In unserer neuen Serie zu guter Führung geben wir regelmäßig Tipps für verschiedene Situationen im Alltag von Führungskräften. In der zweiten Folge wird Hilfe geboten, wenn man vor Präsentationen vor Vorgesetzten Angst hat.
Kennen Sie das?
„Wenn ich vor ‚höheren’ Führungskräften präsentieren soll, bekomme ich Angst. Ich fange an zu schwitzen, vermeide den Blickkontakt und reagiere flapsig. Was kann ich tun, um ruhiger zu werden?“
Das können Sie tun!
Bitte prüfen Sie, ob Ihre Sicht auf Ihre ‚höheren’ Führungskräfte der Realität entspricht. Identifizieren Sie sich mit dem „inneren Kritiker“. Und nutzen Sie dessen Ressourcen.
Prüfen Sie Ihre Perspektive
Aus Ihrer Sicht verkörpern die ‚höheren’ Führungskräfte eine Quelle der Gefahr – ob bewusst oder unbewusst, ob real oder fantasiert. Aus der obigen Schilderung der Situation lässt sich schließen, dass Sie in der Realität noch keine negative Kritik bei Präsentationen erlebt haben. Deshalb stellen Sie sich die Frage: Weswegen nehmen Sie Ihre höheren Führungskräfte als Quelle der Gefahr wahr?
Eine Erklärung dafür stammt aus der Psychologie: Wer sich bedroht fühlt, wehrt unbewusst alles ab, was sein Selbstbild gefährdet. Zu diesem Zweck kann die Psyche sich beispielsweise der Projektion bedienen: Eigene lästige Idealvorstellungen, Widersprüche oder vermeintliche Schwächen werden einem anderen Menschen zugeschrieben. Im Resultat ist es so, als ob jemand in den Spiegel schaut, ohne dabei zu erkennen, dass er nur sich selbst sieht.
In Ihrem Fall ist zu vermuten, dass die Spiegel, in die Sie schauen, Ihre höheren Führungskräfte sind. Und was Sie auf diesen Projektionsflächen entdecken, dürfte Ihr „innerer Kritiker“ sein. Diese psychische Struktur beinhaltet neben persönlichen Verboten und Geboten auch Idealvorstellungen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens von sich selbst entwickelt hat. Diese Ideale sind aus heutiger Sicht teils berechtigt, teils gnadenlos überzogen.
Wer von sich auf andere schiebt, erfährt jedoch einen wesentlichen Nachteil: Er verliert die Möglichkeit, auf die Quelle der Gefahr Einfluss zu nehmen. Deshalb wirkt dieser Teil in Gestalt Ihrer höheren Führungskräfte so bedrohlich, weil Sie befürchten, dieser Struktur schutzlos ausgeliefert zu sein. Das Resultat dieses Vorganges nehmen Sie als Angst wahr.
Identifizieren Sie sich mit dem „inneren Kritiker“
Um zu erkennen, mit welchen Gedanken Sie sich im Vorfeld einer Präsentation das Leben unnötig schwer machen, schreiben Sie am besten alle Antworten auf, die Ihnen zu folgender Frage einfallen:
Was glauben Sie, was Ihre Vorgesetzten von Ihrer Präsentation erwarten oder im Nachhinein bemängeln werden?
Wenn Sie alle spontanen Einfälle ungefiltert notiert haben, dann schreiben Sie dieselben Antworten noch einmal auf, aber diesmal mit dem Satzanfang „Ich erwarte von mir …“ oder „Ich kritisiere an meiner Präsentation …“ Denn diese Erwartungen und Kritikpunkte existieren tatsächlich nur in Ihrem eigenen Kopf – immer vorausgesetzt, diese wurden Ihnen noch nicht während einer realen Präsentation vorgeworfen.
Mit dieser Methode machen Sie aus einem vermeintlich äußeren Konflikt zwischen sich und Ihren Führungskräften wieder das, was es tatsächlich ist: eine innere, psychische Eigendynamik. Die verbietende und zugleich fordernde Instanz ist nun wieder ein Teil Ihrer Person und nicht mehr etwas, das Sie in Ihren Vorgesetzten zu sehen meinen. Das bedeutet: Nicht Ihre Führungskräfte erwarten und kritisieren etwas, sondern Sie selbst setzen sich möglicherweise durch zu hohe Ansprüche und starre Regeln enorm unter Druck. Solange dieser Stress jedoch hausgemacht ist, können Sie durch die Korrektur Ihres Maßstabes jederzeit gegensteuern.
Nutzen Sie die Ressourcen Ihres „inneren Kritikers“
Haben denn die projizierten Fantasien auf andere Menschen überhaupt eine nützliche Funktion? Ja, die pauschale Selbstkritik – wie beispielsweise zu weitschweifig, zu unverständlich, zu revolutionär oder zu unvermögend – verfolgt die positive Absicht, vor Fehlern, Blamagen und Schädigungen des Selbstwertgefühls zu schützen. Wenn Sie also alles unternommen haben, um Ihren aktuellen Ansprüchen an eine Präsentation zu genügen, dürften Sie sich während Ihrer Darbietung relativ ruhig erleben – vor allem auch deshalb, weil Ihnen „nur“ Menschen gegenübersitzen, keine Bösewichte.
+++ Dieser Beitrag ist der 2. Teil unser neuen Serie „Tipps für gute Führung“. Alle 14 Tage gibt es eine neue Folge.+++