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Multitalent Funktionsbewertung

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Seit sich Gesellschaften arbeitsteilig organisieren, besteht Bedarf an einer Methode der Differenzierung von Arbeitsinhalten und Leistungsbeiträgen. So lässt sich nachlesen, dass bereits im alten Mesopotamien Tempeldiener nach der Art ihrer Aufgaben in Lohngruppen eingeteilt und vergütet wurden. Auch das mittelalterliche Ständewesen unterschied verschiedene Lohngruppen im Handwerk nach ihren Aufgaben und damit nach verbundenen Qualifikationen und erwarteten Leistungen. Bis heute finden wir diese Logik fest verankert in den Entgeltgruppen der Tarifverträge und der Beamtenbesoldung. Doch die Prinzipien, die den Entgeltsystemen zugrundeliegen, sind manchmal starr und unflexibel.

 

In der modernen Wirtschaft hat sich die Funktionsbewertung als wesentliches Basisinstrument der Vergütungsgestaltung in nahezu allen Bereichen etabliert. Umgangssprachlich wird sie oft auch als Stellenbewertung bezeichnet. Das weltweit eingesetzte Grundprinzip aller Funktionsbewertungsmodelle umfasst

  • die anforderungsorientierte Analyse von Funktionsinhalten,
  • das summarische oder analytische Ermitteln des damit verbundenen Anforderungsniveaus sowie
  • das abschließende Zusammenfassen von anforderungsähnlichen Funktionen in Funktions- oder Einkommensgruppen.

Für diese Funktions- oder Einkommensgruppen, die auch Grades genannt werden, werden entsprechend der Vergütungsstrategie Einkommensbänder festgelegt. Diese können fix oder variabel sein. Sie sollten einerseits wettbewerbsfähig sein und andererseits eine interne Vergütungsfairness und ein kontrolliertes Personalkostenmanagement gewährleisten.

 

Wie kein anderes HR-Managementinstrument kann die Funktionsbewertung mit vergleichsweise geringem Aufwand den Verantwortlichen in Unternehmen einen umfassenden Überblick über Organisationsstrukturen im Unternehmen verschaffen und gleichzeitig die Grundlagen für eine nach innen transparente und faire und nach außen marktgerechte und langfristig finanzierbare Vergütungspolitik legen. Insbesondere bei der Nutzung etablierter Bewertungssysteme wie etwa der Guide Charts der Hay Group oder des strata-Modells stehen umfängliche Möglichkeiten des Benchmarkings zur Verfügung. Dabei können Unternehmen auch zwischen den etablierten Methoden wechseln, da deren Logik weitgehend kompatibel ist.

 

Zusatznutzen der Funktionsbewertung

 

Die Funktionsbewertung eröffnet aber die Möglichkeit, noch viel mehr zu leisten. In der Praxis messen die Verantwortlichen in den Unternehmen diesen Möglichkeiten leider noch zu wenig Bedeutung bei, obwohl die positiven Effekte, die daraus resultieren können, einen signifikanten Beitrag zum Unternehmenserfolg darstellen. Im Rahmen von Bewertungsprojekten nehmen die Entscheider in den Betrieben diese Effekte zumeist wohlwollend, manchmal auch überrascht zur Kenntnis und loben sie als wertvollen Zusatznutzen.

  1. Beitrag zur Organisationsentwicklung

Im Rahmen einer moderierten Funktionsbewertung werden Führungskräfte methodisch dazu angeleitet, sich – häufig zum ersten Mal – systematisch mit ihrer eigenen Organisation, den zur Erfüllung der Organisationsziele erforderlichen Beiträgen und der damit verbundenen Stellenausstattung auseinanderzusetzen. Solche Prozesse erfordern häufig von Seiten der Unternehmensleitung einen gewissen Zwang, damit sich alle Führungskräfte dafür öffnen.

 

In vielen Fällen haben die Erkenntnisse, die in diesen Gesprächen gewonnen wurden, Auswirkungen auf die künftige Aufbau- und/oder Ablauforganisation des Unternehmens. Die aktive Beteiligung der Führungskräfte am Bewertungsprozess – insbesondere in der gemeinsamen Interaktion – ist eine Maßnahme der Organisations- und Managemententwicklung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

  1. Klarheit zur tariflichen Eingruppierung

In tarifgebundenen Unternehmen erhebt sich regelmäßig die Frage, welche Funktionen noch dem Geltungsbereich des Tarifvertrags und welche Funktionen bereits dem außertariflichen Bereich zuzuordnen sind. Unterschiedliche Interessen und Unsicherheit führen häufig zu nicht nachvollziehbaren Einzelfallentscheidungen und langfristig zu Ungleichbehandlungen und zu meist teuren Besitzständen. Mit Hilfe der Funktionsbewertung kann in Zweifelfragen – häufig im Rahmen einer Betriebsvereinbarung oder Regelungsabsprache – ein Instrument zur Verfügung stehen, das eine Problemlösung rechtlich abgesichert, nachvollziehbar und marktorientiert liefern kann.

  1. Mitarbeiterentwicklung, Nachfolgeplanung und Fachkarrieren

Jedes Funktionsbewertungsmodell erfasst anhand von unterschiedlichen Kriterien wie zum Beispiel der Managementkompetenz das Anforderungsniveau einer Funktion oder einer Stelle. Dieses wiederum leitet sich aus den Funktionszielen und den damit zwingend verbundenen Kernaufgaben ab. Durch einen Vergleich des kriterienspezifischen und personenunabhängigen Sollprofils einer Funktion mit dem beim konkreten Funktionsinhaber festgestellten Istprofil lassen sich sowohl auf Zielgruppen als auch auf Individuen abgeleitete Entwicklung- und Schulungsmaßnahmen ableiten, die eine sicherere und effektivere Anforderungserfüllung wahrscheinlich machen. Gerade im Fall einer Nachfolgeplanung oder im Rahmen von Fachkarrieremodellen liefert hier die Funktionsbewertung wertvolle Informationen und konkrete Ansätze für eine erfolgreiche Realisierung.

 

Es ließen sich noch weitere Beispiele aufzeigen. Wichtig ist zu erkennen, dass die Funktionsbewertung weit vielfältigere Einsatzmöglichkeiten bietet, als sie in der betrieblichen Praxis Beachtung finden. Daher sollten Nutzer dieses exzellenten Instruments stets darauf achten, alle Optionen auszuschöpfen und Chancen nicht ungenutzt zu lassen. Kaum ein anderes Instrument der Personalarbeit kann einen so umfassenden Wertschöpfungsbeitrag der Human-Resources-Organisation generieren.

 

Stefan Röth

Partner

Stefan Röth Vergütungsberatung

Oberhaching bei München

sroeth@roeth-reward.com

www.roeth-reward.com