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Wie Sie das Potenzial abgelehnter Bewerber nutzen können

Bild einer Werkbank

Frage an die HR-Werkstatt: „Wie bleiben alle guten, aber derzeit für „keine Stelle vorhandenen“ Kandidaten im Griff? Welche Tools für Kandidaten-Pools nutzt man am besten?“

Es antwortet: Ingolf Teetz, Software-Entwickler und Experte für Bewerbermanagement-Systeme

Sie kennen das: „Mensch, die neue Stelle wäre ideal für den abgelehnten Kandidaten letzte Woche gewesen. Wie hieß er noch gleich?“ Oder: „Da kam doch vor drei Monaten eine Initiativbewerbung rein. Wo haben wir die abgelegt?“ sind oft gehörte Fragen, wenn es um eine Stellenbesetzung geht. Das Problem kommt nicht nur Ihnen bekannt vor. Viele Unternehmen setzen den Fokus auf neue Bewerber anstatt auch die bisherigen Kandidaten mit in die Auswahl zu nehmen. Die Folgen: Stellen bleiben lange unbesetzt und hohe Recruitingkosten plagen das Unternehmen. Ganz zu schweigen von dem Stress, der Ihnen bei einem (geordneten) Talentpool erspart bliebe.

Schritt 1: Nehmen Sie den Wert der abgelehnten, aber interessanten Kandidaten wahr

Ob Initiativbewerbung oder ehemaliger Praktikant, ob Kontakt auf einer Karrieremesse, oder der Bewerber, der trotz Vorstellungsgespräch doch nicht ganz das Rennen gemacht hat: sie alle haben sich schon einmal für Ihr Unternehmen interessiert und es in guter Erinnerung. Das als „Guthaben“ wahrzunehmen, das man pflegen kann, ist die richtige Denkweise. Das In-Kontakt-Bleiben, der Aufbau einer längerfristigen Beziehung ist Inhalt des Talent Relationship Managements (TRM). Bauen Sie sich sukzessive einen Pool an Talenten auf, um damit den Recruiting-Prozess zu verkürzen. Denn stehen die passenden Talente bereits zur Verfügung, lassen sich Veröffentlichungs- oder Personalberaterkosten reduzieren. Auch der Prozess wird deutlich schneller, denn Suche, Sichtung und Vorselektion sind ja bereits erledigt.

Schritt 2: Raus aus der Schublade, rein ins System

Digitalisierung ist beim Aufbau von Talentpools alles: Der Wegfall von Papierstapeln auf dem Schreibtisch erspart Ihnen viel Zeit bei dem späteren Wiederauffinden von Kandidaten. 

Notfalls hilft es, Kandidaten, die Sie sich „warmhalten“ möchten, in einer Excelliste zu erfassen. Excel hilft immerhin dabei, im Blick zu behalten, welche Bewerbungen gerade verfügbar sind. Aber das ist mühsam, die Liste muss immer händisch aktualisiert werden. Um Ihre Talent Relationship konsequent zu verbessern, empfehlen wir jedoch, sich eine Software zur Unterstützung zu holen. Damit stehen Ihnen strukturierte Daten zur Verfügung, die Sie durchsuchen und filtern können. Die Ergebnisse bleiben übersichtlich, egal, wie viele Talente Sie erfasst haben.

Es gibt einfache Tools dafür, zum Beispiel von den Business-Netzwerken Xing oder Linkedin. Meist haben diese Lösungen ihren Funktions-Schwerpunkt im Active Sourcing, also der Suche von bislang unbekannten Talenten im Internet und dem Abspeichern der Profile. Doch: Von der Qualität der Daten mal abgesehen (öffentliche Profile enthalten oft nur rudimentäre oder veraltete Daten) muss gut geprüft werden, ob und wie diese Daten in das eigene Recruitingverfahren überführt werden können. Sonst ist es wieder doppelte Daten-Tipperei. Da bietet es sich eher an, in eine Recruiting-Software zu investieren, die Talentpool-Funktionen schon mitbringt.

Schritt 3: Vom Pool in die Pipeline – Das Konzept

Talentpools sorgen für Ordnung in Ihrem Bewerbermanagement. Beantworten Sie für Ihr Unternehmen die folgenden Fragen: 

  • Wofür wollen Sie die Talente binden? Zu welchem Zweck erstelle ich einen Talentpool? Das hat Einfluss darauf, welche Funktionen Ihr Tool mitbringen muss.
  • Sind Segmentierungen der zu bindenden Kandidaten sinnvoll, zum Beispiel für hart umkämpfte Talente, für angehende Azubis oder für die Nachbesetzung von Spitzenpositionen? Dafür müssen Sie wissen, wer in nächster Zeit gesucht wird (Nachfolgeplanung). 
  • Inhalte: Was möchten Sie welchen Kandidaten wie mitteilen? Wer ist dafür intern zu involvieren? Planen Sie eine tragfähige Redaktion, je nach Zweck und Größe, vorab.
  • Technik und Organisation: Wie stark soll automatisiert werden? Vom einfachen Talentpool bis zu einer komplett interaktiven Online-Community ist alles denkbar.

Schritt 4: Guter Input belebt Ihre Kandidaten

Wenn das Konzept für die Datenhaltung und Kommunikation steht, schließt sich die Frage an, welche Inhalte Sie bei der Kommunikation mit den Talenten anbieten? Von der Form – Text, Bild, Video, Einladungen zu Events usw. – mal ganz abgesehen. Ihre Themen sollten möglichst individuell sein und dem Kandidaten einen echten Nutzen bringen. Ein jährlicher Geburtstagsgruß ist eine nette Geste, reißt aber niemanden vom Hocker. Es kommt darauf an, auf das Profil des Kandidaten einzugehen: Seine Qualifikationen, Karriereschritte und persönliche Interessen. Im Gegenzug liefern Sie relevante Stellenanzeigen, Unternehmensinfos, Details über die potenzielle zukünftige Abteilung und vieles mehr. Fragen Sie regelmäßig das Interesse des Bewerbers an Ihnen als Arbeitgeber ab. So haben Sie durchgehend aktuelle Profile im Pool. Ein guter Zeitraum dafür ist alle drei bis sechs Monate. Hat der Talentpool einen langfristigen Zweck, beispielsweise den Kontakt zu ehemaligen Praktikanten zu halten, um diese Jahre später einzustellen, kann die Frequenz deutlich länger sein.

Schritt 5: Das sollten Sie bei der Entscheidung für eine TRM-Software beachten

Wenn Sie sich dafür entscheiden, mit Talentpools zu arbeiten und eine Software dafür anzuschaffen, bedenken Sie vorher folgende Punkte: 

  • Ein Talentpool ist nicht genug: Sie sollten unterschiedliche Talentpools bilden können, zum Beispiel für bestimmte Engpass-Zielgruppen oder bestimmte Einstiegslevel. 
  • Vermeiden Sie Systembrüche: die TRM-Lösung sollte mit Ihrem Recruiting-System verzahnt sein. So können Sie bei einer neuen Stelle die Anforderungen schnell mit den vorhandenen Talenten im System abgleichen. Im Recruitingsystem sind beispielsweise die Anforderungen der Stelle wie Einstiegslevel (Berufsanfänger, Berufserfahren…), Tätigkeitsbereiche (IT, Vertrieb, Produktion…), Schulbildung oder eben Kompetenzen (Englisch-, MS-Office-Kenntnisse, Buchhaltung…) enthalten. Im Profil des Talents im Talentpool sind dessen Werdegang (2 Jahre Berufserfahrung, Abitur) und Qualifikationen ebenso enthalten. Talente, deren Qualifikationen auf die Anforderungen der Stelle passen, werden im TRM angezeigt.
  • Ein reibungsloser Prozess ist auch für die „Wiedereingliederung“ des Talents in einen neuen Stellenbesetzungsprozess essenziell. Mit ein paar Klicks sollte das Profil auf eine freigewordene Stelle gebucht werden können.
  • Das Tool sollte E-Mail-Kommunikation mit dem Talent ermöglichen. Textbausteine und Musterbriefe (die Sie in der Regel selbst erstellen) helfen dabei.
  • Beachten Sie die Datenschutzbestimmungen: Holen Sie sich das Einverständnis des Kandidaten, um es sich in Ihrem Talentpool gemütlich zu machen. Erläutern Sie Zweck und Modalitäten in Abstimmung mit Ihrem Datenschutzbeauftragten. Der Kandidat sollte aktiv zustimmen können, bevor er im Talentpool gespeichert wird. Ein ausgereiftes System hat diese sogenannte Opt-in-Funktion automatisiert, ohne dass ein Recruiter die Einladungs-E-Mail manuell senden muss, noch dass er zum Beispiel die E-Mail mit den Benutzerkontoinformationen (Benutzername, Passwort) manuell versenden muss. 
  • Grundsätzlich wichtig sind hohe Sicherheitsstandards. „Made in Germany“ und „Hosting in Germany“ sind nie verkehrt. Zusätzliche Zertifizierungen, zum Beispiel gemäß ISO 27001 sind ein Indiz für hohe Qualität.

Wie geht’s weiter?

Bleiben Sie am Ball. Selbst bis ins Detail durchdachte TRM-Konzepte sind kein einmaliges Projekt. Sehen Sie es als fortwährenden Prozess. Informationen, die gestern noch für Ihre Kandidaten interessant waren, sind es morgen vielleicht nicht mehr. Hinterfragen Sie permanent Ihre Maßnahmen, messen Sie Reaktionen und justieren Sie Ihr Konzept kontinuierlich nach.

 

✓ Werkstatt-Check: Mit diesen Schritten richten Sie TRM in Ihrem Unternehmen ein
Entscheiden Sie zunächst, ob eine Talent Pipeline aufgebaut werden soll.
Entscheiden Sie, ob ein Software-Tool Sie dabei unterstützen soll, oder ob eine Excel-Tabelle ausreicht.
Arbeiten Sie das Konzept Ihres Talent Relationship Managements aus: Wer soll rein, wie erfolgt die Aufnahme, was für Inhalte soll es geben?
Erarbeiten Sie ein Inhaltskonzept: Welche Inhalte mit welchen Resourcen soll es geben?
Suchen Sie sich ein Tool und prüfen Sie, ob es in die eigenen Prozesse und Systeme passt.

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