Die Deutsche Bahn braucht in den kommenden Jahren rund 100.000 neue Mitarbeiter. Damit das gelingt, hat das Unternehmen die Ideen von 800 Mitarbeitern aus dem HR-Ressort zusammengebracht und das traditionelle Recruiting digital aufgestellt. In der Covid-19-Krise hat sich dieser Ansatz bereits bewährt: Im August hatte das Unternehmen neue 22.000 Stellenzusagen. Dabei versucht die Deutsche Bahn, sowohl Nähe zu den Kandidaten herzustellen – vom Schüler bis zur Führungskraft – als auch dicht an den Geschäftsfeldern zu sein und herauszufiltern, welchen Bedarf diese haben. „Bei über 500 Berufsbildern, die wir im Konzern haben, geht es um eine breite Aufstellung, aber auch um die Transformation, in der sich die Bahn befindet. Dafür braucht es neben der Befähigung der bestehenden Mitarbeiter auch eine Verstärkung durch externe Mitarbeiter“, erklärte Torsten F. Haupt.
Nicole Schalke sieht eine ähnliche Entwicklung hin zum digitalen Recruiting: „Wir waren im klassischen Recruiting unterwegs. Das ging von heute auf morgen nicht mehr, und wir haben auf Videorecruiting umgestellt.“ Durch Outsourcing beim Recruiting habe die Deutsche Bank mehr Flexibilität erlangt. Schalke sieht im Recruiting einen starken Fokus auf IT-Fachkräften. Die Bank suche aber auch andere Fachkräfte sowohl im Banking als auch in Infrastrukturbereichen, zum Beispiel im Risikomanagement.
Thomas Leibfried sieht, dass der Schwerpunkt vieler Unternehmen im Recruiting derzeit auf Digitalisierungs- und IT-Fachkräften liegt. Dabei gehe es nicht nur um IT-Experten, sondern auch um Experten rund um das Engineering, in der Automobilbranche etwa rund um autonomes Fahren und individuelle Mobilität. „Das ist am Markt ein großes Thema., der Bedarf an Fachkräften ist in diesen Bereichen enorm hoch.“
Haupt erwartet, dass das Recruiting nach der Pandemie eine Mischung aus digitalem und persönlichem Kennenlernen sein wird. Der direkte menschliche Kontakt bleibe auch in der digitalisierten Arbeitswelt wichtig: „Es muss immer noch menscheln. Der persönliche Kontakt ist wichtig, um die Entscheidung über eine Neueinstellung abzurunden“, so Haupt. Leibfried ergänzt: „Die menschliche Komponente hineinzubringen ist eine Herausforderung der Zukunft.“ Er freue sich aber auch, dass das Erfordernis, virtuelle Gespräche zu führen, einen Push in punkto Entscheidungsfreude gegeben habe. Wenn die Digitalisierung helfe, den Recruitingprozess zu verkürzen, hätten Unternehmen viel gewonnen.
Auch Schalke misst der persönlichen Interaktion eine große Bedeutung bei. „Wenn wir das erste Interview digital führen, schätzen das die Kandidaten, da sie sich nicht einen halben Tag für die An- und Abreise frei nehmen müssen.“ Sie erlebe aber auch, dass die Kandidaten sich persönlich treffen möchten, bevor es zur Entscheidung kommt. Auch für den Arbeitsalltag sei es wichtig, zu interagieren, virtuelle Zusammenarbeit habe Grenzen. „Wenn ein Juniortalent nur zu Hause arbeitet und das Recruiting erlernen möchte, braucht es Interaktion.“
Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.