Die Krise hat gezeigt: Unternehmen müssen in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen investieren, nicht nur, was deren digitale Kompetenzen betrifft. Auch in anderen Bereichen besteht Bedarf an Fortbildung. Die Unternehmen setzen dabei unterschiedliche Schwerpunkte, wie eine Podiumsdiskussion mit zwei Vertretern und einer Vertreterin aus Wirtschaft und öffentlichem Dienst zeigte. Dabei sehen sich alle vor der Herausforderung, dass sich Unternehmen, ihre Bereiche, aber auch die Erwartungen und Wünsche der Mitarbeiter stetig wandeln.
Marion Rövekamp, Vorständin Personal und Recht beim Oldenburger Energieversorger EWE AG, sieht eine Hauptaufgabe von Unternehmen darin, Mitarbeitende in einer sich verändernden Welt für neue Herausforderungen zu qualifizieren: „Es geht darum, die Skills von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu erweitern und sie für neue Tätigkeiten in anderen Bereichen zu qualifizieren.“ Rövekamp setzt dabei auf die „Strahlkraft von Leuchttürmen“. Damit meint sie, dass einzelne Personen im Unternehmen Vorreiter und Vorbilder beim Wechsel in neue Unternehmens- oder Aufgabenbereiche sein können. Durch ihren Wechsel könnten sie andere ermutigen, sich ebenfalls im eigenen Unternehmen beruflich zu verändern.
Dr. Armin Rolfink, Direktionspräsident bei der Generalzolldirektion, sieht bei rund 44.000 Beschäftigten in der Zollverwaltung die größte Herausforderung durch die sich digital verändernde Arbeitswelt. Zum einen werden dadurch neue Aufgaben auf die Kolleginnen und Kollegen zukommen, zum anderen wird der demografische Wandel dazu führen, dass in den kommenden Jahren viele Beschäftigte mit Expertenwissen in den Ruhestand gehen. Hinzu kommt, dass sich aus seiner Sicht auch die Anforderungen der Verwaltung, aber auch die Erwartungen der Beschäftigten in Bezug auf Weiterbildung verändert haben: „Wir müssen wissen, welche Erwartungen die Beschäftigten haben und das bei einer Neuausrichtung der Weiterbildung berücksichtigen“, meint er und fügt an: „Daraus werden Formate der Zukunft entstehen.“ In einer digitalisierten Arbeitswelt erwartet er eine Entwicklung zur verstärkten Lern- sowie Selbstorganisation.
Neue Themen sowie neue Methoden bei der Weiterbildung sieht auch Jannis Tsalikis, HR Director bei Lautsprecher Teufel, einem Entwickler und Direktversender von Audioprodukten, als große Herausforderungen an. Diesen könnte mit neuen technischen Möglichkeiten Rechnung getragen werden. „Unternehmen sind in stetiger Transformation durch die Digitalisierung und sich verändernde Märkte, die Pandemie wirkt dabei wie ein Verstärker“, stellt er fest. Er sieht aber auch Herausforderungen bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie bei HR selbst: „Veränderung braucht Veränderungsbereitschaft und Kompetenzen: Das People-Development-Angebot muss sich den neuen Bedarfen anpassen und die Mitarbeitenden bei ihren Herausforderungen unterstützen.“
Alle Mitarbeiter müssen lebenslang lernen
Die Herausforderungen sind nach Ansicht der Referenten und Referentin für alle Unternehmen – unabhängig von der Branche – ähnlich. „Es gibt zwar inhaltliche Unterschiede, und auch die Möglichkeiten zur Wissensvermittlung sind deutlich vielfältiger geworden. Aber die Notwendigkeit zur lebenslangen Lernbereitschaft besteht überall gleich“, bestätigt Rövekamp. In ihrem Unternehmen laufen zurzeit alle Weiterbildungen virtuell ab. Zusätzlich habe das Unternehmen eine „Lernbar“, das heißt eine Akademie vor Ort. „Für die Zukunft werden wir Formate entwerfen, bei denen wir die Menschen wieder zusammenbringen, wir werden aber auch hybride Formate anbieten.“
Tsalikis steuert als Personalleiter unter anderem die Weiterbildung in seinem Unternehmen mit über 350 Mitarbeitern, zum Beispiel über ein Führungskräftecurriculum, über das das Unternehmen immer wieder neue Themen anbietet. „Das ist ein bedarfsgesteuerter Prozess: Wir sind mit den Führungskräften in direktem Austausch und können so auch kurzfristig auf Bedarfe, die sie beobachten, eingehen.“
Die Generalzolldirektion setzt vor allem darauf, ihre Beschäftigten im gesamten Arbeitsleben stetig in einem Lernprozess zu begleiten. „Wir haben eine eigene Hochschule mit zwei Studiengängen für die Ausbildung sowie ein Bildungs- und Wissenschaftszentrum für die Fort- und Weiterbildung mit rund 800 verschiedenen Veranstaltungstypen, deren Inhalte sich sehr flexibel und bedarfsorientiert an die sich ständig verändernden Anforderungen der Zollverwaltung ausrichten.“ Alle Beschäftigten der Zollverwaltung müssten lebenslang lernen, um die Einnahmen des Staates zu sichern und die Sicherung der Sozialsysteme und der Wirtschaft gewährleisten zu können. „Das beflügelt uns, uns ständig fortzubilden und weiterzuentwickeln“, so Rolfink.
Laut Rövekamp befinden sich ohnehin alle im Unternehmen permanent auf einer digitalen Lernreise: „Wenn wir wollen, dass sich unser Unternehmen digital weiterentwickelt, müssen wir das erst einmal selbst verstehen. Dabei stellen wir fest, dass auch wir als Vorstand noch einiges lernen dürfen.“ Damit sieht sie sich klar in der Rolle als Vorbild für die Mitarbeitenden. „Durch unsere Vorbildfunktion, und wenn wir ehrlich und authentisch sagen, was wir selbst noch lernen können, bewegen wir auch die Belegschaft.“
Begeisterung und Zufriedenheit: Schlüssel fürs Lernen
Begeisterung ist dabei ein wichtiger Schlüssel fürs Lernen. So entstehen bei Lautsprecher Teufel Lerneffekte auch aus der Gemeinschaft heraus, aus der Begeisterung der Belegschaft für die Produkte und die Entwicklungen, und dem Miteinander: „Die Mitarbeitenden helfen sich gegenseitig und tauschen kurzfristig Best Practices aus. So ist Lernen auch keine Schulbank“, erläutert Tsalikis.
Auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden beeinflusst ihre Bereitschaft zu lernen. „Bei uns ist die Vielfalt der Berufsbilder sehr groß. Wenn Mitarbeitende etwas Neues lernen möchten, können sie das bei uns. Auch daraus ziehen sie ihre Motivation.“ Zu beachten ist jedoch, dass eine neue digitale und hybride Arbeitswelt auch neue Lernformate braucht, für die begeistert werden muss. „Zum Beispiel passt E-Learning nicht für alle“, stellt Tsalikis fest. Daher sollten Unternehmen diverse Formate anbieten und die Menschen da abholen, wo und wie sie lernen wollen. Auch kleinere Lerneinheiten könnten sinnvoll sein: „Klassische Lernangebote werden in Zukunft nicht mehr funktionieren, schnelle und kurze Lernhappen werden die Zukunft sein“, ist Rövekamp überzeugt.
Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das Portal Total Rewards sowie um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.