Zwar gehen heute 72 Prozent der führenden deutschen Unternehmen laut einer Studie von Monster.de davon aus, dass sie ihr Mobile-Recruiting-Angebot ausweiten müssen, allerdings haben erst knapp 50 Prozent die ersten essenziellen Mobil-Optimierungen durchgeführt. Dabei ist es bei weitem nicht ausreichend, nur auf die technischen Aspekte zu achten. Um den Bewerbungsprozess mobile-friendly zu gestalten, ist es wichtig, ihn in erster Linie zu vereinfachen und zu verschlanken.
Die Bewerbungsprozesse der meisten Unternehmen sind jedoch noch sehr aufwendig, auf das veränderte Mediennutzungsverhalten wird in vielen Bereichen gar nicht eingegangen. So sind Bewerbungsformulare weiterhin nur selten mobiloptimiert, und auf das Bedürfnis nach eigenen Apps zur Stellensuche wird nur selten eingegangen.
Was man mit dem Smartphone erledigen kann, wird auch damit erledigt. Diesen Trend belegt ebenso die aktuelle Monster-Studie zu Mobile Recruiting: drei von zehn Karriereinteressierten nutzen häufig ein Smartphone oder einen Tablet-PC zur Suche nach Informationen über Unternehmen. Die Jobsuche findet zu beinahe 50 Prozent unterwegs am Smartphone statt.
Was man mit dem Smartphone erledigen kann, wird auch damit erledigt.
Und genau das bedeutet gravierende Änderungen in der Ansprache von potenziellen Kandidaten. Die mobile Optimierung fängt mit technischen Anpassungen an: Responsive Design, minimalistische Gestaltung, kurze Ladezeit, große Buttons, etc. Doch das alleine recht nicht. Der Bewerbungsprozess muss parallel umgedacht und angepasst werden. Entscheidend ist, dass der Kandidat ihn mit wenigen Schritten und ohne großen Aufwand abschließen kann. Zu vermeiden sind der Upload großer Dateien, zu ausführliche Formulare oder ein Inhalte-Overload.
Liquid Youth: Always Mobile
Noch besteht eine Chance, sich damit vom Wettbewerb zu differenzieren und die junge Zielgruppe auf ihrem mobile Device zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Inhalten anzusprechen und damit für sich zu gewinnen.
Wer ist diese junge Zielgruppe eigentlich? Eine treffende Definition ist die der Liquid Youth. Sie vereint die Generationen Y und Z. Das Zukunftsinstitut beschreibt sie so: „Die heute 25- bis 35-Jährigen, die gern als Generation Y oder Millennials bezeichnet werden, sind in der digitalen Welt aufgewachsen, allerdings in der alten Welt der Desktop-PCs. Für sie gilt: Mobile first! Die Generation der um die Jahrhundertwende Geborenen, alias Generation Z, sind fast ausschließlich mit Mobile Screens aufgewachsen und bilden die erste Post-PC-Generation. Sie handeln nicht nach dem Motto Mobile first, sondern Mobile only.“
Logisch, dass die Generation Liquid Youth auch die Jobsuche am liebsten mit dem Smartphone erledigen möchte. Laut einer Studie der Uni Bonn schauen die Deutschen im Alter von 17 bis 23 Jahren durchschnittlich 135-mal täglich auf ihr Smartphone. Das bedeutet, dass – bei einem Wachzeitraum von 16 Stunden – das Smartphone alle siebeneinhalb Minuten eingeschaltet wird. Die dabei meistgenutzten Apps sind Facebook und WhatsApp. Wer die Liquid Youth erreichen will, muss bei der Planung von Personalbeschaffungsmaßnahmen Social Recruiting und Mobile Recruiting vernetzt in seinen Auftritt einbauen. Es macht beispielsweise wenig Sinn, eine Facebook-Kampagne zu planen, in der auf eine nicht-mobil-optimierte Landing-Page verlinkt wird.
Für die Liquid Youth sind mobile Devices laut dem Zukunftsinstitut „keine Spielzeuge, nicht einmal Werkzeuge. Sie sind Lebensgefährten, ein organischer Teil ihrer Lebenswelten.“
Think Liquid!
Nicht nur ein Wandel im Medienverhalten, auch ein allgemeinerer Wertewandel zeichnet sich bei der Liquid Youth ab. Und damit auch eine Veränderung der Ansprüche und Erwartungen an Arbeitgeber. Die Liquid Youth will anders arbeiten und muss daher auch anders angesprochen werden als vorherige Generationen. Vernetzung, Transparenz und Flexibilität sind für sie entscheidende Aspekte. Lebens- und Arbeitswelten fließen ineinander. Dementsprechend sollten nicht nur die Touchpoints, sondern auch die Inhalte des Employer Branding angepasst werden. Themen wie flexible Unternehmenskulturen, Work-Life-Balance, innovative Organisationsstrukturen, Vielfalt und Diversität der Arbeitsverhältnisse müssen von Anfang an, schon bei der Entwicklung einer Employee Value Proposition, in das Mobile-Kommunikationskonzept einfließen. Dabei geht es nicht nur um einen kommunikativen Change. Vielmehr muss die gesamte Unternehmenskultur das Liquid-Prinzip verinnerlichen.
Die Liquid Youth will anders arbeiten und muss daher auch anders angesprochen werden als vorherige Generationen.
Eine zielgruppengerechte Ansprache über relevante Kanäle hat viele Vorteile. Zum einen erhöht sich durch Mobile schlichtweg die Reichweite, zum anderen wird die richtige Zielgruppe ohne Streuverluste angesprochen. Die Employer-Branding-Aktivitäten können fokussierter eingesetzt werden, um die Generationen Y und Z mit Inhalten, die extra für sie geschaffen wurden, zu erreichen. Hier spielen Relevanz durch richtigen Content und Sichtbarkeit durch die richtigen Touchpoints zusammen und erhöhen die Effektivität. Da Mobile Recruiting hierzulande – wie die Zahlen belegen – noch viel Luft nach oben hat, bietet es eine hervorragende Möglichkeit, sich vom Wettbewerb zu differenzieren und im „War for Talents” zu überzeugen. Das geht aber nur, wenn es mit entsprechenden Ressourcen in den HR-Abteilungen implementiert wird. Aber: Diese Investition wird sich zweifellos schon eher mittel- als langfristig auszahlen!
Klicken, Posten, Swipen: Good Practices im Mobile Recruiting
Einige Unternehmen haben das Potenzial von Mobile Recruiting bereits erkannt und über diesen Weg neue Mitarbeiter gefunden. Die folgenden Beispiele zeigen unterschiedliche Herangehensweisen ans Mobile Recruiting.
So bietet Electrolux in Kooperation mit dem Berliner Start-up mobileJob.com eine Expressbewerbung für die Zielgruppe Elektriker. Die Kandidaten signalisieren ihr Interesse für eine Stellenausschreibung (zum Beispiel auf Facebook) und füllen im Anschluss einen kurzen Fragebogen aus. Dieser Fragebogen war die unmittelbare Entscheidungsgrundlage für die Personalmanager. So konnten bei Electrolux die neuen Mitarbeiter innerhalb von sieben Tagen eingestellt werden.
Goldman Sachs sucht nach potenziellem Nachwuchs an einem für die Finanzbranche eher ungewöhnlichen Ort. Sie nutzen Snapchat, den kostenlosen Mobile-Messenger, der unter überwiegend jüngeren Zielgruppen beliebt ist. Mitten in der Snapchat Campus Story, einem Feed zum Thema Universitätsleben, starten sie eine Kampagne mit 10-Sekunden Recruiting-Clips.
Bei Everlane, einer Modemarke aus den USA mit eigenem Snapchat-Kanal, können die Kandidaten mit einer Snapchat Story erklären, warum gerade sie für die Position geeignet sind. Per Twitter bewirbt Everland seine „Recruiting Fridays“ und verlinkt zu Snapchat. Ein gutes Beispiel für zielgruppengerechtes und auch kanalgerechtes Employer Branding.
Die Kreativagentur GGH Lowe ging so weit, dass sie ihre Nachwuchskräfte in Hamburg über die Dating-App Tinder rekrutierte. Junge Angestellte der Agentur erstellten dazu eigene Tinder-Profile, welche mit außergewöhnlichen Fotos, zweideutigen Botschaften und zur Schau gestellten Werbe-Awards potenzielle Mitarbeiter anziehen sollten. Über die Einstellung der gemeinsamen Interessen entstanden ohnehin nur Matches mit Kandidaten, die zur Agentur-Kultur von GGH Lowe passten. Das Ergebnis: über 500 Matches in 48 Stunden.
Das typische „Tinder-Prinzip“, etwas mit einem Swipe nach links oder rechts zu bewerten, hat bereits Recruiting-Start-ups inspiriert. Eines davon ist Truffls aus Berlin. Ihr Angebot lautet „Job-Suche mit Matching-Technologie“. Die Daten aus XING oder LinkedIn werden direkt in die Truffls-App importiert. Nach diesem Schritt kann die Jobsuche losgehen. Ein Swipe nach links bedeutet, kein Interesse. Wer nach rechts swipt, macht das Unternehmen auf sich aufmerksam. Die App wurde bis März dieses Jahres rund 90.000 Mal heruntergeladen.
Verknüpfte Welten
Die Technologie-Trends haben unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitswelten der Zukunft. Sie werden die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändern: Arbeitszeit- und Arbeitsort-Flexibilisierung, sinkende Bedeutung von Hierarchien und weiter steigende Automatisierung von Arbeitsprozessen sind die logischen Entwicklungen in den nächsten fünfzehn Jahren. Arbeit und Freizeit verschmelzen zunehmend – besonders in der digitalen Welt. Eine Tatsache, die auch Prozesse der Mitarbeiterführung und -entwicklung beeinflussen wird.
Die weitere Zunahme von technologischen Möglichkeiten und neuen Kanälen wird einerseits eine immer individuellere und persönlichere Ansprache von Kandidaten ermöglichen, anderseits sind diese Entwicklungen mit komplexeren Planungsprozessen verbunden. Auf welchen Kanälen befindet sich meine Zielgruppe? Wie früh baue ich Beziehungen zu den potenziellen Mitarbeitern auf? Welche Netzwerke sind für die Ansprache aktuell relevant? Wie kann ich die erforderliche Flexibilität der Arbeitnehmer in der sich wandelnden Arbeitswelt gewährleisten? All diese Fragen und viele mehr werden sicherlich in Zukunft an Relevanz zunehmen.
Heute bewerben sich die Kandidaten über Snapchat, morgen möglicherweise schon mit einem Virtual-Reality-Video und übermorgen erscheinen sie als Hologramm zum Bewerbungsgespräch.
Auch wenn manche Visionen heute noch eher amüsant erscheinen, einen Schritt vorauszudenken, lohnt sich. Denn das, was wir heute Zukunft nennen, ist morgen selbstverständliche Realität.
Technik und Inhalt müssen zusammenpassen
Checkliste – was brauchen Unternehmen, um fit für Mobile Recruting zu sein?
Anpassung der Karriere-Website
- Mobil-responsive Karriereseite, saubere Gestaltung
- Kurze Ladezeit, max. 5 Sekunden
- Ausschließlich vertikales Scrollen
- Zentrale, große und auffällige Suchfunktion mit einfachen Filtering-Optionen
- Große Buttons, die bequem mit dem Finger wählbar sind
- Kurze, gut lesbare Jobbeschreibungen ohne Notwendigkeit zu zoomen
- Gut navigierbare, leicht verständliche Formulare zum Ausfüllen
Inhaltliche Anpassungen
- Inhalte reduzieren
- Bewerbungsprozess vereinfachen (unkompliziert, wenige Schritte, etc.)
- Kein Upload von Dateien (Lebenslauf, Anschreiben, Zeugnisse etc.)
- Stellenbeschreibung kurz halten
- Bewerbungsprozess kreativ gestalten (Video-Bewerbung, Bewerbung über Facebook oder per Kurznachricht etc.)
- Mobile und Social Recruting gehören zusammen
- Innovative Touchpoints
Der Autor:
Andreas Liehr ist Geschäftsführer bei Huth + Wenzel, Agentur für Kommunikation, Frankfurt am Main