Change-Bremsen. Lehmschicht. Oder auch: Lähmschicht. Zu abgehoben von der Basis, um zu wissen, was die Belegschaft wirklich denkt – und zu weit unterhalb der Unternehmensspitze, um echten Weit- und Überblick zu haben. Der Ort, an dem die genialen Ansätze von oben versickern, und auch die Ebene, die gute Initiativen der Basis abwürgt: Das mittlere Management ist meistens schuld. Sündenbock für die von oben und von unten.
Ich glaube, dass die Abteilungschefin, der Bereichsleiter, die Werkschefin und all die anderen Führungskräfte zwischen den Top-Strateginnen und -Strategen an der Spitze und den operativ (Aus-)Führenden viel mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung verdienen.
All die Strategiepapiere, die sich die C-Suite ausdenkt, muss wer nach unten verkaufen und umsetzen? Die Sandwich-Leaders. Und wer muss andererseits den Frust der Basis über die Realitätsferne vieler dieser Visionen auffangen und die unangenehmen Wahrheiten über die Umsetzbarkeit der Pläne nach oben kommunizieren? Sie ahnen es. „Mittleres Management“ – das klingt schon nach Durchschnitt, nicht gut genug für ganz oben.
„Das mittlere Management ist Sündenbock für oben und unten.“
Christian Thiele
Natürlich können CEOs per Video-Blog, Linkedin-Feed et cetera viel einfacher an die Basis senden als früher. Auch hat Covid in manchen Unternehmen den Impuls des Durchregierens von oben nach unten, vorbei am Mittelbau, gestärkt. Und es gibt Organisationen, die sich tatsächlich schlanker aufstellen könnten und sollten.
Hierarchien beflügeln die Innovation
Doch Studien zeigen, wie wichtig die Rolle der zweiten und dritten Führungsebene ist und bleibt: Die Qualität der Produktmanager in Gaming-Unternehmen entscheidet über 22 Prozent der Umsatz-Varianz, hat Ethan Mollick, Forscher an der renommierten Wharton-Business-School herausgefunden. Laut einer anderen Studie der Copenhagen Business School entwickeln Start-ups mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit neue Produkte und Dienstleistungen, wenn sie eine mittlere Führungsebene einziehen.
Remote-Arbeit macht gute Kommunikatoren wichtiger
Ich bin überzeugt, dass remoteres Arbeiten gute Kommunikatoren im Mittelmanagement noch wichtiger machen wird, auch für die Verbindungen zu Lieferanten, Kundschaft und anderen Stakeholdern. Die Gleichzeitigkeit und Unabsehbarkeit von Krisen – wie Corona, unterbrochene Lieferketten und Klimakapriolen – lassen Ausmaß und Tempo von Veränderungen anwachsen und erhöhen die Verantwortung von Führung, auch und gerade von Sandwich-Führenden. Auch für die Einführung von Robotern, Maschinenlernen et cetera dürfte bei knapperer Personaldecke gutes Mittelmanagement noch bedeutsamer werden.
Wie macht man es gut als Mittelmanagerin oder -manager? Nach unten treten und nach oben den Bückling machen bringt einem höchstens die nächste Beförderung ein. Populistisch über „die da oben“ mosern? Auch keine gute Idee – vielleicht ist man ja in ein paar Jahren selbst im Top-Management.
Sandwich-Leaders auf ihre Aufgaben vorbereiten
Mitarbeitenden getroffene Entscheidungen erklären und den Entscheiderinnen und Entscheidern die Gedanken der Belegschaft: Das ist eine der Kernaufgaben guter Arbeit im Mittelbau. Die informellen Kanäle pflegen, das Feedback von Kundschaft oder aus der Produktion nach oben tragen, und gleichzeitig die Belegschaft mit Augenmaß führen, Filter für Ideen und Meinungen sein und emotionale Beschwerden sachlich weiterreichen: Das macht den Mittelbau zu einer Brücke zwischen Spitze und Basis eines Unternehmens, wie die Financial Times schreibt. Das braucht Kommunikationsfähigkeit, konstruktive Selbstführung, einen guten Umgang mit Stress, Ungewissheit und Ambiguität. Unternehmen sollten ihre Sandwich-Leaders auf diese Aufgaben vorbereiten, sie darin mit Schulungen unterstützen, angemessen bezahlen – und wertschätzen. Dann bekommen sie das Mittelmanagement, das sie für die Zukunft brauchen. Und aus dem künftige Top-Leader hervorgehen.