Frage an die HR-Werkstatt: „Wir möchten die Position eines CDOs neu schaffen. Wie finden wir geeignete Kandidaten und auf welche Kompetenzen sollten wir achten?“
Es antwortet: Jörg Kasten, Managing Partner und Chairman bei Boyden Global Executive Search
Ob Konzern, Mittelständler oder Kleinbetrieb: Nahezu alle beschäftigen sich mit der Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle und Unternehmensprozesse. Dieser Transformationsprozess stellt insbesondere die Managementebene vor Herausforderungen. Denn oftmals fehlen in Unternehmen passende Führungskräfte mit einer ausgeprägten digitalen Kompetenz und einem Mindset, das offen für die Antizipation innovativer Technologien ist.
Es braucht den vielbeschworenen Blick über den digitalen Tellerrand hinaus. Führungskräfte müssen sich mit einer Umgestaltung der Märkte befassen, Ökosystem-Partnerschaften mit anderen Unternehmen in Betracht ziehen und den neuen digitalen Ansprüchen von Geschäftspartnern und Kunden mit entsprechenden Lösungen gerecht werden. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, kann ein CDO die Lösung sein.
Was Sie von einem CDO erwarten können
Für viele Unternehmen gilt der CDO als digitales Allheilmittel. Eine Erwartungshaltung, die auf der einen Seite in Teilen sicherlich berechtigt ist, aber auch mit großem Erfolgsdruck für diese Top-Management-Position verbunden ist. Der CDO hat zu allererst die Aufgabe, ein Digitalisierungskonzept zu entwickeln und umzusetzen. Er muss nachhaltige digitale Strategien fördern und die betrieblichen Abläufe innerhalb des Unternehmens digitaler und vernetzter gestalten. Eine Aufgabe, die je nach Unternehmen und digitaler Reife recht turbulent sein kann.
Ein CDO ist daher ein Störenfried im besten Sinne mit der Lizenz zum Ausprobieren. Diese digitale Freiheit braucht er auch, um alte Unternehmensstrukturen aufzubrechen und neue, digital optimierte einzuführen. Er stellt gängige Prozesse auf den Kopf, stellt sie in Frage und versucht sie im Sinne der Digitalisierung zu beantworten.
Über dieses Profil sollte ein CDO verfügen
Ein CDO muss eine führungsstarke Persönlichkeit sein und sich gegen Widerstände durchsetzen können. Immerhin müssen die neuen Aufgaben der Digitalisierung im Unternehmen etabliert und im schlimmsten Fall auch gegen Vorbehalte der Belegschaft oder gar des Top-Managements durchgesetzt werden. Fachlich sollten Sie vor allem auf das richtige Mindset des Digitalchefs achten.
Für den digitalen Background ist ein IT-Studium allein aber nicht ausreichend. Vielmehr muss ein CDO Erfahrungen im digitalen Umfeld gesammelt haben und diese für Ihr Unternehmen anwenden können. Ein tiefes Verständnis digitaler Strukturen und Erfahrungen im Projektmanagement sind ebenso wichtig. Für den CDO ist eine Mixtur aus profunden Fachkenntnissen, Leadership-Erfahrung, Soft Skills und ein Stück weit Rebellentum ausschlaggebend. Konkrete Kompetenzen sind Innovationskraft, Kollaborationsbereitschaft, Veränderungswille und visionäre, kreative Qualitäten. Zudem sind Empathie, Kommunikationsstärke und die Fähigkeit Entscheidungen herbeizuführen, wichtige Eigenschaften von CDOs.
Er muss nämlich nicht nur mit Digital-Spezialisten auf Augenhöhe kommunizieren, sondern auch die Sprache des Top-Managements und der Mitarbeiter sprechen – und bestenfalls in beide Richtungen „übersetzen“ können. Denn eine sachgerechte und verständliche Informationspolitik über Entwicklungen bei der Digitalisierung im eigenen Unternehmen gehört zu den wichtigsten Aufgaben des CDOs. So kann er alle Stakeholder über Strategien, Maßnahmen und konkrete Aufgaben informieren und auf die digitale Reise mitnehmen.
Gewinnen Sie Digital-Experten für sich
Der Gestaltungsspielraum des CDOs ist also entsprechend groß. Und genau das macht die Besetzung so schwierig. Oft wird versucht, die Position intern zu besetzen. Es ist auch gar nicht auszuschließen, dass das eine oder andere Unternehmen den richtigen Mann beziehungsweise die richtige Frau bereits an Bord hat. In der Regel kommen die CDOs jedoch von außen.
Der Grund: Den Veränderungsdruck erkennen Unternehmen oft zu spät und haben dann keine Zeit für den Aufbau eines internen Kandidaten. Die Suche in fremden Branchen kann durchaus sinnvoll sein. Gerade das Know-how aus anderen Branchen machen CDOs für Unternehmen so wertvoll. Denn die Erfahrungswerte in anderen Wirtschaftszweigen sind teilweise viel tiefgehender und länger gereift als im eignen Marktsegment.
Falls Sie als Unternehmen es nicht aus eigener Kraft schaffen, einen passenden CDO zu rekrutieren, kann die Zusammenarbeit mit einem Experten helfen. Der Zeitfaktor ist hier oft das erfolgsentscheidende Kriterium. Denn nur Profis mit dem passenden digitalen Mindset bringen Kundenbedürfnisse und -anforderungen schnell zusammen – bestenfalls vor der Konkurrenz. Schließlich ist die Nachfrage nach CDOs ist in den letzten fünf Jahren deutlich gestiegen.
Wie Sie optimale Voraussetzungen für die Stelle des CDOs schaffen
Im Alltag ist immer wieder zu sehen, dass talentierte CDOs scheitern, weil sie nicht richtig im Unternehmen angekommen sind oder Verantwortungsbereiche nicht richtig definiert wurden. Damit ein CDO aber auch wirkungsvoll und erfolgreich sein kann, sollten Sie als Unternehmen die richtigen Voraussetzungen schaffen.
Definieren Sie klare Rollen: Ist im Vorfeld die Aufgabenbeschreibung des CDO nicht geklärt, wird der Kandidat im Alltagsgeschäft mit großer Wahrscheinlichkeit scheitern. Sie sollten also klare unternehmerische Ziele und seinen strategischen und operativen Spielraum definieren.
Planen Sie einen guten Onboarding-Prozess: Obwohl die Bedeutung eines guten Onboardings bekannt ist, geht dennoch in diesem Prozess bis heute in Unternehmen vieles schief. Gerade beim CDO ist es entscheidend, wie er vom ersten Tag im Unternehmen eingeführt wird. Das Top-Management sollte bereits vor dem Eingliederungsprozess die Führungskräfte und Mitarbeiter auf die Implementierung eines CDOs vorbereiten, um ihm die richtige Positionierung im Unternehmen zu verschaffen.
Fazit
Setzen Sie auf eine bejahende Unternehmenskultur: Ein CDO führt bei Führungskräften und Mitarbeitern häufig zu Skepsis und Abwehrreaktionen. Er verkörpert neues Denken und Ungewissheit und wird daher oft als Bedrohung angesehen. Deshalb ist es wichtig, schon vor der Rekrutierung die Unternehmenskultur zu betrachten und zu sehen, wo das Unternehmen steht.
Gerade traditionell ausgerichtete Unternehmen könnten zu dem Fazit kommen, dass sie für einen digitalen Wandel und einen CDO noch nicht bereit sind. Sie sollten sich daher fragen, was Sie tun können, um Veränderungen in der Arbeitskultur zu ermöglichen, bevor der CDO eine radikale neue Richtung vorgibt.
Auch die richtige Anbindung für den CDO muss gegeben sein. Sein Erfolg hängt davon ab, ob er einen richtigen Mentor – bestenfalls den CEO – im Unternehmen hat und seine Position entsprechend hoch angesiedelt ist. Ein häufiger Fehler ist es, den CDO zu niedrig anzusiedeln und ihm so nicht genügend Schlagkraft zur Verfügung zu stellen.
Entwickeln Sie ein Standing: Im Vergleich zum Chief Information Officer (CIO) oder Chief Technology Officer (CTO) ist der CDO keine klassische Support-Funktion. Er beeinflusst maßgeblich die Strategie des Unternehmens mit. Die Unternehmensführung muss ihrem CDO daher genügend Spielraum für Eigenleben und Kreativität bieten, damit er sich das benötigte Standing in der Organisation erschließen kann.
Wer als Unternehmen die digitale Transformation ernst nimmt, kommt kaum um die Position eines CDOs herum. Denn die Adaption innovativer Technologien und der daraus resultierenden Entwicklungen digitaler Service- und Produktlösungen für Kunden und Geschäftspartner kann nur top-down erfolgen. Damit ein CDO bei Unternehmen auf fruchtbaren Boden fällt, sollten sich die Führungsetagen daher frühzeitig Gedanken machen, wie sie für diese Position die besten Voraussetzungen schaffen können.
✓ Werkstatt-Check: So finden Sie den richtigen CDO |
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Prüfen Sie die Aufgaben: CDOs entwickeln nachhaltige digitale Strategien für das Unternehmen und sind keine digitalen Allheilmittel. |
Prüfen Sie das Profil: Nicht nur Fachwissen ist wichtig, sondern auch die Führungsstärke. |
Vertrauen Sie auf externe Expertise: Während interne Besetzungen auf dem ersten Blick einfacher erscheinen, können CDOs aus anderen Branchen wertvolles Know-how mitbringen. |
Kommunikation ist wichtig: Definieren Sie im Vorfeld deutlich, welche Aufgaben der CDO hat. Ein gutes Onboarding kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. |
Unterstützen Sie den digitalen Wandel: Verankern Sie die Tätigkeiten des CDO in Ihre Unternehmenskultur, damit es nicht zu Abwehrreaktionen unter Mitarbeitern oder Führungskräften kommt. |
+++ Weitere Wartungsfälle unserer HR-Werkstatt +++
– Teil XI: Wie gehe ich mit beratungsresistenten Mitarbeitern um?
– Teil XII: Wie bewerte ich Soft Skills?
– Teil XII:Wie nutze ich Körpersprache in Gesprächen?
– Alle bisherigen Folgen der HR-Werkstatt lesen Sie › hier
Autor
Jörg Kasten ist Managing Partner und Chairman bei der Personalberatung Boyden Global Executive Search. Der Diplom-Psychologe berät als Executive Search Consultant internationale Klienten, vor allem in den Bereichen Technologie und Professional Services und kann langjährige Erfahrung bei der Besetzung von Positionen im Top-Management vorweisen.