Im vergangenen Jahr hat das Mitarbeiterengagement hierzulande etwas zugenommen. Die Mehrheit der Arbeitnehmer fühlt sich jedoch weiterhin nicht eng an den Arbeitgeber gebunden. Die Wechselbereitschaft ist laut dem Gallup Engagement Index 2020 sogar so stark wie nie seit 2001 gestiegen.
Für die neueste Ausgabe Index, der sich schwerpunktmäßig mit den Auswirkungen der Corona-Krise beschäftigt, wurden in Deutschland zwischen dem 19 .November und 18. Dezember 2020 insgesamt 1.000 Arbeitnehmer ab 18 Jahren repräsentativ befragt.
Mehrheit der Mitarbeiter zufrieden mit Krisenmanagement der Unternehmen
Ende vergangenen Jahres hatten 83 Prozent der befragten Arbeitnehmer Vertrauen in die finanzielle Zukunft ihres Arbeitgebers – das waren trotz der Corona-Krise vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Drei Viertel (77 Prozent) der Beschäftigten waren zuversichtlich, dass die Unternehmensleitung zukünftige Herausforderungen erfolgreich meistern wird. Zum Vergleich: Im März 2020, zu Beginn der Krise, war weniger als die Hälfte (47 Prozent) dieser Ansicht und selbst 2019 war das Vertrauen in die Geschäftsleitung mit 69 Prozent geringer. Eine deutliche Mehrheit der Befragten (85 Prozent) bescheinigt ihrem Arbeitgeber auch, einen klaren Maßnahmenplan kommuniziert zu haben, was die Gesundheitsrichtlinien im Unternehmen betrifft.
Gut jeder Dritte fühlt sich ausgebrannt
Trotzdem ist die Krise an den Mitarbeitern nicht spurlos vorbeigegangen, sondern bringt große Belastungen mit sich: Gut ein Drittel der Studienteilnehmer (35 Prozent) gab zu Protokoll, sich in den vergangenen 30 Tagen aufgrund von Arbeitsstress ausgebrannt gefühlt zu haben. 2018 und 2019 war das lediglich bei jeweils einem Viertel (26 Prozent) der Fall. Fühlen sich die Mitarbeiter jedoch emotional stärker an ihren Arbeitgeber gebunden, leiden sie seltener an Burnout: Während von den Arbeitnehmern mit hoher emotionaler Bindung 26 Prozent darüber klagten, ausgebrannt zu sein, waren es bei jenen mit geringer emotionaler Bindung bereits 33 Prozent und bei Mitarbeitern ganz ohne emotionale Bindung war jeder zweite (50 Prozent) betroffen.
Emotionale Bindung um zwei Prozent gestiegen
Und wie stand es im ersten Corona-Jahr generell um die emotionale Zugehörigkeit der Beschäftigten zu ihrem Unternehmen? 17 Prozent gaben an, hoch emotional gebunden zu sein, zwei Prozent mehr als 2019. Dennoch machen die Arbeitnehmer, die sich nur wenig an ihr Unternehmen gebunden fühlen und laut Gallup „Dienst nach Vorschrift“ machen, mit rund zwei Dritteln (68 Prozent) auch weiterhin die Mehrheit aus. Die Zahl derjenigen, die gar keine Zugehörigkeit empfinden und bereits innerlich gekündigt haben, ist gegenüber dem Vorjahr von 16 auf 15 Prozent gesunken.
Für Marco Nink, Regional Lead Research & Analytics EMEA von Gallup, ist der Anstieg der Beschäftigten mit einer hohen emotionalen Bindung eine gute Nachricht. Möglicherweise sei die Entwicklung auf die geänderten Rahmenbedingungen im Krisenjahr zurückzuführen. Ein plötzlicher Wandel in der Unternehmenskultur sei aber nicht erkennbar.
Erhöhte Wechselbereitschaft, vor allem bei von Kurzarbeit Betroffenen
Auffällig ist jedoch, dass sich gleichzeitig die Wechselbereitschaft der Mitarbeiter erhöht hat. Lediglich 61 Prozent der Befragten wollen in einem Jahr noch beim aktuellen Arbeitgeber beschäftigt sein. 2019 gaben dies 73 Prozent und 2018 noch 78 Prozent an. Dass sie in den nächsten drei Jahren noch im gleichen Unternehmen tätig sein werden, denken nur noch 50 Prozent. Für Abwanderungsgedanken spielt es eine Rolle, ob Mitarbeiter in der Krise Erfahrungen mit Kurzarbeit gemacht haben oder nicht: Von den Beschäftigten, die in Kurzarbeit waren, wollte weniger als die Hälfte (48 Prozent) in einem Jahr nicht mehr in ihrer Firma sein gegenüber fast zwei Dritteln (64 Prozent) derjenigen, die keine Kurzarbeit machten. Auch würde aus der ersten Gruppe lediglich jeder Vierte seinen Arbeitgeber weiterempfehlen gegenüber einem Drittel (35 Prozent) der Kurzarbeiter.
Auf die Führung kommt es an
Dass die Loyalität der Mitarbeiter abgenommen hat, liegt laut Pa Sinyan, Managing Partner von Gallup Europe, daran, dass die Unternehmen die Krise zwar allgemein gut gemanagt, aber ihre Führungsaufgaben vernachlässigt hätten.
„Dort, wo Führungskräfte deutliche Defizite zeigen, haben Mitarbeiter innerlich gekündigt, sind bereit für einen Jobwechsel oder schauen sich bereits nach einem neuen Arbeitgeber um“, ergänzt Marco Nink. Unternehmen, die sich in der letzten Zeit um ihre Beschäftigten nicht nur als reine Arbeitskräfte, sondern als Menschen gekümmert hätten, profitierten von einer hohen emotionalen Mitarbeiterbindung.
Tatsächlich ist der Anteil der Befragten, die ihrem Unternehmen bescheinigen, es interessiere sich für ihr Wohlergehen, von 64 Prozent im Jahr 2019 auf 68 Prozent Ende 2020 gestiegen – was im Prinzip für gute Führung spräche. Allerdings lag dieser Wert im März 2020 mit 49 Prozent auf einem Tiefpunkt, vermutlich weil die Unternehmen zu Beginn der Krise mit der neuen Situation überfordert waren. Dass der Wert dann im Dezember höher war als im Vorjahr, ließe sich auch damit erklären, dass die Arbeitgeber sich verstärkt für die Gesundheit und die Arbeitsbedingungen ihrer Belegschaften engagiert haben. Andererseits fühlte sich auch zuletzt nur jeder Dritte an seinem Arbeitsplatz im Hinblick auf Gesundheitsrisiken sicher.
Offene Fragen
Insgesamt lässt sich die Diskrepanz zwischen leicht gestiegener emotionaler Bindung bei gleichzeitig deutlich erhöhter Wechselbereitschaft anhand der Studienergebnisse nicht ganz erklären. Zum einen bewirkt die Krise sicherlich, dass viele Mitarbeiter froh sind, überhaupt noch einen Job zu haben und/oder befürchten, ihn zu verlieren und deshalb engagierter sind. Gleichzeitig ist denkbar, dass ihre Loyalität dennoch sinkt, weil sie enttäuscht und auch besorgt sind, wenn ihr Arbeitgeber sie in Kurzarbeit schickt und sie daher lieber nach einem sicheren Arbeitsplatz suchen.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.