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Die Angst vor der Transparenz

Von einem Stiefkind war die Rede, von Ängsten und von fehlendem Know-how: Auf der Stuttgarter Messe Personal legten die Redner der Personalwirtschaft-Podiumsdiskussion den Finger in die Wunde vieler Recruiter. Kennzahlen im Recruiting sind in den meisten Unternehmen mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Podiumsdiskussion Personalwirtschaft Recruiting KPIs
Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion haben den Finger in die Wunde der Recruiter gelegt: Prof. Andreas Eckhardt, Michael Eger, Frank Hensgens, Marcus Fischer und Erwin Stickling (v. l. n. r.).

Der vollbesetzte Zuschauerraum zeigte, wie wichtig und interessant das Thema KPIs offenbar ist. Es gab nicht genug Sitzplätze, viele Zuhörer standen und lauschten. Vielleicht auch deshalb, weil sie sich mit der Diskussion ertappt fühlten und auf Abhilfe hofften. Denn: Nur 40 Prozent der Recruiter nutzen überhaupt irgendwelche Kennzahlen, um die Maßnahmen bei der Personalsuche zu überprüfen. Das hatte die Zeitschrift Personalwirtschaft bereits im vergangenen Jahr in einer Studie herausgefunden.
Und siehe da: Als Moderator Erwin Stickling das Publikum fragte, wer das Thema Controlling für ein Stiefkind im Recruiting hält, zeigte die große Mehrheit auf. Doch danach gefragt, wer selbst im Unternehmen zum Beispiel die Kennzahlen Cost-per-Hire oder Time-to-Fill misst, waren es nur erstaunlich wenige Hände, die hochgingen. Dabei zeigt eine aktuelle Expertenbefragung der Personalwirtschaft, dass genau diese KPIs als die wichtigsten gesehen werden.

Mit KPIs besser werden

Doch warum ist das Festlegen, Ermitteln und Nutzen von Recruiting-Kennzahlen so schwer oder warum trauen sich viele Personalabteilungen da nicht heran? „Ich glaube, oft ist es mit der Angst vor Transparenz verbunden. Ich muss als Recruiter dazu bereit sein, meine eigene Arbeit – Erfolge und Misserfolge – offen zu legen. Doch ohne geht es nicht und die Anforderung wird kommen, das kann ich Ihnen versprechen“, sagte Frank Hensgens, Geschäftsführer von Indeed Deutschland. 

Er weiß, wovon er spricht. Im eigenen Unternehmen, das als Anbieter einer Meta-Jobsuchmaschine geradezu für die Erhebung und Nutzung von Kennzahlen prädestiniert ist, offenbarte sich an der Kennzahl Time-to-Hire eine Recruiting-Schwäche in Deutschland. „Wir waren hier schlechter als andere Indeed-Länder, konnten uns aber zunächst nicht erklären, warum. Dann fanden wir heraus, dass die Bereichsleiter oft ihre Termine für Vorstellungsgespräche nicht wahrgenommen, sondern verschoben haben und ähnliches.“ So konnte man reagieren und einen Workflow erarbeiten, an den sich die Beteiligten zu halten haben.

Professor Andreas Eckhardt von der German Graduate School of Management and Law, gab ebenfalls zu bedenken: „KPIs erfordern sehr viel Wissen. Erstens über den Recruiting-Prozess, zweitens über die IT-Systeme und was diese aussagen und drittens muss ich viel und gut mit den Abteilungen zusammenarbeiten. Personaler kümmern sich um die Weiterbildung der Mitarbeiter – aber sie selbst sollten und müssen sich hier auch weiterbilden.“ 

Einen Tipp, wie man sich an das scheinbar große und angstbesetzte Thema heranwagen kann, hatte Michael Eger, Partner bei der Unternehmensberatung Promerit: „Der erste Schritt ist, einen Schritt zurück zu machen und zu schauen: Was habe ich persönlich davon, wo bringt mich ein Set aus Kennzahlen bei der Arbeit weiter? Und dann genau hinschauen, was ich messen will und mit was ich die Ergebnisse vergleichen will: Intern, also innerhalb der verschiedenen Abteilungen oder mit Wettbewerbern?“ 

Keine Ausreden

Ähnliches berichtet auch Marcus Fischer, Head of Global Talent Acquisition bei der Schweizer Straumann Group aus seiner Recruiting-Praxis. „Wir schauen uns an, was für welche Stelle funktioniert. Das ist durchaus viel Handarbeit, weil die Tools, die wir im Recruiting nutzen, einem nicht alles Relevante in einem schönen vorgefertigten Report liefern. Aber wer sagt, es liege an der Technik, dass man keine KPIs erhebt, dem kann ich nur sagen: Das ist nur ein vorgeschobenes Argument. Es liegt nicht an der Technik. Selbst ganz ohne weitreichende Systeme kann ich Kennzahlen definieren, messen und Handlungen ableiten.“  Ertappt, dachte da wohl so mancher Zuschauer im Publikum. Ausreden zählen nicht.

Beim Schweizer Dentalspezialisten Straumann sei besonders der KPI „Frühfluktuation“ interessant und wichtig. Man könne aber nur mit viel Mühe herausfinden, warum ein neuer Mitarbeiter nach sechs Monaten schon wieder weg ist. „War die Stelle schon bei der Ausschreibung falsch beschrieben? Oder haben wir den Kandidaten vielleicht nicht verstanden?“, sinniert Fischer. 

Alle Diskutanten waren sich einig, dass man kein großes Set an Kennzahlen braucht – Hauptsache, es sind individuell relevante KPIs. Und: Dass man den Erkenntnisgewinn aus den Zahlen nutzt, um das Recruiting effizienter zu machen. Indeed hat übrigens ein hilfreiches > E-Book erstellt, in dem erklärt wird, wie man genau das schafft. Erfahrung macht halt klug. (nbh)

+++ Welche Recruiting-KPIs gibt es und welche sind die wichtigsten? Schauen Sie sich hierzu unsere > Bilderstrecke an. +++