Frage an die HR-Werkstatt: „Wie etablieren wir in Anbetracht der dynamischen Arbeitswelt ein modernes Karrieremanagement?“
Es antwortet: Heike Ballhausen, Leiterin des Geschäftsfelds „Talent Management und Organisationsentwicklung“ bei Willis Towers Watson.
Schritt 1: Erfinden Sie Karriere neu
Einfach erklärt ist Karriere die Abfolge von Stellen oder Positionen, die Mitarbeiter in Unternehmen einnehmen. Wenn Mitarbeiter an Karriere denken, haben sie jedoch üblicherweise den „Weg nach oben“ vor Augen. Dieses Bild passt aus zwei Gründen nicht in die moderne Arbeitswelt: Zum einen wird es mit zunehmend team-zentrierten Arbeitsformen schwieriger zu definieren, wo im Unternehmen „oben“ und „unten“ ist. Auch dort, wo es hierarchisch ein klares „oben“ gibt, ist dies nicht mehr zwangsläufig mit einem attraktiveren Vergütungspaket versehen. Denn dieses ist zunehmend an Kompetenzen von Mitarbeitern geknüpft und weniger an die hierarchische Stellung. Zum anderen erfordern längere Lebensarbeitszeiten und wechselnde Prioritäten in der individuellen Lebensplanung auch flexiblere Karrierewege.
Beginnen Sie die Neuerfindung von Karriere. Dazu definieren Sie zunächst, welche Anforderungen das Unternehmen an die Mitarbeiter stellt. Verzichten Sie auf klassische, unflexible Stellenbeschreibungen. Entwickeln Sie vielmehr eine Architektur aus Aufgaben und Fähigkeiten, die sie nutzen können, um aktuelle und wechselnde Rollen von Mitarbeitern zu beschreiben. Um insbesondere auch Fach- und Projektkarrieren im Unternehmen attraktiv zu gestalten, sollten Sie erfolgskritische Kompetenzen und Skills identifizieren. Berücksichtigen Sie dabei auch zukünftig benötigte Skills. Dabei können Sie auf Studien zurückgreifen oder das im Unternehmen vorhandene Know-how systematisch erheben.
Ihr Mitarbeiter kann dann im Unternehmen wachsen, also „Karriere machen“, wenn er diese erfolgskritischen Kompetenzen und Skills in zunehmendem Maße erwirbt und erfolgreich einsetzt. Für dieses Wachstum erwartet der Mitarbeiter dann auch die passende Gegenleistung.
Schritt 2: Gestalten Sie einen attraktiven Deal
Einen „Deal“ gestalten – das bedeutet, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern ein attraktives Angebot unterbreiten, als Gegenleistung für die Anforderungen des Unternehmens an Kompetenzzuwachs und -einsatz.
Da Ihre Mittel begrenzt sind, sollten Sie zunächst herausfinden, was Ihre Mitarbeiter dazu bewegt, im Unternehmen zu bleiben und engagiert ihre Ziele verfolgen. Dabei können Sie auf vorhandene Studien zurückgreifen, aber auch Mitarbeiter direkt befragen, wobei letzteres zwar aufwändiger, aber in der Regel zielführender ist. Wichtig ist es für die Gestaltung des Angebots, nicht nur monetäre Aspekte zu berücksichtigen. Das Gesamtpaket aus Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns, Attraktivität der Aufgabe, Arbeitsumfeld und Führungskultur sowie Vergütung und Benefits entscheidet, ob sie Mitarbeiter gewinnen und halten können. Dabei ist die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns – das „Warum“ der Arbeit – insbesondere für die aktuell nachwachsende Generation von besonderer Bedeutung. Für 84 Prozent der Millenials ist der Sinn der Arbeit wichtiger als professionelle Anerkennung. Hier könnte es sich für Sie lohnen, in ein passendes Employer Branding zu investieren, welches den Zweck des Unternehmens als Ganzes in den Vordergrund stellt und die Möglichkeiten des Einzelnen, dazu beizutragen. Aber auch das Benefitspaket ihres Unternehmens steigert Ihre Attraktivität als Arbeitgeber. Benefits wirken am besten auf die Mitarbeiterbindung, wenn sie als bedarfsgerecht empfunden werden, wie der Willis Towers Watson Global Benefits Attitude Survey zeigt. Können Mitarbeiter ihre Benefits aus einem flexiblen Angebot frei wählen, so empfinden 55 Prozent das Angebot als bedarfsgerecht. Andernfalls sind es nur 29 Prozent. Viele Unternehmen scheuen jedoch den damit verbundenen Administrationsaufwand, obwohl es digitale Plattformen gibt (wie etwa „Benefits Market Place“), über welche Mitarbeiter ihre Benefits so unkompliziert wie beim Online Shopping auswählen können, bei gleichzeitig schlanker und effizienter Handhabung für den Arbeitgeber.
Schritt 3: Gestalten Sie die Prozesse, mit denen Sie Karrieren aktiv managen können
Wenn das Gerüst steht – Karrierebild und Deal – brauchen Sie Prozesse, um Mitarbeiter durch die Karrierelandschaft zu bewegen. Beginnen Sie damit, die Talente zu identifizieren, die im Unternehmen gehalten werden müssen. Dabei sind nicht nur aktuell vorhandenen Skills und Kompetenzen relevant. Insbesondere müssen Sie auch erkennen, inwieweit Potential vorhanden ist, neue Herausforderungen zu meistern und weitere Kompetenzen und Skills zu erwerben. Sie können diagnostische Verfahren (etwa Wave von Saville) nutzen, um Potentiale zu erkennen. Aber auch schon die Nutzung von Potentialindikatoren kann Ihnen helfen, das Potential von Mitarbeiter einzuschätzen.
In einem weiteren Schritt müssen Sie Talente und Jobs zusammenbringen. Die Aufgaben-Kompetenz-Architektur hilft Ihnen zu verstehen, was die konkreten Anforderungen in einem (neuen) Job sind. Diese können Sie abgleichen mit Erfahrungen und Kompetenzen identifizierter Talente, um die jeweils beste Besetzung für eine neue Aufgabe zu finden.
Zur Erfüllung des Deals müssen Sie wissen, inwieweit Mitarbeiter ihren Teil des Deals erfüllen. Für ein erfolgreiches Karrieremanagement ist es daher unabdingbar, dass Sie kontinuierliche Feedbackprozesse einführen, idealerweise Software-gestützt. Feedback ist dann erfolgreich, wenn es dazu genutzt wird, Lerninhalte festzustellen, Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen, mögliche nächste Schritte zu planen und Konsequenzen für den Deal zu diskutieren – zusammengefasst: die Employee Experience positiv zu gestalten.
Fazit: Modernes Karrieremanagement ist ein entscheidender Faktor, um Talente mit erfolgskritischen Kompetenzen und Skills für das Unternehmen zu gewinnen und im Unternehmen zu halten. Ihr Karrieremanagement sollte gekennzeichnet sein durch ein modernes, kompetenzorientiertes Bild von Karriere, eine hohe Transparenz darüber, was dem Mitarbeiter für welche Aufgaben geboten wird (ein attraktiver Deal), sowie Prozesse, die Mitarbeitern im kontinuierlichen Austausch ermöglichen, ihre Karriere aktiv zu gestalten.
Autor
Heike Ballhausen leitet das Geschäftsfeld „Talent Management und Organisationsentwicklung“ bei Willis Towers Watson. Während ihrer mehr als zwanzigjährigen Beratungstätigkeit hat sie Unternehmen bei der Konzeption und Umsetzung von Talent-Management-Systemen unterstützt und zahlreiche Transformationsprojekte begleitet.
www.willistowerswatson.com
Kontakt: heike.ballhausen@willistowerswatson.com