Seit nunmehr 105 Jahren gehen Frauen für ihr Wahlrecht auf die Straße. Erst für das politische („Heraus mit dem Frauenwahlrecht!“, Clara Zetkin, 1911), später für das körperliche („Mein Bauch gehört mir!“, 374 Frauen im „Stern“, 1971) und heute für das Recht, nach der selbstbestimmten Entscheidung für eine Spitzenposition in der Wirtschaft und entsprechend beinharter Ausbildung auch ernsthaft dafür in Betracht gezogen zu werden. Immerhin: Wählen dürfen wir, abtreiben auch – bleibt die Karriere, und darauf bestehen wir jetzt aber wirklich.
Die Jungs bleiben die Bestimmer im Vorstand
Ganz schlecht sieht es ja auch nicht aus. Dank unentwegten Gemurres und Gezeters – was die britische Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst vor gut hundert Jahren noch wiederholt ins Gefängnis und kürzlich ins Kino brachte – wurde im letzten Jahr eine Frauenquote für Bestimmerpositionen zum Gesetz erklärt. Für Aufsichtsräte, also präzise: für Bestimmerbeaufsichtigungspositionen. Eine Lex Vorstand gibt es noch nicht. Darüber können sich die Jungs erst noch Gedanken machen: ein freundlicher, ein sehr weiblicher Zug unserer Frauenministerin. Wenn sie sich in Ruhe überlegt haben, wo und wie man fähige Frauen findet und bindet (ha – das wird noch was!), werden die Neuankömmlinginnen nach der beliebten Trickle-down-Theorie schon peu à peu die Zahl der weiblichen Führungskräfte nach oben hieven.
Natürlich kann das Gesetz auch dem drohenden Rückgang der Population männlicher Anwärter geschuldet sein; aber wer wird schon so kleingeistig denken. Die Hauptsache ist doch, dass Frauen in naher Zukunft mitentscheiden dürfen, welche Strategie beerdigt und welche gefahren wird, wo wir Geld verdienen und wo wir unsere Steuern bezahlen wollen, mit welchen Leuten wir uns umgeben und von welchen wir uns einvernehmlich trennen möchten.
In einer fernen Zeit…
Stand heute, werden wir in lächerlichen zwei, drei Generationen über Themen wie Frauenförderung, Diversity, Equal Pay, Netzwerke und Mentorship nur noch herzlich lachen. Allenfalls Historiker werden unsere Nachkommen hin und wieder daran erinnern, dass der Begriff der „gläsernen Decke“ im Amerika der frühen 1950er Jahre erfunden wurde und dass dieselbe bis zum Ende des 21. Jahrhunderts stabil gehalten hat. Kunststück, pfft. Wurde ja auch von Männern erfunden.
Apropos: Nicht nur Ökonomen haben den Hang, Theorien auf Annahmen aufzubauen, die wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Wenn wir uns kurz mal in die Realität vertiefen, dann sehen wir, dass sich mehr als drei von vier hoffnungsvollen Jungmanagerinnen bereits wenige Jahre nach dem Start wieder aus dem Rattenrennen verabschieden. Spätestens mit Mitte, Ende Dreißig führen sie entweder ihre eigenen Geschäfte, wischen zärtlich die von Hilfsbedürftigen weg oder stabilisieren als schlecht bezahlte und darum hochgelobte Teilzeitkräfte das System. Nur wenige Kämpfernaturen schlagen sich bis auf den Gipfel der Macht durch und lassen empathische Bücher schreiben, wie sie es geschafft haben und trotzdem ganz Frau geblieben sind.
Ach ja, Mädels. Träumt weiter! Aber vergesst bloß nicht, weiter zu murren und zu zetern. Darauf bestehe ich jetzt wirklich.
Autorin:
Christine Demmer, freie Journalistin
Lesen Sie zum Thema auch unser Fazit zu einem Jahr Frauenquote: > Gut Ding will Weile haben.