Personalverantwortliche und Führungskräfte vernachlässigen im Bewerbungsprozess häufig die Wünsche von Kandidaten, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten. So kommt es zum Teil zu großen Diskrepanzen zwischen Bedürfnissen und der Realität. Zum Beispiel wollen mehr als drei Viertel (79 Prozent) der Bewerber ihr künftiges Team kennenlernen. Diese Gelegenheit bekommen sie jedoch nur bei jedem zweiten Unternehmen. Stattdessen präsentieren fast drei Viertel der Firmen (72 Prozent) den künftigen Vorgesetzten. Bei fast der Hälfte der Bewerbungen (45 Prozent) ist auch ein Ansprechpartner aus dem HR-Bereich im Gespräch dabei und jeder dritte Arbeitgeber (33 Prozent) zieht den Geschäftsführer hinzu. Das zeigt eine Umfrage von > Stepstone Österreich, für die letzten Sommer mehr als 1100 Arbeitnehmer im ganzen Land befragt wurden.
Die Geschäftsführung beim Vorstellungsgespräch mit ins Rennen zu schicken, ist nach Ansicht von Barbara Oberrauter-Zabransky, Studienleiterin bei Stepstone Österreich, nicht sehr klug. Oft seien Führungskräfte ungeschult im Umgang mit Bewerbern, das könne die Kandidaten verschrecken.
Kandidaten wollen auch wissen, wie die Chefs ticken
Auch wenn Bewerber im Vorstellungsgespräch vor allem ihre künftigen Kollegen persönlich kennenlernen wollen und weniger das Management: Knapp jeder zweite Kandidat (49 Prozent) möchte gern etwas über das Verhalten der Führungskräfte oder der Firmenleitung erfahren. Darüber, wie der Umgang mit den Vorgesetzten tatsächlich gelebt wird, geben allerdings nur 39 Prozent der Arbeitgeber Auskunft. Dafür erhalten Bewerber Informationen, die sie zumindest zu diesem Zeitpunkt eher weniger interessieren. So wirbt etwa jedes zweite Unternehmen (52 Prozent) mit Zusatzleistungen wie Firmenevents, Sachprämien oder Bonusprogrammen – Aspekte, die für lediglich jeden sechsten Kandidaten (16 Prozent) relevant sind. Auch nennt knapp ein Drittel der Personaler (31 Prozent) Fakten zur Büroarchitektur, etwa dazu, wie die Schreibtische im Großraumbüro aufgestellt sind, aber nur jeder zehnte Bewerber legt Wert auf diese Informationen.
In jedem zweiten Unternehmen bringt ein Probetag mehr Aufschluss über die Passung
Immerhin fast die Hälfte der befragten Betriebe (47 Prozent) gibt Kandidaten jedoch die Möglichkeit zu einem Probetag, so dass Bewerber sich ein Bild über die Unternehmenskultur machen und beide Seiten einschätzen können, ob es menschlich passt. Oberrauter-Zabransky rät Arbeitgebern jedoch, so früh wie möglich Teammitglieder oder die gesamte Abteilung in den Recruiting-Prozess mit einzubeziehen. „Immerhin sind sie es, die tagein, tagaus mit dem neuen Kollegen zusammenarbeiten müssen. Da sollten sie auch ein Wörtchen mitzureden haben – und auf der anderen Seite Kandidaten ein authentisches Erfahrungsbild aus der Abteilung vermitteln.“
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.