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Frauen ans Steuer!

Quotenregelungen allein führen nicht dazu, dass Frauen häufiger an die
Spitze von Unternehmen kommen. Gleichberechtigung im Job muss gelebt
werden – gerade in Krisenzeiten. Die Berliner Verkehrsbetriebe machen
vor, wie es geht.

Frauen am Steuer eines Busses
Firmen brauchen eine frauenfreundliche Unternehmenskultur. Foto: © BVG

Zwar hat sich in den vergangenen Jahren bereits einiges getan, von echter Gleichbehandlung der Geschlechter im Arbeitsleben kann aber noch keine Rede sein. Im Gegenteil: Gleich mehrere Studien prognostizieren, dass sich die Corona-Krise gerade für berufstätige Mütter zu einer zusätzlichen Hürde, unter Umständen sogar zu einem wahren Karrierekiller entwickelt.

Und dabei waren Frauen schon vor der Pandemie in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert – und sie verdienen im Durchschnitt weniger als Männer. Und das, obwohl Frauen fast die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland stellen und viele sehr gut ausgebildet sind: Rund 50 Prozent der Hochschulabsolventen und rund 45 Prozent der Promovierenden sind weiblich.

Beim akuten Mangel an Fachkräften können es sich Unternehmen schlicht nicht mehr leisten, auf weibliche Talente zu verzichten. Eine Quotenregelung allein wird jedoch nicht dazu führen, dass Frauen häufiger an der Spitze von Unternehmen auftreten und über Lohn und Arbeitsbedingungen mitentscheiden können. Was es braucht, ist eine frauenfreundliche Unternehmenskultur. Das zeigt eindrucksvoll das Beispiel der Berliner Verkehrsbetriebe BVG.

Frauenförderung bereits seit 2003

Das größte Nahverkehrsunternehmen Deutschlands hat sehr früh erkannt, wie wichtig die Förderung von Frauen ist. Schon im Jahr 2003 führten die Verkehrsbetriebe der Hauptstadt einen Frauenförderplan ein, der seither kontinuierlich weiterentwickelt wurde. „Unser Ziel ist es, den Anteil der Mitarbeiterinnen im Unternehmen von aktuell knapp über 20 Prozent auf 27 Prozent im Jahr 2022 zu steigern“, sagt Karin Klink, Abteilungsleiterin Führung und Management der BVG. „Dafür haben wir eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, angefangen von der direkten Ansprache von jungen Frauen, insbesondere für die technischen Ausbildungsberufe, bis hin zur Besetzung von Führungspositionen.“

In den kommenden Jahren gilt es für Klink und ihr Team, eine Reihe an Stellen neu zu besetzen: Allein bis 2025 werden von den 12.900 Beschäftigten der BVG rund 1.600 in Rente gehen. Die ambitionierte Frauenquote soll dem Unternehmen qualifizierten Nachwuchs auf dem hart umkämpften Markt für Fachkräfte sichern. Dazu wurden Quotenziele für jeden Unternehmensbereich festgelegt, sowohl mit Blick auf den Gesamtanteil von Frauen als auch für Führungspositionen.

Quotenerfüllung zahlt sich auf Bonus aus

„Bei gleicher Qualifikation und Eignung sind Frauen, ob im Fahrdienst, der Instandhaltung oder der Verwaltung, vorrangig einzustellen und zu übernehmen, bis im ganzen Unternehmen ein Anteil von 50 Prozent erreicht ist. Werden die jährlichen Zielvorgaben nicht erreicht, hat das Auswirkungen auf den Bonus unserer leitenden Angestellten“, erläutert Klink. Bei den Auszubildenden wurde bereits ein Frauenanteil von 25 Prozent erreicht.

Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, Fortbildungen und Seminaren und vielen anderen Maßnahmen lebt das Unternehmen Frauen- und Familienfreundlichkeit vor und fördert damit Mütter und Väter gleichermaßen. Und dass mit Eva Kreienkamp zum 1. Oktober wieder eine Frau den Vorstandsvorsitz der Berliner Verkehrsbetriebe übernimmt, nachdem die langjährige BVG-Chefin Sigrid Evelyn Nikutta Anfang 2020 in den Vorstand der Deutschen Bahn gewechselt ist, unterstreicht die Glaubwürdigkeit der BVG-Personalstrategie zusätzlich.

Vielfältige Teams bereichern Entscheidungsprozesse

Die Förderung von Frauen steht im Rahmen des Diversity- und Inklusionsmanagements derzeit ganz oben auf der Agenda von HR-Verantwortlichen. Dies zeigt auch eine ›Umfrage des Top Employer Institutes unter mehr als 1.600 Unternehmen weltweit. Demnach sehen 91 Prozent der zertifizierten Arbeitgeber mehr Anstrengungen beim Thema personelle Vielfalt und Inklusion als Gebot der Stunde an.

Die Gleichberechtigung der Geschlechter am Arbeitsplatz nimmt dabei mit einem Anteil von 92 Prozent der Maßnahmen einen Spitzenplatz ein. „Für Diversity sprechen gute Gründe. Unternehmen bilden damit nicht nur die Lebenswirklichkeit in ihrem Umfeld ab. Gemischte Teams erzielen auch bessere Arbeitsergebnisse, weil sie über ein breiteres Spektrum an Erfahrungen und Perspektiven verfügen und damit Entscheidungsprozesse bereichern“, sagt Steffen Neefe, Country Manager DACH beim Top Employers Institute.

Dass die Berliner Verkehrsbetriebe 2020 zum wiederholten Male die Auszeichnung als Top Employer erhalten haben, liegt auch am hohen Frauenanteil in den Chefetagen und der ausgezeichneten Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Die Berliner Verkehrsbetriebe sind ein ganz besonderer Vorreiter im Bereich Human Resources, weil die frauenfreundliche Talentstrategie es dem Unternehmen erst ermöglicht hat, zu wachsen und sich jederzeit selbst weiter zu entwickeln“, erklärt Neefe.

Inklusion als Erfolgsfaktor

Vielfalt allein reicht jedoch nicht aus, damit Unternehmen die verschiedenen Fähigkeiten in gemschten Teams optimal nutzen können. Entscheidend ist die erfolgreiche Inklusion. „Durch den demographischen Wandel und Veränderungen am Arbeitsmarkt steigt der Anteil älterer Mitarbeiter, von Menschen mit Behinderung, Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund und von Frauen im Erwerbsleben. Darauf muss HR mit einer inklusiven Personalentwicklung eingehen“, sagt Neefe. Dies beginnt mit der Arbeitsplatzbeschreibung und der Rekrutierung, bei der Unternehmen bereits auf Fairness und Gleichberechtigung achten müssen.

Zu dieser strukturellen Inklusion kommt die verhaltensbezogene Inklusion hinzu. Immer mehr Unternehmen bilden ihre Führungskräfte mittlerweile darin aus, Voreingenommenheit im Verhalten zu erkennen und zu korrigieren. „Der Wert dieser Maßnahmen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn mit einer erfolgreichen Diversity- und Inklusionsstrategie verschaffen sich Arbeitgeber klare Vorteile beim Employer Branding“, betont Neefe. Schließlich zeigen auch die Untersuchungen des Top Employers Institute, dass Unternehmen, die ihre Bemühungen um Vielfalt und Inklusion vernachlässigen, im Wettbewerb um Talente und qualifizierte Mitarbeiter immer weiter zurückfallen.

Von: Dieter Eyl