Frau Matthews, welche Rolle spielt das Performance-Management für Novartis?
Isabel Matthews: Das Performance-Management ist stark in die Unternehmenskultur von Novartis integriert. Das ganze Thema besitzt eine hohe Relevanz für das Unternehmen, für die Vorgesetzten und für die Mitarbeiter, denn im Performance-Management legen wir die Ziele für Mitarbeiter fest und machen sie transparent. Dadurch stellen wir sicher, dass die individuellen Mitarbeiterziele auf die Unternehmensziele abgestimmt sind. Wir führen das Performance-Management grundsätzlich für alle Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens durch, vom Manager bis zum Produktionsmitarbeiter, sowie in allen Ländern, in denen wir vertreten sind. Es ist damit in allen Strukturen und Bereichen des gesamten Konzerns präsent.
Guido Andre Ruiz Höhn: Wir standardisieren, integrieren und vereinfachen unsere zentralen HR-Entwicklungsprozesse weltweit, soweit es sinnvoll und möglich ist. Das gilt auch für das Performance-Management, doch es ist nicht einfach, einen solchen Ansatz weltweit auf einen Nenner zu bringen. Deshalb fahren wir bei Novartis das Programm „UP4Growth“, eines der größten Change-Programme des Unternehmens. Konkret rollen wir es für das Performance-Management sowie das Talentmanagement Land für Land aus. Durch das schrittweise Vorgehen stellen wir sicher, dass wir in jedem Land das jeweils geltende Recht einhalten, ohne den Prozess im Kern verändern zu müssen. Das ist aber nur ein Teil der Aufgaben des Programms, das im Kern die verschiedenen Programme zur Personalentwicklung im Konzern zusammenführt, vereinfacht und sie integriert.
Wie läuft der Performance-Management-Prozess bei Novartis ab?
Isabel Matthews: Im Konzern arbeiten wir seit langem mit einer einheitlichen Struktur. Demnach setzen wir am Anfang des Jahres die Ziele für den einzelnen Mitarbeiter fest. Zur Jahresmitte findet ein offizielles Gespräch zwischen dem Mitarbeiter und dem Vorgesetzten statt. Dabei geht es um einen Rückblick auf das erste Halbjahr und um einen Ausblick auf das zweite Halbjahr. Zum Jahresende setzen sich Mitarbeiter und Vorgesetzter noch einmal zu einem Jahresbewertungsgespräch zusammen. Diesen Gesprächsprozess wollen wir optimieren und flexibler gestalten. Deshalb sind wir aktuell dabei, über unser „Check-in“-Programm eine kontinuierliche Feedbackkommunikation zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem einzuführen. Perspektivisch soll ein kontinuierlicher Dialog den derzeitigen halbjährlichen Gesprächsrhythmus ersetzen.
Guido Andre Ruiz Höhn: Beim Performance-Management geht es uns zum einen um die Frage, ob der Mitarbeiter die vereinbarten Ziele erreicht hat, und zum anderen um die Frage, wie er diese Ziele erreicht hat. Dazu gehören Kriterien wie etwa das Verhalten gegenüber Kollegen. Beim Performance-Rating bewerten wir beide Teile jeweils zu 50 Prozent, sie fließen also zu gleichen Teilen in das Rating ein. Uns ist die Art, wie die Mitarbeiter ihre Leistung erbringen, sehr wichtig. Im Gespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter wird auch diskutiert, wie ein Mitarbeiter erfolgreich arbeiten und wie er sich und seine Kompetenzen weiterentwickeln kann.
Verändern sich mit dem neuen Prozess auch die Ziele?
Guido Andre Ruiz Höhn: Nein, an den Zielen wollen wir derzeit nichts verändern. Gerade die Ziele helfen uns und den Mitarbeitern, ihre Stärken durch das Performance-Management herauszukristallisieren, sich derer gemeinsam bewusst zu werden und Maßnahmen zur Personalentwicklung mit dem Mitarbeiter abzustimmen. Überhaupt konzentrieren wir uns auf die Stärken unserer Kollegen und nicht allein auf die Dinge, die weniger gut gelaufen sind. Auch diese kulturelle Veränderung vollzieht sich derzeit im Konzern. Dann schauen wir gemeinsam mit dem Mitarbeiter, wie wir seine Stärken im Unternehmen am besten einsetzen und fördern können. Sicher fragt sich jeder Mitarbeiter, wie seine berufliche Zukunft bei Novartis aussehen wird. Entsprechend verknüpfen wir das Performance-Management mit unserem Talentmanagement.
Isabel Matthews: Das Performance-Management ist mit weiteren HR-Bereichen verknüpft, etwa mit der variablen Vergütung. Dort verfolgen wir eine klare Pay-for-Performance-Philosophie. Deshalb sind das Performance-Management und die Boni aneinander gekoppelt. Allerdings gelten hier ebenfalls von Land zu Land Modifikationen, so-weit die lokale Rechtslage das erfordert. Grundsätzlich sind wir und unsere Mitarbeiter mit dieser Praxis zufrieden. In der variablen Vergütung kommen verschiedene Aspekte wie die individuelle Performance und das Unternehmensergebnis zusammen.
Welche Rolle übernimmt HR im operativen Performance-Management?
Guido Andre Ruiz Höhn: HR ist in den Feedbackprozess nicht direkt eingebunden, begleitet ihn aber und stellt die Infrastruktur bereit. Die Zielvereinbarungs- und Feedbackgespräche selbst finden zwischen dem Mitarbeiter und dem Vorgesetzten statt. Der Mitarbeiter gibt seine Zielsetzung und seine Selbsteinschätzung vorab in ein System ein und lässt die Daten dem Vorgesetzten zukommen. Danach findet das Gespräch zwischen beiden statt. Der Vorgesetzte kommentiert die Zielsetzung des Mitarbeiters und passt sie bei Bedarf im System an. Danach sollte es für keine der beiden Seite noch Überraschungen geben. Dank der transparenten Prozesse weiß jeder Mitarbeiter, wo er zu einem beliebigen Zeitpunkt im Jahr steht. Künftig wollen wir in „UP4Growth“ die Konzernziele und die der einzelnen Fachbereiche einspeisen. Dadurch kann sich der Mitarbeiter die Frage selbst beantworten, welche Konsequenzen die einzelnen Ziele für ihn haben und wie er seinen Beitrag zum Erreichen der Ziele leisten kann. Über die standardisierte Form des Feedbackgesprächs hinaus können wir andere Feedbackformen einsetzen. So arbeiten wir etwa mit einem System, das die Mitarbeiter während des gesamten Jahres immer wieder nach Feedback fragt. In dieses fließt auch das Feedback von Teams ein, so dass der Manager ein vollständiges und transparentes Bild eines Mitarbeiters bekommt.
Wie bringt ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter dazu, sich möglichst objektiv selbst zu bewerten
Isabel Matthews: Novartis hat die Selbstbewertung der Mitarbeiter schon vor langem als Bestandteil der Unternehmenskultur eingeführt, denn sie entspricht quasi der genetischen Anlage des Konzerns. Wir wollen über das Performance-Management sicherstellen, dass Mitarbeiter und Vorgesetzter bezüglich der Performance des Mitarbeiters denselben Informationsstand haben. Das hohe Maß an Transparenz soll den Mitarbeiter zusätzlich motivieren und sein Engagement für das Unternehmen steigern. Um das Performance-Management weiter zu verbessern, arbeiten wir derzeit daran, einen kontinuierlichen Dialog mit häufigerem Feedback einzuführen. Über diesen Prozess lässt sich die Performance genauer kalibrieren. Gerade die junge Generation fordert mehr Real-Time-Feedback und mehr Coaching. Aus den Resultaten lassen sich Performance-Ratings, Entwicklungsmaßnahmen und die nächsten Karriereschritte ableiten.
Guido Andre Ruiz Höhn: Bei Novartis gehen wir ein Stück weg von der klassischen linearen Karriere. Dank der Informationen, die wir aus dem Performance-Management und dem Talentmanagement gewinnen, können wir unseren Mitarbeitern heute eine deutlich breitere Range an Jobgelegenheiten anbieten. Zudem hilft das Performance-Management dabei, passende Maßnahmen im Bereich Learning zu identifizieren. So zeigt es Punkte auf, bei denen sich der Mitarbeiter noch weiterentwickeln will oder einen Bedarf an Qualifizierung hat.
Verbindet das Performance-Management mehr HR-Bereiche miteinander?
Isabel Matthews: Auch in den kommenden Jahren wollen wir diesen Ansatz für das Performance-Management weiter verfolgen. Wir werden den beschriebenen Prozess der Zielsetzung fortsetzen, die Ziele selbst aber immer wieder updaten. So trägt HR dazu bei, dass die Leistungsfähigkeit und die Kompetenz in der Organisation weiter wachsen. „UP4Growth“ als integrierte Plattform für verschiedene HR-Bereiche wird dabei eine essentielle Rolle spielen. Wir werden das System laufend auf- und ausbauen. Dort werden die Personalentwicklung, das Performance-Management, das Talentmanagement und andere HR-Funktionen direkt miteinander verknüpft. Das setzt ein klares Ratingsystem voraus. Beim Performance-Management steht für uns weniger der Prozess selbst im Mittelpunkt als vielmehr die Frage, wie wir ihn messbar, einfach und transparent gestalten können.
Welche Anforderungen stellen Sie an ein IT-System für das Performance-Management?
Guido Andre Ruiz Höhn: Ein solches IT-System muss transparent und einfach zu handhaben sein. Man sollte nicht erst ein Handbuch durchlesen müssen, um zu wissen, wie das Programm funktioniert. Diese Einfachheit muss das Programm und seine Handhabung durchgehend auszeichnen. Es sollte möglichst transparent und integriert sein, denn unsere HR-Bereiche sind keine abgeschlossenen Bereiche. Das Programm muss es ermöglichen, alle HR-Bereiche miteinander zu verbinden. Also müssen wir uns von Anfang an Gedanken über die Infrastruktur und über die Schnittstellen machen. Wir arbeiten noch mit Schnittstellen zwischen den verschiedenen HR-Programmen, weil wir noch kein umfassendes HR-Management-System im Konzern eingeführt haben.
Haben Sie von den Mitarbeitern Feedback zum Performance-Management eingeholt?
Isabel Matthews: Wir haben uns über eine globale Mitarbeiterbefragung Feedback zu unserem Modell eingeholt. Auch führen wir regelmäßig Mitarbeiterbefragungen zum Engagement durch. Auch dort haben wir Feedbackfragen zum Performance-Management eingebaut.
Info
Das Interview erschien in der Studie „HR-Performance-Management 2020“ vom F.A.Z.-Fachverlag FRANKFURT BUSINESS MEDIA und Cornerstone OnDemand.