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Performance-Management bei der Continental AG

Herr Metzger, wie zentral oder dezentral ist das Performance-Management bei Continental angelegt?

Matthias Metzger:
Das Performance-Management ist einer der zentralen HR-Prozesse, die wir weltweit harmonisiert und ausgerollt haben. Wir passen es bei Bedarf auch immer wieder an, etwa nach einer großen Übernahme und der damit verbundenen Integration vieler neuer Mitarbeiter. Dann schauen wir uns immer an, was beide Unternehmen voneinander lernen können. Im vergangenen Jahr haben wir ein neues, cloudbasiertes HR-Management-System eingeführt. Auch dafür mussten wir das Performance-Management anpassen, denn nicht alle unternehmensspezifischen Ausprägungen lassen sich ohne Weiteres in die Cloud übertragen.

Für wen im Konzern führt HR das Performance-Management durch?

Matthias Metzger: Das IT-unterstützte Performance-Management erfasst rund 100.000 Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis über alle Hierarchieebenen im Konzern. Für die Mitarbeiter im gewerblichen Bereich sind die Feedbackgespräche noch nicht harmonisiert und werden auch noch nicht systematisch mit einer IT-Lösung unterstützt. Das liegt vor allem daran, dass diese Personengruppe aufgrund ihrer diversen Funktionen heterogener ist und nicht in gleichem Maße über einen IT-Zugang verfügt. Auch ergeben sich durch Führungsspannen, die Art der Tätigkeit wie beispielsweise Schichtbetrieb und andere Faktoren wie etwa Sprachkenntnisse andere Herausforderungen. Der Anspruch des Unternehmens ist aber auch hier, dass alle Mitarbeiter ein jährliches Mitarbeitergespräch bekommen.

Wie erhalten die Mitarbeiter bei Continental Feedback von ihren Vorgesetzten?

Matthias Metzger: Wir unterscheiden bei Continental die halbjährlichen strukturierten Mitarbeitergespräche von den sehr regelmäßigen Feedbacks zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Das normale Feedback muss zeitnah erfolgen, um Arbeitsprozesse zu verbessern. Die halbjährlichen Mitarbeitergespräche sind inhaltlich komplexer. Da schauen wir unter anderem auf die gemeinsame Zusammenarbeit wie auch auf das Verhalten anhand unseres Verhaltenskatalogs. Innerhalb der Kategorien gibt es je nach Hierarchieebene unterschiedliche Ausprägungen der Kriterien. Das wünschenswerte konkrete Verhalten etwa in Bezug auf Unternehmertum unterscheidet sich natürlich von Hierarchieebene zu Hierarchieebene. Des Weiteren haben wir seit über zehn Jahren ein 360-Grad-Feedback im Einsatz, das für alle Führungskräfte mindestens alle drei Jahre durchgeführt wird. Hier erhalten Mitarbeiter mit Führungsverantwortung – und somit auch Projektleiter – Rückmeldung von ihren Vorgesetzten, aber auch von Kollegen, Mitarbeitern und Kunden.

Welchen Nutzen soll der Mitarbeiter aus dem Performance-Management ziehen?

Matthias Metzger:
 Wichtig ist für uns die Frage, ob der Mitarbeiter einen Mehrwert aus den halbjährlichen Gesprächen mit dem Vorgesetzten ziehen kann. Konkret besprechen beide unter anderem die Kategorie Zusammenarbeit, Verhalten und Ziele. Abschließend kategorisieren wir die Performance hinsichtlich der einzelnen Ergebnisse. Wir dokumentieren also beispielsweise, ob die Ziele erreicht oder übertroffen wurden oder ob wir mehr erwarten. Daran schließt sich eine Aussage zum Potenzial des Mitarbeiters an. Das kann eine Prognose für dieselbe Ebene sein, aber auch eine Perspektive für eine höhere Ebene eröffnen. Der Mitarbeiter kennt den Prozess und die Kategorien des Performance-Managements und macht sich im Vorfeld jedes Gesprächs Gedanken über seine eigenen Vorstellungen.

Welche sind die Hauptziele von Continental beim Performance-Management?

Matthias Metzger: Unser wichtigstes Ziel für das Performance-Management ist tatsächlich, dem Mitarbeiter ein regelmäßiges und strukturiertes Feedback auf seine Leistung und seine Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Ein weiteres Kernziel ist die Qualifizierung. Die Jobprofile bei Continental verändern sich immer schneller, so dass wir unsere Mitarbeiter regelmäßig schulen müssen. Das Performance-Management fördert für uns den konkreten Bedarf an Weiterqualifizierung zutage. Das Thema Nachfolgeplanung hat für uns ebenfalls einen hohen Stellenwert, da wir rasch wachsen und sehr dynamisch sind. Die meisten Mitarbeiter wechseln alle drei bis fünf Jahre ihre Funktion innerhalb des Unternehmens. Für viele Vakanzen benötigen wir einen monatelangen Vorlauf, so dass wir möglichst frühzeitig mit der Neubesetzung beginnen sollten. Parallel dazu betreiben wir eine strukturierte Personalentwicklung, über die wir Nachwuchsführungskräfte und Experten an neue Aufgaben heranführen. Diese Pipeline wollen wir immer gut füllen, um bei Bedarf Positionen und Kandidaten matchen zu können. Das gilt insbesondere für die Funktionen, die wir als erfolgskritisch für das Unternehmen identifiziert haben.

Ist nur die unmittelbare Führungskraft für das Performance-Management eines Mitarbeiters zuständig?

Matthias Metzger
: Wir arbeiten bei Continental in einer Matrixorganisation. Dadurch können neben den organisatorischen Führungskräften auch die funktionalen Führungskräfte Eintragungen in das System vornehmen. Deshalb ist es sinnvoll, beide Führungskräfte in ein Mitarbeitergespräch einzubeziehen. Auf jeden Fall sollte sich die Führungskraft, die das Gespräch mit einem Mitarbeiter führt, vorab mit allen relevanten Kollegen austauschen, um ihrem Feedback eine breitere Basis zu geben. In Talentkonferenzen werden auf der jeweils nächsthöheren Ebene die Einschätzungen hinsichtlich Performance und Potenzial validiert und gegebenenfalls Ideen für die Entwicklungspläne der Mitarbeiter ergänzt.

Wie zufrieden sind die Mitarbeiter mit dem Performance-Management als Prozess?

Matthias Metzger: In der Mitarbeiterbefragung fragen wir zum einen die Zufriedenheit der Beschäftigten mit ihrer persönlichen Lage und zum anderen ihre Zufriedenheit mit der eigenen Weiterentwicklung ab. Außerdem führen wir noch eine Kundenzufriedenheitsbefragung bei den Führungskräften durch und erhalten so ein klares Feedback. Das nutzen wir dann auch, um den Prozess und das IT-System zu optimieren. Insgesamt sind die Rückmeldungen sehr vielseitig, was aufgrund der Heterogenität unseres Unternehmens auch keine Überraschung ist.

In jüngster Zeit diskutieren viele Unternehmen intern darüber, die variable Vergütung vom Performance-Management zu entkoppeln. Wie steht Continental zu diesem Thema?

Matthias Metzger: Es ist in jedem Fall sinnvoll, das Mitarbeitergespräch vom Vergütungsgespräch zu trennen. Der einzelne Mitarbeiter erfährt im Gespräch eine Gesamteinschätzung seiner Leistung durch den Vorgesetzten. Dabei passt es nicht, im selben Gespräch über eine Gehaltserhöhung zu diskutieren. Wir bei Continental trennen deshalb beide Themen voneinander. Wir führen jedoch auch nach wie vor als Teil des Jahresauftakt- und Jahresendgesprächs in vielen Hierarchieebenen einen Zielsetzungs- und Zielerreichungsprozess durch, der auch den individuellen Teil der variablen Vergütung bestimmt. Mir persönlich ist sehr wichtig, dass wir in Zukunft beim Performance-Management neben dem, was erreicht wurde, noch stärker auch das Wie bewerten.

Wie verknüpft Continental das Performance-Management mit dem übrigen HR-Ressort?

Matthias Metzger: Das Performance-Management ist an viele HR-Funktionen geknüpft. Neben der Nachfolgeplanung ist es vor allem an die Compensation & Benefits-Funktion gebunden. Auch die Organisationsentwicklung benötigt unsere Daten, denn darüber bewerten wir das Verhalten unserer Mitarbeiter. Künftig werden wir genauer auf die bereichsübergreifende Zusammenarbeit achten. Hier spielen weitere Unternehmensziele wie etwa Qualität hinein. Eine wichtige Erkenntnis bietet für uns das Performance-Management im Hinblick auf mehr Transparenz der Kompetenzen unserer Mitarbeiter weltweit. Über die Daten haben wir einen deutlich besseren Einblick in das Portfolio der einzelnen Mitarbeiter auf der ganzen Welt und können in der Personalplanung effektiver arbeiten. Gezielte Abfragung nach Mitarbeitern und Kompetenzprofilen können wir erst jetzt mit unserem neuen HR-Management-System durchführen.

Hilft das Performance-Management bei der Mitarbeiterbindung?

Matthias Metzger: Ja. Wir hätten ein Problem, wenn unsere Mitarbeiter auf LinkedIn bessere Profile als bei uns intern besäßen. Wir müssen deshalb intern wie Headhunter agieren, damit uns nicht die externen Vermittler die besten Leute abjagen. Hier vollzieht sich bei uns derzeit ein großer Kulturwandel, und wir gehen heute viel stärker intern auf Talentsuche und direkt auf unsere Mitarbeiter zu. Der Arbeitsmarkt ist vielerorts ein reiner Arbeitnehmermarkt geworden. Deshalb müssen wir schnell auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter eingehen und sie entsprechend fördern und weiterentwickeln.

Wie aufwendig ist das Performance-Management für die Führungskräfte?

Matthias Metzger: Der Aufwand für ein Mitarbeitergespräch beträgt circa zwei Stunden mit Vor- und Nachbereitung. Unterjährig ist der Aufwand für HR, aber auch für die Führungskräfte eher gering. Größer darf der Arbeitsaufwand aber auch nicht sein, sonst fühlen sich die Manager zu sehr mit dem Thema belastet. Der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall – für die Mitarbeiter und das Unternehmen.

Info

Das Interview erschien in der Studie „HR-Performance-Management 2020“ vom F.A.Z.-Fachverlag FRANKFURT BUSINESS MEDIA und Cornerstone OnDemand.