Ist das digitale Recruiting ein Schreckgespenst oder macht es vielleicht doch das Arbeiten leichter und effizienter? Christoph Athanas, Geschäftsführer der meta HR Unternehmensberatung und Miterfinder der HR BarCamps, wirft einen Blick auf die Titelstory der Personalwirtschaft 07/2018.
Kennen Sie Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer von der Augsburger Puppenkiste? Bestimmt. Dann werden Sie sich vielleicht an eine besonders interessante Figur aus diesem Kosmos erinnern: Herr Tur Tur, der Scheinriese. Aus der Ferne wirkt er groß und bedrohlich. Je näher man ihm aber kommt, desto normaler und ungefährlicher wird er.
Was hat dies nun mit Recruiting im Allgemeinen oder kommenden Juli-Ausgabe der Personalwirtschaft im Besonderen zu tun? Ich werde für Aufklärung sorgen. Doch erstmal möchte ich den Ball… äh… blödes Thema aktuell nach den Ereignissen von Kasan. Sagen wir also besser ich möchte die Kugel über Bande erstmal woanders hin spielen… Meine Kugel rollt hiermit nun zum Titel des frischen, neuen Juli-Heft der Personalwirtschaft. Diese macht mit dem Titel auf „Recruiting im digitalen Wandel: Denn sie wissen nicht, was sie tun könnten“.
Das Thema ist deshalb zurecht auf dem Titel, weil es die Recruiting-Community laufend beschäftigt und dabei oft viel Unklarheit herrscht wie weit denn das Digitale schon im Recruiting in Deutschland angekommen ist. Was ist also mit all den Roboter-Recruitern, den Chatbots und den cleveren Algorithmen? Diese Begriffe klingen gleichermaßen nach Verheißung oder nach Angstraum – je nach Blickwinkel. Was davon schon umgesetzt wird hat eine neue Studie „Recruiting-Strategien 2018“ versucht greifbar zu machen. Die Personalwirtschaft hat die Untersuchung, welche bis Mai dieses Jahres lief, selber mit initiiert.
Im Recruiting hat der menschliche Akteur weiter Zukunft
Die gute Nachricht vorneweg: Die befragten Recruiter/innen haben in der ganz großen Mehrheit keine Angst vor der digitalen Zukunft. Den Faktor Mensch im Recruiting werden digitale Technologien auch in Zukunft nicht ersetzen, lautet die These, welcher fast ausschließlich zugestimmt wurde. Na also, geht doch mit dem Selbstbewusstsein im HR!
Und da haben wir auch die erste Spur von Herrn Tur Tur, dem Scheinriesen. Die im Big Picture oft so skeptisch beurteilte, jobkillende Digitalisierung entpuppt sich im Nahbereich der Recruiter offenbar als wenig bedrohlich. Aber was bringt es sonst?
Immerhin wird von Recruiter-Seite ganz überwiegend erwartet, dass sich Bewerbungsprozesse mit digitalen Mitteln beschleunigen und Bewerbervorauswahl-Vorgänge verbessert werden. Ebenso ist die Erwartung hoch, dass sich die Recruiter-Rolle durch die Digitalisierung verändern wird. Der Scheinriese hat wohl bei direktem Kontakt dann doch Impact.
Übrigens: Genau hierzu, also zu aktuellen und zukünftigen Rollen der Recruiter, läuft aktuell eine weitere Untersuchung, die Recruiter Experience Studie, die ich Sie hiermit bitte bis 09.07. zu unterstützen (hier geht´s zur Befragung). Die Ergebnisse hierzu gibt es im Herbst in der Personalwirtschaft.
Mobile Bewerbung, SEO-Optimierung und lange nichts
Direkt gefragt nach den digitalen Recruiting-Anwendungen welche bereits im Einsatz sind, wird schnell klar, dass da nicht die supersmarten KI-Tools dominieren, sondern eher digitale Basisarbeit gemacht wird: Mobile Bewerbungsmöglichkeiten sind weit verbreitet und in irgendeiner Form SEO-optimierte Stellenanzeigen. Das ist nicht gerade high-end-digital aber immerhin praktisch.
Demgegenüber werden datenbasierte Tools zur Talentsuche oder Matchingtechnologien von mehr als zwei Dritteln der Unternehmen weder eingesetzt, noch ist zeitnah ein entsprechender Einsatz geplant. Hier ist unser digitaler Herr Tur Tur entweder noch ein Echtriese oder aber, was wahrscheinlicher ist, sind handfeste Hindernisse in den Unternehmen vorhanden.
Wie passend, dass solche Hinderungsgründe auch gleich von der Studie thematisiert wurden. Am stärksten nicht-digitalisierend wirken demnach ein fehlendes Budget, gefolgt von kulturellen Hindernissen und mit Abstand dann mangelndes Fachwissen bzw. fehlende Nutzenargumentation. Da geht noch was…
Der menschliche Recruiter bleibt wichtig, doch seine Rolle wird sich verändern
Die Digitalisierung im Recruiting ist unterwegs. Keine Frage. Noch ist sie mit ihren Möglichkeiten und Wirkungen den Handelnden in guten Teilen unklar. Fehlendes Wissen und noch mehr fehlende praktische Begegnungen mit den technologischen Möglichkeiten lassen den Scheinriesen bedrohlich wirken.
Dort aber, wo die Recruiter aktiv in Berührung kommen, werden digitale Tools und Co. nach und nach das Recruiting besser machen können. Der Mensch wird dabei wichtig bleiben, auch wenn er seine Rollen anpassen und ändern muss.
Doch klar wird: Digitalisierung im Recruiting ist ein wenig wie Herr Tur Tur. Erst ein eher bedrohlicher Scheinriese, bei Annährung aber eigentlich ganz ok. Im literarischen Original von Michael Ende ist Herr Tur Tur übrigens zwar auch erstmal erschreckend, zeigt sich dann aber als ausgesprochen netter und hilfsbereiter Kerl, der den beiden Helden Jim Knopf und Lukas sehr von Nutzen ist. Insofern ist Herr Tur Tur vielleicht wirklich eine sehr passende Analogie zum Digital Recuiting.
Und was lernen wir daraus: Michael Ende hatte die Digitalisierung des Recruitings verstanden bevor sie überhaupt angefangen hatte – oder nicht?
Viel Freude beim Rekrutieren, ob digital oder analog und mit der neuen Ausgabe der Personalwirtschaft.
+++ Weiterlesen zum Thema Recruiter im digitalen Wandel:
› Interview mit Studienbegleiter Wolfgang Jäger zum digitalen Recruiting: „Es fehlt noch an Wissen“
› Die Ausgabe 07/2018 bestellen
+++
Die Studie „Recruiting-Strategien 2018“ wird im August
veröffentlicht. Wenn Sie uns › eine E-Mail schreiben, senden wir Ihnen die Zusammenfassung gerne per E-Mail zu.
(Hinweis: mit dem
Versand der E-Mail an uns erklären Sie sich mit unserer
› Datenschutzerklärung und der zu dem hier beschriebenen Zwecke der
Datenverarbeitung einverstanden.)