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Recruiting: Versicherung zahlt Prämien an Bewerber

Neue Talente versucht derzeit die Deutsche Familienversicherung zu generieren. Dazu greift sie nicht auf herkömmliche Wege zurück, sondern hat eine außergewöhnliche Recruitingkampagne angestoßen. Sie verspricht Bewerberinnen und Bewerbern eine Prämie in Höhe von bis zu 6.500 Euro: 500 Euro erhalten sie, wenn sie an einem Bewerbungsgespräch teilnehmen, weitere 1.000 Euro, wenn die Kandidaten an einem Assessment-Center teilnehmen, 5.000 Euro winken, sofern ein neu eingestellter Mitarbeiter nach der Probezeit in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis übernommen wird. Dr. Stefan M. Knoll, Personalvorstand, CEO und Gründer der Deutschen Familienversicherung, erzählt im Interview, wieso das Unternehmen die Kampagne gestartet hat. Zudem spricht er über Vor- und Nachteile.

Herr Dr. Knoll: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Kandidatinnen und Kandidaten mit Prämien zu locken?

Stefan M. Knoll: Ich war unzufrieden mit den Leistungen von Personalberatern, die nicht die gewünschten Dienstleistungen erbracht und keine brauchbaren Kandidaten vorgeschlagen haben. Bisherige Recruitingversuche über die herkömmlichen Kanäle – wie eben über Personaldienstleister – haben einfach nicht den gewünschten Erfolg gebracht und waren verhältnismäßig zu teuer

Geht es dabei nur darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, oder steckt noch mehr dahinter?

Stefan M. Knoll: Unser Primärziel ist, Leute anzusprechen und auf uns aufmerksam zu machen, damit sie sich bewerben. Gleichzeitig machen wir das Unternehmen bekannter. Marketing und Recruiting werden so miteinander verbunden.

Funktioniert es denn auch?

Ja. Im vergangenen Jahr haben wir die Kampagne zum ersten Mal gestartet – mit Erfolg. 45 Personen haben wir  eingestellt und nach der Probezeit 38 davon übernommen. Sie sind bis heute im Unternehmen. Insgesamt gingen über 4.500 Bewerbungen bei uns ein.

Wir merken den Erfolg aber nicht nur an den Bewerberzahlen, auch an den Vertragsabschlüssen und unserem Wachstum. Vergleichen wir die Vertragsabschlüsse in den jeweils ersten Quartale der Jahre 2020 und 2021, sind wir um 25 Prozent gewachsen. Unser Werbekonzept scheint also zu funktionieren.

Ist das Konzept erfolgreich?

Stefan M. Knoll: Ja. Im vergangenen Jahr (2020) haben wir die Kampagne zum ersten Mal gestartet – mit Erfolg. Wir haben 35 Personen eingestellt und nach der Probezeit übernommen. Insgesamt gingen über 4.000 Bewerbungen bei uns ein. 

Wie haben Sie die Kampagne beworben?

Stefan M. Knoll: Hauptsächlich analog über Out-of-Home-Kampagnen, also Citylights (meist durch Glas geschützte beleuchtete Werbetafeln) und im Internet via Youtube, Linkedin und Stepstone. In einer hybriden Welt müssen wir hybrid kommunizieren. Und über Citylights erreicht man alle Gesellschaftsschichten auf der Straße, an Bushaltestellen und so weiter. Das ist auch ein bewährter Weg um unsere Versicherung bekannter zu machen.

In welchem Verhältnis stehen Kosten und Nutzen?

Stefan M. Knoll: So direkt kann ich das gar nicht sagen. Im Versicherungsgeschäft lassen sich Kosten nicht immer klar auseinanderrechnen. In diesem Fall verschmelzen Personal- und Marketingkosten. Für uns ist die Prämienaktion und ihre Bewerbung günstiger, als wenn wir Personalberater engagieren würden. Es ist günstiger als jede alternative Personalbeschaffung, und gleichzeitig gehört sie zu unserem Werbekonzept.

Laufen Sie bei Prämien so früh im Bewerbungsprozess nicht Gefahr, dass sich viele Leute nur bewerben, um diese Prämien abzugreifen und nie vorhaben, wirklich zu kommen?

Stefan M. Knoll: Man darf die Prämie nicht zu hoch hängen. Es geht darum, Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Personen, die wirklich Interesse daran haben, langfristig bei uns zu arbeiten, blieben auch bleiben, wenn wir keine Prämie anbieten würden. Und genau die Personen filtern wir im Bewerbungsprozess heraus.

Man merkt schnell, ob jemand nur eine Prämie abstauben möchte. Zum Beispiel daran, wenn Bewerbungen schlecht gemacht sind, oder an der Art und Weise des Auftretens in den Bewerbungsgesprächen.

 

Rutschen denn trotzdem „unerwünschte“ Kandidaten durch?

Stefan M. Knoll: Ja, aber es sind nur wenige. Aktuell haben wir bei einer Person einen Verdacht, dass sie sich nur wegen der Prämie beworben und bei uns angefangen hat. Das ist ärgerlich, aber letzten Endes schadet es der einen Person mehr als uns. Wenn die Person keine langfristige Beschäftigung braucht, dann ist das ihre Entscheidung. Von der Prämie allein kann keiner lange leben.

Tim Stakenborg verantwortet die Heftplanung des Magazins Personalwirtschaft. Zudem betreut er das Thema Aus- und Weiterbildung (inklusive MBA und E-Learning) und beschäftigt sich mit dem Bereich Employee Experience und Retention.