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Werteorientierte Weiterbildung

Karrikatur, steigende Bilanz

Gemäß Vergleichstest der Zeitschrift Ökotest vom April 2019 zählt die GLS Bank mit ihren 600 Mitarbeitenden zu den drei konsequent an Nachhaltigkeitswerten ausgerichteten Instituten. Johannes Prahl ist Leiter der Mitarbeiterentwicklung, Henning Bernhof ist Sprecher des Vertrauenskreises, der die Mitarbeitenden vertritt.

Das Interview ist zuerst in unserem Schwestermagazin ›“Weiterbildung erschienen. Die vorliegende Version wurde behutsam angepasst.

Personalwirtschaft: Welche Werte fallen Ihnen spontan zu Ihrem Unternehmen ein?
Henning Bernhof:
„Das macht Sinn“ ist unser Claim. Wir arbeiten mit Unternehmen und Initiativen zusammen, die ausschließlich sozial-ökologische Projekte vorantreiben. Sie gehen täglich mit gutem Beispiel voran, leisten großartige Dinge – oft uneigennützig. Es sind über 25.000 nachhaltige Unternehmen, die ihrerseits Märkte prägen, beeinflussen oder sich an sie anpassen. Sie sorgen dafür, dass die Bedürfnisse der Menschen auf soziale und ökologische Weise befriedigt werden.

Johannes Prahl: Werte sind dann positiv, wenn sie ein nachhaltiges Leben für die Gesellschaft ermöglichen. Dann ergibt sich daraus auch ein sinnvolles Handeln. Wir haben Nachhaltigkeit definiert als menschlich, zukunftsweisend und ökonomisch. Erstens stehen die Bedürfnisse des Menschen im Mittelpunkt, zweitens sind bei der Befriedigung derselben die ökologischen Grundlagen zu bewahren, und wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, folgt drittens der Gewinn als Folge unserer Dienstleistung.

Henning Bernhof: Unsere Werte definieren ganz klar unsere Geschäftsfelder. Mit sozial-ökologischen Mehrwerten meinen wir Bio-Lebensmittel, erneuerbare Energien, bezahlbares Wohnen, gute Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie et cetera. Wir schließen auch Praktiken aus. Dadurch entsteht ein Wertekanon, an dem sich unsere Arbeit orientiert.

Wie sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeitenden diese Werte aktiv mittragen?
Johannes Prahl:
Zu uns passen Menschen, die intrinsisch motiviert sind, sich zu entwickeln. Im Recruiting suchen wir Menschen, die unsere Werte verstehen und teilen. Bei der Auswahl des Berufs gewinnen Werte an Gewicht, das beobachten wir überall in der Wirtschaft. So wie viele Unternehmen ihr Geschäftsmodell hinterfragen, wollen auch deren Mitarbeitenden einen Purpose bei ihrer Tätigkeit. Das Bild geht also weg von den „Humanressourcen“ und hin zu Menschen, die motiviert sind, wenn sie etwas Sinnvolles tun.

Henning Bernhof: Wenn sie bei uns arbeiten, haben sie einen persönlichen Wertekanon, den sie mit den Kernwerten der GLS Bank teilen. Sie müssen sich eben nicht verstellen. Das finden wir bei den Bewerberinnen und Bewerbern, die zu uns kommen.

Der Privatmensch muss also nicht abgeschaltet werden, sobald er das Büro betritt.

Welche Rolle spielt die Weiterbildung dann?
Johannes Prahl: Wenn neue Mitarbeitende bei uns anfangen, vermitteln wir ihnen das Wesentliche des Unternehmens in einer einwöchigen Lernwerkstatt. Dann sprechen wir über die Werte, die Wurzeln und die Ziele.

Henning Bernhof: Weiterbildungserfolg erfordert zweierlei: erstens eine persönliche Weiterentwicklung. Das kann man nur selbst. Dafür muss ein Unternehmen für sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Das heißt, dass die Mitarbeitenden aus unseren internen und externen Angeboten selbstständig auswählen, in Absprache mit ihrer Führungskraft.

Johannes Prahl: Zweitens muss Weiterbildung perspektivisch sein. Wenn ich nur Fortbildungen anbiete, weil ich gerade ein akutes Defizit feststelle, dann bin ich überhaupt nicht zukunftsfähig. Ich muss überlegen: Welche Aufgaben sind langfristig zu erfüllen? Welche Menschen brauche ich? Was brauchen die für Fähigkeiten?

Was sind denn Inhalte der Weiterbildung?
Johannes Prahl: Wir sind im positiven Sinne eine normale Geschäftsbank, die alle üblichen Services anbietet, zu marktüblichen Konditionen. Klassische Banking-Kompetenzen sind absolut wichtig. Bei uns bestimmt aber die Nachhaltigkeit das Geschäftsprinzip. Damit bekommt unsere Arbeit ein Grundverständnis von Politik, Gesellschaft und Leben hinzugefügt. Ich zitiere aus unserm Leitbild:

„Wir nehmen den Menschen in seiner Gesamtheit aus Körper, Seele und Geist ernst.“

Mit dieser werteorientierten, politischen Ausrichtung gehen wir über das klassische Banking hinaus.

Henning Bernhof: Viele Themen sind gar nicht so trennscharf, also nach konventionellem und sozialökologischem Banking differenzierbar. Zum Beispiel verfügen wir bei Baugruppen, freien Schulen oder Pflegeeinrichtungen fast alleinstellend über spezialisierte Fachleute. Da haben wir über Jahrzehnte Expertise durch Praxis aufgebaut. Das hat dann viel mit persönlichen Kontakten, Kongressen und Fachnetzwerken zu tun.

Wie wird werteorientierte Weiterbildung organisiert?
Johannes Prahl: Weiterbildung findet jeden Tag statt. Wer bin ich, was kann ich, was ist mein Beitrag für das Unternehmen und welche Unterstützung brauche ich dafür, welche Menschen geben mir ehrliches Feedback, welche einfachen, effektiven Formate stehen zur Verfügung (Feedbackgespräche, kollegiales Coaching et cetera). Die GLS Bank ist aus Überzeugung Teil der Genossenschaftsfamilie, deren Weiterbildungsmöglichkeiten wir auch nutzen und wo viele Werte gut zu uns passen. Etwa die regionale Verbundenheit, mit der der Wunsch einhergeht, meinen Kindern die Region gut zu hinterlassen.
Besonders bewusst werden die Werte in externen Seminaren, in denen unsere Mitarbeiter eine sozial-ökologische Haltung einnehmen.

Henning Bernhof: Da werden definitiv gewisse Geschäftspraktiken, die bei uns tabu sind, als klare Fähigkeit vermittelt. Zum Beispiel Cross-Selling, also der Verkauf von so vielen Produkten wie möglich. Dadurch wird eine Haltung vermittelt, die nicht zu uns passt. In der GLS Bank orientieren wir uns an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden und bezahlen auch deshalb explizit keine Provisionen oder Bonifikationen an unsere Mitarbeitenden.

Was heißt das für Weiterbildungsformate?
Johannes Prahl: Weiterbildung beschränken wir nicht auf Seminare, Workshops und Co.

Eine Organisation für Menschen – nicht Personal oder Humankapital – schafft täglich ein Klima für persönliche Weiterentwicklung.

Interessant wird es beim Thema Führung. Da braucht es Kompetenzen, die auch in klassischen Seminaren vermittelt werden. Aber das muss erweitert werden. Wir haben zum Beispiel ein Programm mit unserer Global Alliance for Banking on Values konzipiert. Die GABV Leadership Academy ist ein internationales, achtmonatiges Fortbildungsprogramm. In den Mittelpunkt stellt sie Führungskompetenz unter dem Scheinwerfer des werteorientierten Bankgeschäfts. Sie ermöglicht persönliche und kulturelle Erfahrungen sowie den Zugang zum GABV-Netzwerk. Bestandteil ist die Durchführung eines für die GLS Bank relevanten Projektes.

Henning Bernhof: Wir nutzen etwa das Format „Mitarbeitende vor Ort“, in dem Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit bekommen, bei unseren Kundinnen und Kunden mitarbeiten zu können, zum Beispiel für eine Woche auf einem Bio-Bauernhof. Das erzeugt Verständnis, Motivation und ist für viele eine geradezu erhellende Erfahrung. Wie arbeiten die Landwirtinnen und Landwirte, welches Menschenbild haben sie, wieso passt das zur GLS Bank? Dieser Perspektivwechsel ist sehr wertvoll und setzt viele Energien bei allen Mitarbeitenden frei.

Wie wird Weiterbildung denn konkret gesteuert?
Johannes Prahl: Es ist uns sehr wichtig, dass wir uns persönliche Situationen ansehen und so wenig wie möglich nach Schema F vorgehen. Warum möchte jemand einen bestimmten Schritt gehen? Warum möchte jemand etwas Bestimmtes lernen? Welches Format ist dafür geeignet? Wie kann eine Führungskraft da unterstützen? Dadurch verändert sich nämlich die Perspektive. Wir kommen weg von Defiziten, wo Menschen etwas fehlt, was sie sich aneignen müssen, und hin zur Frage: Wo willst Du hin, welchen Weg gehen? Was brauchen unsere Kunden und Kundinnen, unser Unternehmen? Wo können wir Dich in Zukunft besser einsetzen?

Henning Bernhof: Die Menschen im Haus suchen nach Aufgaben, bewerben sich für Projekte und Stellen und wachsen daran. Das Unternehmen schätzt das und traut den Menschen das zu.

Gibt es denn gar keine Wert-Konflikte?
Hennig Bernhof: Natürlich kommt es da im Alltag zu Konflikten, sei es durch verschiedene Interpretationen und wie etwas kommuniziert oder wahrgenommen wird. Gerade wer sich täglich damit beschäftigt, wie gesellschaftlicher Mehrwert entstehen kann, muss ständig im Austausch sein, nicht nur mit internen, sondern auch externen Stakeholdern. Wie wir gemeinsam heute und in Zukunft leben wollen, kann ja schlecht ein Mitarbeiter allein beantworten.

Johannes Prahl, Leiter der Mitarbeiterentwicklung, GLS Gemeinschaftsbank eG, Bochum

Henning Bernhof, Sprecher des Vertrauenskreises der Mitarbeitendenvertretung, GLS GemeinschaftsbankeG, Bochum