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So treffen Sie bessere Personalentscheidungen

Frage an die HR-Werkstatt: Wie kann HR weniger Fehlentscheidungen bei Neueinstellungen treffen?
Es antwortet: Dr. Ryne A. Sherman, Chief Science Officer bei Hogan Assessments

„Wir haben diese Person der Fähigkeiten wegen eingestellt und der Persönlichkeit wegen gefeuert.“ Ist Ihnen so eine Aussage schon mal begegnet? Ein Klassiker, den man bei Gesprächen über Personalentscheidungen immer wieder hört. Die meisten Arbeitgeber weltweit nutzen bei der Auswahl von Mitarbeitenden ein zweistufiges Verfahren, das einen Lebenslauf und ein Bewerbungsgespräch umfasst. Das Problem dabei ist, dass die Übereinstimmung zwischen Lebenslauf und tatsächlicher Arbeitsleistung potenzieller Bewerber und Bewerberinnen für gewöhnlich sehr gering ist. Ebenso hat ein gut strukturiertes Bewerbungsgespräch nur eine geringe Korrelation mit der erwarteten Effektivität potenzieller Kandidaten und Kandidatinnen.

Gibt es einen Ausweg aus dieser unglücklichen Situation? Aus einer Analyse der von Personalabteilungen während des Auswahlverfahrens gemachten häufigsten Fehler, lassen sich Tipps ableiten.

Wie sich die Klon-Falle vermeiden lässt

Auf der Suche nach Ersatz für ein geschätztes Team-Mitglied kämpfen Personaler häufig mit einer nahezu unwiderstehlichen Versuchung: jemand auszuwählen, der oder die der ausgeschiedenen Person möglichst ähnlich ist. Doch mit der Suche nach einer exakten Kopie ausgeschiedener Mitarbeitenden begrenzen Arbeitgeber nicht nur das Potenzial ihres Teams, sondern ihres gesamten Unternehmens, denn sie verhindern die Chance auf Neuerungen.

Um der Klon-Falle zu entgehen, sollten Personaler als Erstes die Eigenschaften analysieren, die Bewerber brauchen, um die Rolle auf hohem Niveau auszuführen. Als Nächstes sollten sie diese Liste auf eine Auswahl von drei unverzichtbaren Merkmalen und mehreren nützlichen zusätzlichen Eigenschaften eingrenzen. Indem sie ihre Auswahlentscheidungen darauf gründen, wer die größte Zahl notwendiger Eigenschaften aufweist, um die Rolle erfolgreich auszufüllen, können Unternehmen der Klon-Falle ausweichen.

Der Charme der „Superstars“ widerstehen

Der Superstar-Effekt ist ein der Intuition zuwiderlaufendes Phänomen. Man sollte annehmen, dass die Ergänzung des Teams um ein besonders leistungsstarkes Mitglied alle anderen dazu anspornen würde, von diesem zu lernen, sich der Herausforderung zu stellen und sich genauso sehr anzustrengen. Klingt ideal, oder? Doch wenn die Kluft bei den Fertigkeiten zu groß ist, können sich andere ängstlich, eingeschüchtert, minderwertig oder schlicht unzureichend fühlen. Der Superstar-Effekt kann daher Unsicherheiten aufseiten der Mitarbeitenden zum Vorschein bringen. Und das kann dann dazu führen, dass sie nach anderen Möglichkeiten suchen, um voranzukommen, oder gar nach einem neuen Arbeitsplatz.

Es gibt jedoch einen Generalschlüssel für dieses Rätsel, das Personaler oder einstellende Manager lösen müssen, um die negativen Auswirkungen, die ein Superstar auf das Team haben kann, auszugleichen: den Wettbewerb zu definieren. Besonders wettbewerbsorientierte Mitglieder des Teams wollen mit allen konkurrieren, aber diese Neigung lässt sich nach außen lenken. Das schützt die Team-Mitglieder vor der Konkurrenz untereinander. Arbeitgeber sollten daher ihr Bestes tun, um das wettbewerbsbetonte Wesen der Superstars in eine neue Richtung zu lenken und auf etwas zu richten, von dem das Unternehmen als Ganzes und sein Ruf profitieren, ohne dabei die anderen Team-Mitglieder abzuschrecken oder vor den Kopf zu stoßen.

Ein konkretes und relativ aktuelles Beispiel für eine positive Ausrichtung eines Superstars findet sich in der Pandemie selbst. Den einen Superstar mit der Aufgabe zu betrauen, ein Team durch eine solche schwierige Situation zu führen, kann die Energie des Superstars erfolgreich in eine für die Organisation positive Richtung lenken. Ein derartiger Plan muss im Voraus aufgestellt werden; ansonsten ist es womöglich bereits zu spät, um gleich zu Beginn negative Auswirkungen auf das Team zu vermeiden, die diese Art von Persönlichkeit mit sich bringen kann. Oder es wird zumindest schwierig, das Team wieder auf Kurs zu bringen – hin zu einem positiven Ergebnis für alle Beteiligten.

Unverzichtbare Fähigkeiten, die jeder Personaler berücksichtigen sollte

Drei universelle Fähigkeiten sollten bei der Personalauswahl maßgeblich sein: soziale Kompetenz, Lernfähigkeit und Arbeitsethik. Auch wenn jeder Bewerber und jede Bewerberin eigene, unverwechselbare Stärken mitbringt, sind dies unverzichtbare Fertigkeiten, die unbedingt vorhanden sein sollten. Warum? Ganz einfach: Sich um Bewerber mit diesen Kompetenzen zu bemühen, stärkt nicht nur jedes Unternehmen, sondern schützt es auch davor, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit schwachen Problemlösungs-, Selbstorganisations- und zwischenmenschlichen Fähigkeiten einzustellen, die dann „Babysitter“ brauchen, Mikromanagement erfordern und Spannungen im Team hervorrufen.

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Ziehen Sie den gesamten Mitarbeiterzyklus in Betracht

Nur weil eine Neueinstellung gefunden wurde, kann sich das Team aus der Personalabteilung jetzt aber nicht zurücklehnen und selbst auf die Schulter klopfen. Unternehmen tun gut daran, den kompletten Mitarbeiterzyklus zu berücksichtigen. Dieser umfasst die Personalsuche, die Auswahl, die Weiterentwicklung und die Mitarbeiterbindung. Achten Sie bei der Mitarbeitersuche und -auswahl darauf, dass die potenziellen Neueinstellungen nicht nur gut zur jeweiligen Stelle passen, sondern auch zu Ihrer Unternehmenskultur und zum Arbeitsumfeld insgesamt.

Nachdem die neuen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Stelle angetreten haben, ergreifen Sie Schritte, um ihre berufliche Weiterentwicklung zu fördern und dafür zu sorgen, dass sie engagiert bleiben. Aber übersehen Sie nicht die Durchschnittsmitarbeitenden, die das Rückgrat Ihres Unternehmens bilden. Und dies ist vielleicht der schwierigste Teil: die Kommunikation mit dieser besonderen Gruppe so transparent und offen wie möglich zu halten. Tatsächlich kann man sagen, dass dies sogar über das HR-Team als solches hinausgeht: Auch die direkten Vorgesetzten sollten einbezogen werden, und es sollten Kommunikationsräume geschaffen werden, um ein effektives Feedbacksystem zu gewährleisten, damit die HR-Abteilung immer den Überblick behält.

Nur wenn all diese Kriterien erfüllt und beachtet werden, können sich Personalabteilungen auf funktionierende Teams freuen, in dem die neuen Mitglieder der Belegschaft mit größerer Wahrscheinlichkeit bleiben – was verhindert, dass das HR-Team das komplette Verfahren von vorne beginnen muss.

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