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Schüler mit schlechten Noten haben es immer noch schwer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Insgesamt hat sich die duale Ausbildung hierzulande jedoch von einem Angebots- zu einem Nachfragemarkt entwickelt, auf dem sich eher die Betriebe um Auszubildende bewerben müssen und nicht umgekehrt.
Mehr Chancen, weniger Verbindlichkeit
Heute schreibt fast jeder zweite Azubi-Bewerber (46,4 Prozent) weniger als sechs Bewerbungen, um eine Lehrstelle zu bekommen. 60,7 Prozent erhalten mehr als ein Ausbildungsplatzangebot. Die Verbindlichkeit der Bewerber wird dabei immer geringer: Fast jeder vierte eingeladene Bewerber (23 Prozent) erscheint gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch und jeder zehnte angehende Azubi tritt die Ausbildung nicht an, obwohl er einen Vertrag unterschrieben hat. Nach Ansicht der Studienautoren tragen die langen Bewerbungsfristen dazu bei, dass sich Bewerber anders entscheiden, denn 54,8 Prozent der Betriebe starten die Bewerbung um Lehrstellen neun Monate vor Ausbildungsbeginn oder noch früher. Unentschlossenheit steht gleich auf Platz vier der Merkmale, die die befragten Ausbildern der heutigen Bewerbergeneration zuschreiben. Vor allem beschreiben Unternehmen die Bewerber als selbstbewusst, anspruchsvoll und fordernd. Das sind Ergebnisse der Studie „Azubi-Recruiting Trends“ von > U-Form Testsysteme.
Die Untersuchung wurde von Prof. Dr. Christoph Beck, Hochschule Koblenz,
begleitet. Für die Studie, die bereits zum achten Mal durchgeführt
wurde, wurden dieses Jahr 2635 Azubi-Bewerber und Auszubildende, 903
Ausbildungsverantwortliche und 150 Eltern befragt.
Anforderungsprofile sollten hinterfragt werden
Die Studie bezweifelt, ob Bewerberkommunikation und Auswahlprozesse der Unternehmen angesichts des Nachfragemarkts noch angemessen sind. So erhalten zum Beispiel 45,4 Prozent der Azubi-Bewerber gar keine Rückmeldung auf ihre Bewerbung. Außerdem sind die Autoren der Meinung, dass Ausbildungsunternehmen ihre eigenen Anforderungsprofile nicht ganz ernst nehmen, weil Bewerber bei 61,4 Prozent der Betriebe nicht alle Anforderungen erfüllen müssen, um im Recruiting-Prozess berücksichtigt zu werden. Die Azubi-Anwärter selbst jedenfalls nehmen die in den Profilen beschriebenen Kriterien laut Studie genauer: 19,1 Prozent bewerben sich nur, wenn sie alle der vom Unternehmen beschriebenen Anforderungen erfüllen. 29,7 Prozent bewerben sich, wenn sie vier von fünf Anforderungen gerecht werden. Dadurch gingen etliche potenzielle Kandidaten verloren, so die Untersuchung, und zwar nicht die falschen Bewerber, sondern jene, die genauer hinschauten. Daher sollten die Betriebe prüfen, ob klassische Anforderungsprofile noch zeitgemäß seien und sich von Azubi-Wunschbildern wie dem „Fachinformatiker mit guten Deutschnoten“ verabschieden“, sagt Felicia Ullrich, Initiatorin der Studie und Geschäftsführerin von U-Form Testsysteme.
Betriebe können im persönlichen Kontakt überzeugen
Bei potenziellen Kandidaten können Ausbildungsbetriebe vor allem mit Gelegenheiten zum persönlichen Kontakt punkten. So finden 74,5 Prozent der Azubis Praktika wichtig oder sehr wichtig, bei Probearbeiten sind es 71,1 Prozent. Allerdings setzen nur 50,8 Prozent der Ausbildungsbetriebe Praktika sehr häufig oder häufig ein und lediglich 30,8 Prozent bieten Probearbeiten an. Eine gute Atmosphäre im Bewerbungsgespräch gibt für 53,8 Prozent der Azubis den entscheidenden Anstoß für die Wahl des Ausbildungsbetriebs. Online informieren sich die Azubis vor allem per Suchmaschine (59,4 Prozent nutzen sie häufig oder sehr häufig) über Unternehmen oder über die Karriere-Website der Firmen (54,8 Prozent). Über Social-Media-Kanäle wie Snapchat oder Youtube suchen 22,7 Prozent nach Infos über Ausbildungsbetriebe. Gefragt danach, wie wichtig ihnen ihr Smartphone in der Firma ist, antworteten 61,9 Prozent der Azubis und Azubi-Bewerber, es sei kein Argument für ein Unternehmen, wenn sie dort ihr privates Gerät während der Arbeit benutzen dürfen. Für 71,2 Prozent ist es auch kein Pluspunkt, wenn ihnen die Firma ein mobiles Endgerät spendiert.
Ansprüche der Eltern an Berufswahl der Kinder steigen
44,8 Prozent der befragten Azubis und Azubi-Bewerber stimmten der Aussage zu, dass ihren Eltern der eigene Beruf Spaß zu machen scheine. Allerdings fühlt sich nur maximal jeder zehnte Azubi von der Berufs- oder Arbeitgeberwahl der Mutter oder des Vaters inspiriert. Die befragten Eltern zeigten sich zum Großteil zwar generell zufrieden mit ihrer Arbeit, machen aber trotzdem Defizite im eigenen Berufsleben aus und wünschen sich für ihre Kinder etwas Besseres. Die Folge ist nach Ansicht der Studienautoren, dass die Ansprüche an die Berufswahl der Kinder steigen, aber auch die elterliche Unsicherheit beim Thema Ausbildung.
Im aktuellen Heft 6 der „Personalwirtschaft“ gibt es ausführlichere Informationen zum Thema Ausbildungsmarketing und über die Studienergebnisse.