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Wie erkenne ich einen Top-Entwickler am Lebenslauf?

Bild: © Julien Eichinger/Fotolia.de
Bild: © Julien Eichinger/Fotolia.de

Der Lebenslauf ist traditionell der Eckpfeiler des Bewerbungsprozesses. Doch bei technischen Berufen gelangt er an seine Grenzen: Zwar enthält er die grundlegenden Informationen, die man für Einstellungsgespräche benötigt, doch sagt er meistens nichts über die Soft Skills einer Person aus. Entwickler, Data Scientists und Account Manager mit technischem Hintergrund müssen ihre Programmiersprachen und Software kennen. Aber die wirklich exzellenten Kandidaten haben darüber hinaus noch gute zwischenmenschliche Fähigkeiten und beherrschen ausgebildete Soft-Skills.

Halten Sie Ausschau nach Persönlichkeit und persönlicher Ansprache

Vor ein paar Jahren hat Joel Spolsky, Mitgründer und CEO von Stack Overflow, gesagt, dass CVs und Anschreiben am nützlichsten sind, wenn man Kandidaten aussondern möchte. Das galt damals wie heute. Ein Recruiter wird keinen Erfolg haben, wenn er oder sie eine generische Rekrutierungs-Email an eine große Anzahl von Kandidaten sendet. Ebenso wird ein generisches Anschreiben, das von einem Kandidaten an mehrere Firmen gesendet wurde, nicht von Erfolg gekrönt sein. Als Recruiter muss man nach Beweisen suchen, dass der Kandidat seine Hausaufgaben gemacht hat und sich wirklich mit der Position und dem Unternehmen beschäftigt hat.

Zuerst sollte man in dem Anschreiben klar erkennen können, warum der Kandidat diese Stelle haben möchte. Interessiert er oder sie sich für Ihr Produkt, Ihre Dienstleistung und die Zusammenarbeit mit anderen Teammitgliedern? Oder hat es dem Kandidaten das Lösen des technischen Problems angetan? Ein guter Kandidat wird das mit einem konkreten Beispiel erklären können und sich darüber hinaus noch für das Unternehmen interessieren. Die Chancen stehen dann also gut, dass das Anschreiben von einem interessierten und engagierten Kandidaten stammt. Der zweite Teil des Anschreibens sollte erklären, warum genau dieser Entwickler eingestellt werden sollte. Wenn der Recruiter sieht, dass genau dieser Kandidat mit seinen Fähigkeiten im Team fehlt, sollte er auf jeden Fall einen genaueren Blick wert sein.

Prüfen Sie die Leidenschaft Ihrer Bewerber

Die Leidenschaft, die ein Entwickler für das Programmieren und Codes hat, ist seine größte Motivation und ein wertvolles Gut. Top-Tech- Kandidaten haben wahrscheinlich schon sehr jung mit dem Programmieren angefangen und interessieren sich quasi schon immer für Technik und Computer. Sie haben wahrscheinlich in den Ferien eher einen Programmierkurs absolviert oder sich mit neuen Programmiersprachen beschäftigt, anstatt einen Aushilfsjob in einer Bar oder einem Café anzunehmen. Es sind diese Freizeitaktivitäten, die am meisten über einen Programmierer und seine Leidenschaft aussagen.

Wenn Sie einen Programmierer finden, der Bücher wie „Die Struktur und Interpretation von Computerprogrammen“ in seiner Freizeit liest, ist man sehr wahrscheinlich an einem ziemlich guten Kandidaten dran. Ein weiterer Indikator kann sein, wenn sich der Entwickler mit einer Programmiersprache beschäftigt, die so neu ist, dass man sie als Arbeitgeber zwar noch nicht verlangt, aber schon auf dem Radar hat. Dies unterstreicht eine echte Leidenschaft für das Programmieren und beweist, dass es für den Kandidaten mehr als nur ein Job ist. Man sollte als HR-Manager jedoch eines bedenken: Leidenschaft drückt sich nicht unbedingt dadurch aus, dass man jede freie Minute an Codezeilen sitzt. Im Interview sollte der Funke überspringen, wenn der Kandidat von seinen Interessen, Hobbies und Zukunftsplänen spricht. Authentizität und echte Begeisterung sind hier gefragt.

Nun kann man sich fragen, wie man diese Leidenschaftlichkeit erkennt? Das geht am besten, indem man sich anschaut, wie der Kandidat mit seiner Arbeit umgeht, ob er sie teilt und beispielsweise auch mit anderen in seiner Freizeit an Coding-Projekten zusammenarbeitet. Es gibt im Web eine Vielzahl von Plattformen, wo sich HR-Profis diese Gemeinschaftsarbeit anschauen und in die Kandidatenbewertung miteinfließen lassen können. Dadurch lassen sich auch Themen für das Einstellungsgespräch finden. Gute Entwickler sind grundsätzlich Macher, so dass es sinnvoll ist, das Endergebnis ihrer Arbeit anzuschauen und zu testen, wann immer es möglich ist, anstatt es abstrakt auf einem Stück Papier zu lesen.

Stellen Sie keinen Kandidaten ein, der nur Schlagworte im Lebenslauf auflistet

Fragt man einen Recruiter nach dem idealen Kandidaten, bekommt man häufig folgende Antwort: Der Top-Bewerber erfüllt alle Anforderungen der Stellenbeschreibung und kennt die vom Unternehmen genutzten Technologien – vom Backend bis zum Frontend. Leider ist es extrem schwierig, solche Bewerber zu bekommen. Doch auch ein Kandidat, der mit einer der geforderten Programmiersprachen noch nicht so vertraut ist, kann ein idealer Mitarbeiter sein. Wenn ein Softwareentwickler seinen Job liebt und fundierte Kenntnisse in der Informatik hat, wird es ihn nicht viel Zeit kosten, sich mit einer neuen Sprache vertraut zu machen. Auch die Frage, wie der Kandidat arbeitet und ob er die Ergebnisse seiner Arbeit zeigt, sind viel wichtiger als die Programmiersprachen in seinem Lebenslauf. Klar, ein Entwickler, der von Beginn an über alle Fähigkeiten verfügt, kann direkt voll durchstarten und dem Team ideal helfen. Dennoch bleibt die wichtigste Fähigkeit für jeden (neuen) Mitarbeiter immer noch, Aufgaben fristgerecht fertigzustellen und flexibel zu sein. Es ist daher entscheidend bei Bewerbern zu prüfen, ob er oder sie in der Lage ist, ein Projekt von Anfang bis Ende zu denken und auszuführen. Genau hier liegt auch der Grund, weshalb Lebensläufe und Bewerbungsschreiben so schwierig sind: Diese Fähigkeit kann man auf dem Papier nur schwer beurteilen. Um einen Kandidaten und seine Fähigkeiten besser einschätzen zu können, ist eine persönliche Beurteilung um Längen besser.

Lesen Sie zwischen den Zeilen

Bei Lebensläufen von Entwicklern sollte daher auf zwei Dinge geachtet werden: Zum einen müssen die Fähigkeiten des Bewerbers zum Job passen, zum anderen sollte man sich jedoch auch die bisherigen Projekte des Bewerbers anschauen. So kann man verstehen, woher die Begeisterung für das Programmieren kommt. Wer Tech-Talente sucht, sollte daher noch weniger als bei Bewerbern für andere Stellen nur auf die entsprechenden Keywords in Lebenslauf und Anschreiben achten. Wenn man die besten Programmierer, Datenanalysten und Co. für das eigene Unternehmen gewinnen will, sind Hinweise für eine echte Leidenschaft für das Coden, ein persönliches Anschreiben, ein glaubhaftes Interesse an dem Unternehmen und eine Erfolgsbilanz über erfolgreich und termingerecht abgelieferte Projekte wichtiger.


Porträt von Stefan Schwarzgruber

Der Autor: Stefan Schwarzgruber, DACH-Country Manager, Stack Overflow, stefan@stackoverflow.com