbeitsplatz und das Blockieren von Facebook & Co. ist gängige Praxis.
In Deutschland dagegen ist diese Form der Überwachung datenschutzrechtlich nicht erlaubt. Ganz abgesehen davon ist fraglich, ob eine strikte Trennung zwischen privater und beruflicher Nutzung diverser Kanäle sinnvoll ist: „In Großkonzernen dürfen Mitarbeiter häufig kein Facebook nutzen, kommunizieren dann aber mit ihrem privaten Smartphone. Wo soll man hier die Grenze ziehen?“, gibt Danny Trapp von der Düsseldorfer Social Media-Agentur Online Dialog zu bedenken. Er empfiehlt seinen Kunden, die Nutzung von Social Media-Kanälen nicht komplett zu verbieten, sondern offen damit umzugehen: „Die Ablenkung durch die fortschreitende Digitalisierung ist immanent, lässt sich aber nicht mehr verhindern. Doch sollte man bedenken, dass viele Mitarbeiter im Büro zwar auch privat kommunizieren, dafür aber zum Beispiel geschäftliche E-Mails von zuhause bearbeiten. Wir brauchen mehr Ziel- und weniger Zeitvereinbarungen.“
Ob Meetings, E-Mails oder Social Media: Es ist keine Frage, dass diese Zeitfresser für die Arbeitnehmer zur täglichen Arbeit gehören, aber eben auch belastend sind. Es wäre ratsam, sich stärker auf seine Kernaufgaben zu konzentrieren, Prioritäten zu setzen und Arbeiten nicht aufzuschieben und vor allem: sich bewusst mit den Quälgeistern auseinandersetzen und das zu verändern, was wichtig und möglich ist.
Autorin: Annette Neumann, freie Journalistin
› Noch mehr Wissenswertes finden Sie in unserem Themenspecial Zeitverschwendung