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Interview: „Ohne Vertrauen geht es nicht“

 



Was macht es für Sie reizvoll, Ungelernte, Arbeitskräfte mit geringen Qualifikationen oder mit Handicaps im Lebenslauf in einen festen Job zu bringen?
Ende: Ich will Menschen helfen, auf eigenen Füßen stehen zu können. Denn wer arbeitslos ist oder keine  Ausbildung hat, wird leicht an den Rand der Gesellschaft gedrückt, ohne Perspektive, ohne die Aussicht auf Veränderung zum Guten. Das macht Menschen unzufrieden und unglücklich.

Das klingt im Anflug pastoral. Reden Sie auch so gefühlig mit den Kandidaten?
Nein, ich rede ohne Umschweife. Etwa: ‚Hey, du bist sympathisch, aber du hast einen miserablen Background.‘ Das wissen die Leute in der Regel selbst, und fast alle sind heilfroh, dass da offen drüber gesprochen wird.

Wenn es dann zum Arbeitsvertrag kommt und der Mitarbeiter später womöglich von unserem Kunden übernommen wird, dann motiviert mich das enorm.

Gerade von dieser Personengruppe heißt es oft: Ach, die wollen ja gar nicht arbeiten. Die rennen ständig zum Arzt und lassen sich krankschreiben oder stehen beim Betriebsrat auf der Matte.
Was manchmal so scheint, bedeutet nicht, dass es immer so ist. Wir sind alle Menschen, in die man nicht hineingucken kann. Ich halte pauschale Vorurteile für unfair und nicht korrekt. Man muss Vertrauen haben in denjenigen, den man einzustellen bereit ist und ihm eine Chance geben. Trotzdem will ich nicht jeden einstellen. Manchmal passt es fachlich nicht oder es sprechen offensichtliche, persönliche Gründe dagegen. Aber wenn ich mich um jemanden bemühe, dann muss ich einen Vertrauensvorschuss liefern. In der Erwartungshaltung, dass das eine gegenseitige Geschichte ist.

Wie oft sind Sie schon enttäuscht worden?
Wenn man die eine Hand ausstreckt, um zu geben und erwartet, dass man dafür etwas in die andere Hand bekommt, dann erlebt man auch Enttäuschungen. Das ist klar. Aber die Anzahl derer ist im Verhältnis zu meinen positiven Erfahrungen bei weitem geringer. Sonst würde ich meinen Job nicht schon länger als 14 Jahre machen können.

Werben Sie gezielt um Mitarbeiter mit geringen Qualifikationen?

Ja, natürlich. Aktuell haben wir in Mannheim ein größeres Projekt. Bis zum Jahresende wollen wir mehrere hundert Mitarbeiter rekrutieren. Die müssen im Grunde nur Deutsch lesen und schreiben können. Viel wichtiger sind persönliche Eigenschaften: der Grundarbeitswille, die Motivation, sich einzusetzen und nicht nur Dienst nach Vorschrift zu machen sowie Flexibilität bei der Arbeitszeit, denn das Unternehmen fährt zwei Schichten. Es geht um einfache Arbeiten in der Kommissionierung. Dafür wird übertarifliche Bezahlung geboten, die Chance auf Übernahme und echte Möglichkeiten zum Weiterkommen.

Wie suchen Sie diese Mitarbeiter?
In enger Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter. Alle 14 Tage laden wir zu Vorstellungsrunden in den Räumen der Agentur für Arbeit ein. Wohlgemerkt: Wir stellen uns, den Kunden und die Einsatzmöglichkeiten vor. Die Leute kommen freiwillig, es gibt also keine Rechtsfolgen, wenn sie ablehnen. Meine Kollegen und ich erläutern unsere Leistungen und Weiterbildungsangebote, beispielsweise die Qualifizierung zum Staplerfahrer. Darüber hinaus  schalten wir Online-Anzeigen, setzen auf Mund-zu-Mund-Propaganda bei unseren Kollegen im Kundeneinsatz und haben ein Empfehlungsprogramm. Wenn uns ein Kollege einen Kandidaten weiterempfiehlt und wir ihn daraufhin als neuen Mitarbeiter einstellen, bekommt er eine Prämie.

Wie viele Menschen kommen zu den Vorstellungsrunden, und wie hoch ist Anteil derer, die sich anschließend bewerben?
Von der Agentur werden uns rund 60 Personen je Vorstellungsrunde genannt. Ungefähr die Hälfte folgt unserer Einladung. Zu den anschließenden Einzelgesprächen kommen dann immerhin noch etwa 20 bis 25 Kandidaten.

Das sind dann die wirklich Motivierten?

Ja. Auch, weil die Parameter des Angebots gut sind.

Wie sieht es aus, wenn die Konditionen schlechter sind?

Nicht wesentlich anders. Wir sind für unsere gute Betreuung bekannt. Und bei uns kann man kurzfristig in einen Job kommen.

Sprechen wir über Mitarbeiterbindung. Ist bei dieser Klientel auch gezieltes Handeln erforderlich?
Oh ja. Gerade hier sind Bindungsmaßnahmen höchst willkommen. Wir sind regelmäßig am Einsatzort, besichtigen den Arbeitsplatz, sprechen mit den Mitarbeitern und machen zwischendurch auch mal Aktionen, zu Fasching beispielsweise.

Auch bei den einfacheren Jobs?
Oftmals freut sich der Packer mehr darüber als der Kaufmann. Wenn ich da mit einer Tüte Gebäck ankomme, dann wird das als Zeichen der Wertschätzung verstanden. Und so ist es ja auch gemeint.

Wertschätzung fängt damit an, dass ich mich für meinen Mitarbeiter interessiere. Wie geht’s Ihnen? Wie läuft es? Und ich höre zu.

Was tun Sie noch für die Mitarbeiterbindung?
Weiterbildung ist für jeden ein Thema. Jeder möchte weiterkommen. Aber manche Menschen mit geringer Qualifikation und Schorf auf der Vita haben das Problem, das sie aufgrund ihres Lebenslaufs gar nicht die Mittel haben, etwas für sich zu tun. Wenn wir dann kommen und sagen, wir übernehmen die Kosten, damit sie mehr Geld verdienen können, dann ist das gerade bei den Geringqualifizierten ein Thema. Im vergangenen Jahr haben wir mehr als 5.000 Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt. Natürlich gibt es auch Leute, die darauf keinen Bock haben.

Was bestätigt Sie darin, zu glauben, dass Ihr Weg der richtige ist?
Wahre Geschichten wie diese: Da ist ein 22-Jähriger, schlechtes Hauptschulzeugnis, seit Jahren nur herumgeeiert von einem Job in den nächsten, kein Elternhaus, keine sozialen Bindungen. An den habe ich geglaubt, ich habe Potenzial in ihm gesehen. Ich wollte, dass er aus dieser Misere herauskommt: Im Januar ist er bei uns eingestiegen, Ende Juni wieder ausgestiegen, weil der Vertrag mit dem Kunden auslief. Aber am 1. September hat er in just diesem Unternehmen als Auszubildender anfangen. Er hat sich super dargestellt, seine Chance erkannt und ergriffen, gute Leistungen erbracht und zuverlässig gearbeitet. Ist das nicht klasse?

Das Interview führte Christine Demmer.

Welche Erfahrungen haben Sie bei Recruiting und Retention von Geringqualifizierten und Mitarbeitern mit unattraktiven Jobs gemacht? Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.