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Auf die richtige Vorbereitung kommt es an

Mehr über präferierte Kandidaten erfahren, als die Bewerbungsunterlagen verraten – darum geht es beim Führen von Interviews. Mit einfachen Standardfragen oder auch ausgeklügelten Fragetechniken versuchen Personalverantwortliche, so viel Information aus ihrem Gegenüber wie nur möglich herauszuholen. Zwar stehen im Recruitingprozess zahlreiche weitere Auswahlinstrumente – wie diverse Testverfahren oder Assessment Center – zur Verfügung. Diese können Unternehmen je nach Anforderungsprofil gezielt einsetzen. Aber ohne das persönliche Vorstellungsgespräch erfolgt keine Einstellung. Der Grund: Das gegenseitige Kennenlernen ist unerlässlich, wenn es darum geht, den für eine Vakanz passenden Bewerber zu finden.

Bei einem persönlichen Treffen lernt man Kandidaten am besten kennen und einschätzen

sagt Sven Hennige, Senior Managing Director Central Europe & Netherlands bei Robert Half. „Von Angesicht zu Angesicht findet die Interaktion zwischen Personalmanager und Bewerber auf mehreren Ebenen statt. Die Körpersprache und der Auftritt spielen dabei eine entscheidende Rolle.“ Im Interview lässt sich herausfinden, wie gut ein Kandidat sich auf das Gespräch, die Stelle und das Unternehmen vorbereitet hat. Zudem können Personaler feststellen, ob jemand zur Unternehmenskultur passt und ähnliche Vorstellungen sowie Werte vertritt. Je nach gestellter Frage sind darüber hinaus Aussagen möglich, die etwas über die Reaktion in Stresssituationen verraten oder Aufschluss über das Organisationstalent geben. „Diese Punkte lassen sich am besten in einem Videointerview oder persönlichen Gespräch klären. So kann der Kandidat beweisen, dass er den Versprechungen in seiner Bewerbung Taten folgen lassen kann“, findet Hennige.

Strukturierte Interviews steigern Aussagekraft

Den großen Nutzen von persönlichen Vorstellungsgesprächen als Auswahlinstrument schätzt auch Christoph Athanas, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Meta HR. Zum einen seien persönliche Bewerberinterviews durch ihre Intensität des Aufeinandertreffens der gegenseitige emotionale Lackmustest zwischen Bewerber und Arbeitgeber. „Zum anderen sind vor allem strukturierte Interviews – sofern diese methodisch ordentlich gemacht sind – ein sehr wertvolles Auswahlwerkzeug. Metastudien weisen für sie eine hohe Prognosevalidität aus“, weiß Athanas. Validität ist in diesem Zusammenhang als Gütekriterium zu betrachten. Das bedeutet: Je höher die Validität eines Auswahlinstruments, desto höher seine Aussagekraft. Die positive Folge: Das Risiko einer Fehlentscheidung kann auf diese Weise möglichst gering gehalten werden. Das gilt insbesondere für strukturierte oder teilstrukturierte Interviews.

Strukturierte Interviews zeichnen sich durch einen klaren, vorgegebenen Gesprächsablauf mit einheitlichen Fragen aus. Das heißt: Jedem Bewerber sind die gleichen Fragen zu stellen. Diese sollten bestenfalls in Bezug zur Stelle beziehungsweise zur zukünftig auszuübenden Tätigkeit stehen. Die Fragen richten sich nicht nach dem individuellen Werdegang oder den Qualifikationen des Kandidaten. So ist eine Vergleichbarkeit von Kandidaten gegeben, die eine hohe Aussagekraft der Ergebnisse zulässt. Teilstrukturierte Interviews beinhalten hingegen einen einheitlichen sowie individuellen Frageteil.

Videointerviews vereinfachen das Kennenlernen

Telefon- und Videointerviews sind bei vielen Unternehmen fester Bestandteil ihrer Vorauswahl. Sie versprechen vor allem dort einen besonders großen Nutzen, wo die Zeit oder räumliche Distanz zu Bewerbern im Auswahlprozess eine wesentliche Rolle spielen. Allerdings beinhalten Telefoninterviews einige Hürden – nicht für Bewerber, sondern auch für Personalverantwortliche. Denn: Interviewer erhalten am Telefon nur ein eingeschränktes Bild ihres Gesprächspartners. Unsicherheiten oder Ausweichmanöver sind nur schwer zu erkennen. Hier geht es daher primär darum, bereits im Vorfeld festzulegen, welche Inhalte und Punkte im telefonischen Kontakt gut abzuklären und einzuschätzen sind. Dazu zählt in der Regel das Prüfen der fachlichen Eignung. Darüber hinaus sollten Fragen zur Wechselmotivation in keinem Telefoninterview fehlen.

Bei Videointerviews hingegen bekommen Personaler durchaus einen relativ realistischen Eindruck ihrer Kandidaten. Verhalten, Mimik, Gestik: Alle diese Merkmale sind analog zum persönlichen Gespräch wahrzunehmen. „Digitale Technologien verändern das Recruiting: Videointerviews haben beträchtlich dazu beigetragen, das Kennenlernen zwischen Personalverantwortlichen und Bewerbern zu vereinfachen. Kandidaten sind flexibel und bewerben sich oftmals aus der Ferne, sodass ein erstes Kennenlernen unkompliziert erfolgen kann. Beide Seiten haben eine Zeitersparnis“, sagt Hennige.

Er selbst nutzt zunehmend Videointerviews, um den Aufwand für Bewerber und Unternehmen möglichst gering zu halten. Vor allem bei Stellen, für die es eine Vielzahl an geeigneten Bewerbern gibt, eignen sich insbesondere Videointerviews zur Vorauswahl. Dennoch ist der Managing Director überzeugt: „Sie sollten keinesfalls ein persönliches Gespräch vor der Einstellungsentscheidung ersetzen.“

Interviews optimal vorbereiten

Der Erfolg eines Interviews steht und fällt mit der richtigen Vorbereitung. Diese findet Athanas vor allem aus zwei Gründen bedeutend: Zum einen ermöglicht die Vorbereitung eine inhaltliche Gesprächstiefe. So zeigen Personaler auch echtes Interesse am Bewerber. Das wirkt sich positiv auf die sogenannte Candidate Experience aus. Das heißt: Der Kandidat hat eine Positiv-Erfahrung und verknüpft diese mit dem Unternehmen. Zum anderen muss die Vorbereitung gewisse Standards erfüllen, damit Interviews individuell und dennoch vergleichbar sind. „Dies ist die Bedingung für eine hohe Aussagekraft von Interviews“, so Athanas.

In der Praxis scheint es hinsichtlich der Personalauswahl jedoch noch Nachholbedarf zu geben. Denn: Jede zehnte Einstellung basiert auf einer Fehlentscheidung im Recruitingprozess, wie die Arbeitsmarktstudie 2015 von Robert Half zeigt. Um dieses kostenintensive Risiko zu minimieren und die besten Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen, ist aus Sicht von Hennige die Vorbereitung auf das Interview wichtig. Er rät dazu:

• Personalverantwortliche sollten sich im ersten Schritt noch einmal genau bewusst machen, welche fachlichen Fähigkeiten und soziale Kompetenzen die ausgeschriebene Position erfordert. Dabei gilt es nicht, einen scheidenden Mitarbeiter direkt zu ersetzen, sondern einen optimalen Kandidaten für die freie Arbeitsstelle zu finden.

• Vor dem Interview sollten HR-Manager die Kandidaten genau prüfen. Dazu gehört es, die Unterlagen des Bewerbers anzuschauen und eine Checkliste zu erstellen, die durch das Gespräch führt. Diese sollte offene Punkte und die generelle Eignung des Bewerbers klären.

• Personalverantwortliche sollten im Vorfeld Fragen festlegen, die ihren Kandidaten die anfängliche Befangenheit nehmen und deren Antworten nicht beeinflusst.

Bei einem Bewerbungsgespräch präsentiert der HR-Manager beziehungsweise der Gesprächsführer sein Unternehmen nach außen. „Insofern ist es für ihn auch wichtig, dass er gut vorbereitet ist. Eine schlechte Vorbereitung kann sich auf die Reputation des Unternehmens negativ auswirken“, so Hennige. Insbesondere durch Bewertungsplattformen können sich schlechte Erfahrungen von Bewerbern schnell viral verbreiten. Im schlimmsten Fall halte dies geeignete Jobkandidaten davon ab, sich bei einem Unternehmen zu bewerben

Autor: Sven Lechtleitner, freier Journalist, Köln

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