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Zwischen Bootcamp und Bombenraum

Was da läuft, greift PE hier immer auf. Das Team wird in einem sehr unübersichtlichen Raum eingeschlossen und muss innerhalb von 60 Minuten dort rauskommen – mithilfe von unglaublich vielen Tipps, Rätseln, zu lösenden Teilaufgaben und Hinweisen.

Das Ganze wird von 20 Videokameras mitgeschnitten und ex post analysiert. Wer war „cool under pressure“? Wer hat „contributed“? Wer hat das Ganze nicht ernst genommen? Wer war sofort in Panik? Wer hat gute Ideen gehabt – die aber von anderen ignoriert wurden? Vorsicht: Wer klaustrophobisch veranlagt ist, sollte das nicht mitmachen. Wer sich nicht gerne in die Ecke drängen lässt, auch nicht. Wer ohnehin Sorge hat, dass die anderen schlauer sind, schon gar nicht.

Die Augen vieler Personalentwickler werden jetzt leuchten: toll, neu, irgendwie anders. Kurz: wow! Sofort fallen uns Erklärungen ein, warum das so unglaublich passend für Führungskräfte, Führungsnachwuchs oder irgendwie alle Mitarbeiter ist. Wer nun losrennen will: In größeren Städten Deutschlands gibt’s die Angebote schon. Sie reichen von der Befreiung aus der harmlosen Mystik-Traumwelt einer „magischen Bibliothek“ bis hin zum tickenden „Bombenraum“, der virtuell explodiert, wenn man nicht rauskommt.

Wie wäre es, wenn sich HR/PE die simple Frage stellt: Wozu brauchen die Mitarbeiter so ein Training? Klar – für VW-Manager wäre es aktuell toll, wenn man von Abgastests, Kunden, Anwälten und Medien umzingelt in 60 Minuten elegant dieser aussichtslosenSituation entkäme. Für Mitarbeiter anderer Unternehmen bringt das aber bezogen auf die konkrete Arbeit weniger. Obwohl: „Teambildung“. Das Wort passt immer und klingt auch gut. Dabei kann PE als entspannender Escape-Spaß durchaus sinnvoll sein. Das aber traut sich keiner zuzugeben und schon gar nicht zu finanzieren. „Zu simpel“ geht nicht. Also muss die Escape-Form der PE als HR-mäßig überhöhter Lösungsansatz für zum Beispiel „Führung“ oder „dies, das und jenes“ (beliebig einsetzbar) herhalten.

Erinnern Sie sich an die späten 90er-Jahre: Tschakka-Motivationstrainer waren für die einen Fun und Comedy. Für viele Personalentwickler waren sie real und sinnvoll. Einige Teilnehmer nahmen diese Motivator-Shows so ernst, dass sie tief enttäuscht wurden, als sich das eigene Gehalt nach so einem Training nicht verdoppelte – obwohl man sich als Adler und nicht als Huhn sah; obwohl man definitiv „Bäcker“ und kein „Brötchen“ war.

Geändert hat sich nichts: Noch immer gibt es Motivationstrainings (und -coaches); es gibt Charisma-Bootcamps (und -coaches). Und wer mit seinem Hund einen Agility-Kurs besucht (mit Agility-Coach), der kann das neuerdings auch mit seinen Mitarbeitern machen: Nach dem „Leadership Agility Management Workshop“ bekommt man das „Agility 360-Grad-Zertifikat“ – und eine Extraportion Hundefutter. Fazit: PE darf Spaß machen. Einfach so …

Welche Schwerpunkte hat Ihre Unternehmens-PE? Schreiben Sie uns!

Autor: Jobst R. Hagedorn