Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

KI im Recruiting – bisher nur Spurenelemente vorhanden

Mann in Businesskleidung hält gläsernen Kopf in der Hand, der KI symbolisiert
Dass die Personalauswahl gänzlich KI überlassen werden könnte, ist bisher nicht absehbar und wird von Recruitern auch mit Skepsis betrachtet.
Foto: © vegefox.com/StockAdobe

Für Recruiter ist es nicht einfach, zum Thema KI den Überblick zu behalten. Professor Wolfgang Jäger, Hochschullehrer am Fachbereich Design, Informatik und Medien an der Hochschule RheinMain sowie Gründer und Sprecher der Jobbörse JobStairs, und Ingolf Teetz, Vorstand der Milch & Zucker AG, stellen in ihrem DGFP-Beitrag „Der ganz große Ansatz ist noch nicht in Sicht“ zunächst klar, dass Digitalisierung nicht mit KI gleichzusetzen ist, was aber häufig geschehe. Um von „echter“ (selbstlernender) KI sprechen zu können, so die Autoren, brauche es Millionen von Daten, damit die Maschinen lernen können. Gerade im Recruiting sei die Anzahl der Datensätze jedoch oft viel zu gering, um solche Ansätze verfolgen zu können. Vielmehr könne man bisher eher von „Spurenelementen“ Künstlicher Intelligenz (KI) im Recruiting sprechen.

KI-Ansätze bereits in allen Phasen des Bewerbungsprozesses

Ansätze von KI fänden sich im bei Bewerbungen mittlerweile in fast allen Prozessschritten sowie im Personalmarketing, so die Forscher. So würden etwa beim Data Driven Recruiting sogenannte lernende Softwaretools eingesetzt, die Kandidaten im Netz aufspüren und ansprechen können. Die Chatbots, auf die Bewerber dann bisweilen treffen, um mit potenziellen Arbeitgebern zu kommunizieren, seien jedoch lediglich „künstlich“, aber in den meisten Fällen keine KI. Erst in der nächsten Entwicklungsstufe werde es intelligente Chatbots geben. Derzeit sind die ersten im Rahmen des Projekts „CATS“ (Chatbots in Applicant Tracking System) in der Erprobungsphase. Für Berufsgruppen, zu denen genug Daten vorhanden sind, wird es künftig laut den Autoren künstlich gesteuerte Auskünfte und Befragungen in einer „menschlichen“ Tiefe geben. Die Bewerbung selbst erfolge zwar immer häufiger digital und moderne Bewerbermanagementsysteme organisieren die Vorauswahl elektronisch sowie mittels Matching-Technologien, die jedoch mehrheitlich lediglich regelbasiert seien, aber keine KI enthalten. Recruiter akzeptierten diese Vorselektion problemlos, so die Autoren, solange es sich um Entscheidungen handle, die sie früher nach „Papierform“ getroffen hätten.

Künstliche Intelligenz in der Diagnostik – hier befürchten Recruiter Konkurrenz

Im nächsten Schritt, bei der Personalauswahl, werden bereits KI-Anwendungen genutzt, die die Persönlichkeit des Bewerbers mittels Sprach- oder Gesichtserkennung auf der Basis von KI-Aussagen untersuchen. Die Autoren haben festgestellt, dass Recruiter die Qualität und Gültigkeit der von der Maschine getroffenen Aussagen jedoch anzweifeln. Auch sähen sie die Einschätzung der Maschine hier als Konkurrenz zu ihrer und befürchteten, dass irgendwann ihre eigene Wertigkeit infrage gestellt werden könnte. Tatsächlich können diese KI-Anwendungen nach Ansicht der Forscher den Wahrheitsgehalt von Bewerberaussagen schon heute recht gut bewerten. Es sei jedoch wünschenswert, die Akzeptanz beim Bewerber genauer zu untersuchen. Bei der Auswertung von Daten zu Diagnosezwecken könnten KI und lernende Algorithmen ebenfalls ergänzend eingesetzt werden. Das habe schon jetzt mit sehr viel Statistik zu tun und von hier bis zu selbstlernenden Algorithmen zu gelangen, sei es kein sehr großer Sprung mehr.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass KI Einzug halten wird in den Recruitingprozess, wenn auch nicht sofort in der absoluten Königsdisziplin: Eine „Maschine“ sucht und findet „alleine, selbstständig und gut“ den richtigen Mitarbeiter,

so Jäger und Teetz. Nach derzeitigem Forschungsstand müsse und könne es momentan noch nicht immer der ganz große Ansatz sein, nämlich Einstellungsvorhersagen (Bewerber) oder Einstellungsempfehlungen (Recruiter) KI-basiert zu generieren. Unternehmen sollten sich vielmehr darauf konzentrieren, lästige Routinearbeiten im Recruiting „intelligent“ erledigen zu lassen. Ein Mehrwert bestehe bereits darin, einen intelligenten Chatbot zur Kommunikation einzusetzen, der Recruiter bei folgenden Aufgaben unterstützt: Texten, Übersetzen und Ausspielen von Stellenanzeigen, Abgleich von geforderten und gebotenen Skills, Auswertung von Onlinetests als Ergänzung und Überprüfung der Skillauswertung sowie die Vereinbarung eines ersten Interviews. Dabei helfe auch die Maßgabe, nicht nach den „Richtigen“ zu suchen, sondern die „Falschen“ auszusortieren.

Der vollständige Bericht, der auch Ergebnisse verschiedener Studien enthält, ist > hier einsehbar.

Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.