Ein Blick in die Realität der meisten Betriebe zeigt, dass der Einsatz moderner Tools wie ChatGPT in der Ausbildung noch sehr weit weg zu sein scheint. Die meisten Unternehmen befassen sich nicht mal mit den Chancen, die KI im Learning und in der Ausbildung eröffnen kann – und laufen damit Gefahr, Innovationen zu verschlafen. Doch es gibt auch einzelne Vorreiter, die versuchen, ihre betriebliche Ausbildung weiterzuentwickeln und zukunftsfähig zu gestalten.
Ihr Fokus liegt dabei oft auf der sogenannten generative AI ChatGPT, die in den letzten Monaten für Aufsehen gesorgt hat. Sie funktioniert im Vergleich zu spezifischeren KI-Anwendungen gut, schnell und ist disziplinübergreifend einfach einsetzbar. ChatGPT ist ein KI-Chatbot, der auf Fragen einfache, kurze Antworten sowie ausführlichere Referate, Aufsätze und Abläufe liefern kann.
Chatbots als Unterstützung in der Ausbildung
Chatbots können in der dualen Berufsausbildung auf verschiedene Weisen eingesetzt werden, um Lernenden und Ausbildende zu unterstützen. Insbesondere deklaratives Wissen (Theoriewissen, Fakten und Daten) und prozedurales Wissen (Abläufe und Prozedere) können von einem KI-Chatbot wie ChatGPT dargestellt und vermittelt werden. Und das zeit- und ortsunabhängig. Auch kann die KI Inhalte in unterschiedliche Sprachen übersetzen. Weitere mögliche Anwendungsbereiche sind:
- Informationsbereitstellung: Ein Chatbot kann als interaktive Wissensdatenbank dienen und Auszubildenden Informationen über verschiedene Aspekte ihrer Ausbildung bereitstellen, wie beispielsweise Lehrpläne, Arbeitsanweisungen, Richtlinien, Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Erläuterungen zu Fachbegriffen und allgemeingültigen Abläufen. Lernende können den Chatbot nach spezifischen Inhalten – ähnlich wie ein interaktives Lexikon – fragen und sofortige Antworten erhalten. Zum Beispiel danach, was ein Elektroniker für Betriebstechnik im 2. Lehrjahr können muss.
- Lernunterstützung: Chatbots können außerdem bei der Wiederholung und Vertiefung von Lerninhalten helfen. Lernende können Fragen zu bestimmten Themen stellen, und der Chatbot kann ihnen erklärende Antworten und Beispiele liefern.
- Beratung und Mentoring: Ein Chatbot kann als virtueller Berater oder Mentor fungieren und den Lernenden bei Fragen zur Karriereentwicklung, Weiterbildungsmöglichkeiten oder bei der Bewältigung von Herausforderungen während der Ausbildung unterstützen. Er kann Ratschläge geben, Informationen über Karrierewege liefern oder bei der Lösung von Problemen helfen.
- Prüfungsvorbereitung: Lernenden kann ein Chatbot bei der Vorbereitung auf Prüfungen helfen, indem er Übungsaufgaben stellt, Prüfungsstrategien vermittelt oder Tipps zur effektiven Prüfungsvorbereitung gibt. Er kann auch Feedback zu den gegebenen Antworten geben und auf individuelle Stärken und Schwächen hinweisen. Interessant ist hier, dass sich ChatGPT auf den Wissenstand des Lernenden einstellen kann und auf diese Weise Fragen stellen kann, die angemessen sind, wie dieses Beispiel zeigt: „Generiere Prüfungsaufgaben für die Abschlussprüfung Industriekaufmann“ – Auszug der Antwort von ChatGPT: „Erläutern Sie den Begriff des Cashflows und erklären Sie die Bedeutung für das Finanzmanagement eines Unternehmens.“
- Einbindung in LMS: ChatGPT ist browserbasiert und kann daher nahtlos in bestehende Lernmanagementsysteme eingefügt werden und diese damit erweitern.
- Gamification und Interaktivität: ChatGPT kann auch interaktive Lernaktivitäten anbieten, die das Verständnis und die Fähigkeiten der Lernenden fördern. Dazu gehören:
- Quiz und Fragen: ChatGPT kann den Lernenden Fragen stellen, um ihr Wissen und Verständnis zu überprüfen. Die Lernenden können ihre Antworten eingeben und sofortiges Feedback von ChatGPT erhalten. Dies kann dazu beitragen, Lücken im Wissen aufzudecken und das Verständnis zu vertiefen.
- Problemlösungsszenarien: ChatGPT kann Szenarien präsentieren, in denen die Lernenden praktische Probleme oder Herausforderungen bewältigen müssen. Sie können mit ChatGPT interagieren, um Lösungen zu diskutieren und Feedback zu erhalten. Diese Art von Aktivität fördert kritisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten.
- Simulationen: ChatGPT kann interaktive Simulationen bieten, um bestimmte Arbeitsumgebungen oder Abläufe nachzubilden. Die Lernenden können verschiedene Entscheidungen treffen und die Auswirkungen in Echtzeit beobachten. Dadurch können sie praktische Erfahrungen sammeln und ihr Verständnis vertiefen.
- Virtuelle Praktika: ChatGPT kann Lernenden die Möglichkeit bieten, virtuelle Praktika zu absolvieren. Sie können Szenarien oder Aufgaben präsentieren, die typisch für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Branche sind. Die Lernenden können mit ChatGPT interagieren, um Anleitungen zu erhalten und ihre Fähigkeiten in einem sicheren Umfeld zu üben.
KI arbeitet noch nicht fehlerfrei
ChatGPT eignet sich damit als Ergänzung von bestehenden Lernformaten in der Ausbildung, die den Vorteil hat auf individuelle Fragen und Herausforderungen von Auszubildenden eingehen zu können. Jedoch sollten auch von ChatGPT überprüfe Ergebnisse noch mal von einer qualifizierten Person überprüft werden, da die KI noch nicht ganz fehlerfrei arbeitet.
Trotzdem eignet sich die Anwendung bereits schon jetzt als Inspirationsquelle beispielsweise für Inhalte von Stellenanzeigen oder Lernfragen für Ausbildende, um Inhalte aufzubereiten und damit den Lernprozess zu verbessern. Die Rolle der Ausbildenden verändert sich dadurch, denn ganze Teile der Ausbildung werden von Ihnen nicht mehr selbst vermittelt, sondern der Chatbot vermittelt die und unterstützt bei individuellen Fragen – egal wann und wo. Ausbildende gewinnen dadurch mehr Zeit für andere Tätigkeiten.
Fazit
Ausbilder und Ausbilderinnen müssen sich im Sinne in eigenen technologischen Kompetenzentwicklung mit ChatGPT beschäftigen und die Einsatzmöglichkeiten für ihre Berufsbilder und auch Lernformate individuell überprüfen. Sie gewinnen damit eine Erleichterung für die Aufbereitung von theoretischen und prozeduralen Inhalten, erhalten Inspiration Neues und Aktuelles hinzuzufügen, Inhalte anders aufzubereiten und sparen damit auch Zeit, die sie für die Betreuung und Fragen von Auszubildenden verwenden können. Es erfordert jedoch auch eine Einarbeitung in die Thematik und die Bereitschaft die Rolle des Ausbildenden zu verändern.
Auch müssen neue Inhalte im ersten Schritt zunächst stark überprüft werden. Eine KI ist immer nur so gut, wie die Daten, mit der sie gefüttert wurde. Spezifisches Fachwissen kann daher auch fehlerhaft sein. Dies bedarf anfänglich einen Mehraufwand.
Info
Claudia Schmitz ist Unternehmerin, Beraterin, Autorin und Speakerin. Für die Personalwirtschaft kommentiert sie jeden Monat Entwicklungen und Verbesserungsbedarfe bei der dualen Berufsausbildung. Ihre Kolumne finden Sie hier.