Während sich die Digitalisierung mit enormer Geschwindigkeit fortzieht und ITler händeringend gesucht werden, versuchen einige Menschen verzweifelt einen Fuß in der Arbeitswelt zu fassen. Könnten individualisierte Intensivtrainings für benachteiligte Menschen die Lösung sein? Ein Praxisbeispiel.
Wenige sind wohl in der Arbeitswelt derzeit so gefragt wie ITler – was es nicht nur schwer macht, sie zu finden, sondern auch für das eigene Unternehmen zu rekrutieren. Dazu kommt in zahlreichen Unternehmen ein – zumindest theoretischer – Wunsch nach Diversität, denn diese ist nicht nur gut für den Ruf eines Unternehmens, sondern verhilft dem Betrieb in vielen Fällen auch zu mehr Erfolg. Mit diesen beiden Voraussetzungen im Hinterkopf haben der Weiterbildungsanbieter AW Academy und das IT-Beratungsunternehmen Capgemini ein Intensivprogramm für Quereinsteiger entwickelt. Dabei wurden innerhalb von zwölf Wochen Menschen, die es sonst schwer haben, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ausgebildet. Migrantinnen und Migranten, Senioren, Mütter nach einer langen Auszeit sowie Menschen mit körperlichen Einschränkungen, fehlenden Qualifikationen und Erfahrungen wurden zu sogenannten DevOps Engineers geschult. Dabei handelt es sich um die Kurzform für Developer und Operations. Sie sorgen dafür, dass eine erstellte Software schnell in Betrieb geht und am Laufen bleibt.
„Bei all der Diversität hatten die Ausgewählten eines gemeinsam: Sie wollten dieses Programm unbedingt schaffen.“
Hoher Bedarf an diversen DevOps
Aber erst einmal von vorne: Capgemini hatte es sich zum Ziel gesetzt, mehr Diversität im eigenen Unternehmen zu schaffen und benötigte gleichzeitig DevOps. „DevOps sind bei allen unseren Kunden ein notwendiger Teil der Digitalen Transformation“, sagt Frank Jacobsen, Leiter Individualentwicklung bei Capgemini. Auf die Bedürfnisse von Capgemini abgestimmt entwickelten Mitarbeiter der AW Academy nun ein Intensivtraining für die genannten Gruppen. Voraussetzungen waren lediglich, dass die Bewerber volljährig sind und die deutsche Sprache auf dem Stand B2 (gehobenes Sprachniveau) beherrschen.
Auf 17 ausgeschriebene Stellen bewarben sich nach Unternehmensangaben mehr als tausend Menschen. „Bei all der Diversität hatten die Ausgewählten eines gemeinsam: Sie wollten dieses Programm unbedingt schaffen“, sagt Jacobsen. Und trotzdem war es „eine riesige Herausforderung“ – wie DevOps-Trainer Johannes Hirschmugl die Ausbildung beschreibt. „Alle Teilnehmer mit all ihrer Unterschiedlichkeit immer dabei zu halten und gleichzeitig das Maximum an Lerngeschwindigkeit herauszuholen, war schwierig“, so der Trainer weiter. Jacobsen pflichtet bei: „Es war ein aufwendiger Prozess.“ Doch dieser war laut der Capgemini-Führungskraft nötig. „Die Alternative wäre es, diese Leute nicht als Arbeitskräfte zu haben. Wir können es uns nicht mehr erlauben, nur auf Masterstudenten zu schauen, die will jeder im War for Talents haben.“ Dementsprechend sind ITler mit einem traditionellen Abschluss nicht nur rar, sondern auch teuer.
„Jedes Unternehmen muss einen Multichannel-Ansatz beim Recruiting fahren.“
Niedrigschwellige Angebote werden immer wichtiger
Deshalb ist der AW Academy Geschäftsführer von Deutschland Philipp Leipold überzeugt: „Jedes Unternehmen muss einen Multichannel-Ansatz beim Recruiting fahren.“ Dafür seien allerdings niedrigschwellige Angebote für die Menschen notwendig, die ohne eine entsprechende Ausbildung von den meisten Arbeitgebern nicht als hilfreiche Arbeitskräfte angesehen werden. Auch für bereits Angestellte sollte es seiner Meinung nach diese Art von Weiterbildung geben. Denn die Digitalisierung gehe gerade auch durch Corona mit einer Geschwindigkeit voran, die die meisten Unternehmen in IT-Betriebe verwandelt, obwohl sie eigentlich Produkte wie Autos herstellen.
Diese Dringlichkeit in der Ausbildung hat auch Jacobsen gesehen. „Zu Beginn der Corona-Pandemie haben wir alle Rekrutierungsmaßnahmen gestoppt, nur nicht bei den DevOps“, sagt er. Dabei waren die Beteiligten während des Intensivtrainings nicht nur von den teils berührenden Lebensgeschichten der Teilnehmer gefesselt, sondern auch von deren Entwicklung. „Hollywood ist ein Dreck gegen die Geschichten der neuen DevOps“, so Leipold. Sein Unternehmen plant bereits das zweite Intensivtraining für Capgemini.