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Wo wollen Menschen arbeiten?

Die demografische Lücke am deutschen Arbeitsmarkt wächst bis 2030 voraussichtlich auf fünf Millionen Menschen an. Die Bindung und Gewinnung von Humankapital ist daher für Unternehmen eine kontinuierlich wachsende Herausforderung. Der Beitrag stellt ein Modell vor, mit dem unternehmensbezogene Standortentscheidungen mit der Fachkräftegewinnung und -bindung verknüpft werden können. Er zeigt auf, wie eine aus dem Modell resultierende Gesamtbewertung helfen kann, unternehmensbezogene Standortentscheidungen im Wettbewerb um Arbeitskräfte zu optimieren.

Wie können Unternehmen optimierte Standortentscheidungen treffen?

Jedes Unternehmen unterliegt Veränderungsprozessen. Damit ändert sich regelmäßig auch der Bedarf an die Fläche – qualitativ wie quantitativ. Die Aufgabe, unternehmensbezogene Kernaktivitäten und Prozesse mit den geeigneten Flächen zu unterstützen, Flächenbedarfe zu managen und Standortentscheidungen vorzubereiten, obliegt dem Corporate Real Estate Management (CREM). Da nach den Personalkosten mit circa 40 bis 60 Prozent die immobilienbezogenen Kosten mit rund 20 Prozent der zweithöchste Kostenblock sind, spielen diese bei Standortentscheidungen eine maßgebliche Rolle. Bei der Unternehmensentwicklung gibt es in Bezug auf den Standort jedoch mindestens vier Aspekte, die aus Sicht von HR von entscheidender Bedeutung, jedoch nicht primärer Teil der Zielfunktion des CREM sind:

  • Die vorhandene Belegschaft zu halten,
  • ungebundene, in der Regel junge Arbeitskräfte zu gewinnen,
  • Arbeitskräfte von anderen Unternehmen abzuwerben, oder
  • Nichterwerbstätige in Unternehmungen einzugliedern.

Im Hinblick auf die drei letzten Punkte sind auch Arbeitskräfte aus anderen Städten und Regionen oder dem Ausland zunehmend wichtig. Viele herkömmliche Modelle greifen allerdings zu kurz, um die räumlichen Implikationen des Arbeitsmarktes auf Standortentscheidungen aufzudecken.

Neue Herausforderungen erfordern neue Ansätze

Der Gesamterfolg einer Standortentscheidung zeigt sich dann, wenn sich das Unternehmen der zukünftig angestrebten Mitarbeitenden gewiss sein kann und Flächen in der erforderlichen Qualität und Quantität an einem Ort zur Verfügung stehen, der im Gesamtpaket die bestmögliche Option unter Berücksichtigung der Mitarbeiterkosten und flächenbezogenen Kosten abbildet.

Es gibt zunehmend mehr standortbezogene Daten, die bestimmte Fragen singulär beantworten. Die gegenwärtige Beratungspraxis liefert jedoch noch keinen interdisziplinären und datenbezogenen Ansatz, der es einerseits vermag, die Komplexität aufzulösen, und mit dessen Hilfe zudem auf der anderen Seite unternehmensbezogene Standortentscheidungen mit der Fachkräftegewinnung und -bindung verknüpft werden können.

Es fehlt den Unternehmen mithin eine datenbasiert abgeleitete Gesamtbewertung zur Optimierung von Standortentscheidungen im Wettbewerb um Arbeitskräfte. Dabei stehen die dafür erforderlichen Daten als Grundlage für eine integrative Bewertung, die Wechselwirkungen und Synergieeffekte aufzeigt, bereits heute zur Verfügung.

Das Labourdesire-Modell

Mit dem nachfolgenden Labourdesire-Modell machen wir einen Vorschlag, die Themen miteinander zu verknüpfen. Hierfür bedient sich das Modell der Methodik bereits erprobter Bewertungsansätze (Bewertungsverfahren, Berechnungsprämissen, Indikatoren und Eingangsdaten) und setzt diese mit ihren finanziellen Effekten für das Unternehmen miteinander in Beziehung (siehe Abbildung).

(Klicken Sie für eine größere Version auf das Bild.)

Die Ausgangslage des Modells wird durch die Sicht von HR und CREM sowie die von Finance bestimmt. In jedem Teilbereich werden zunächst die singulären Auswirkungen erprobter Indikatoren für die Zielmaximierung bewertet (Einzel-Layer-Analyse). Die Mitarbeiterbindung ist hier regelmäßig der Startpunkt, da Standortveränderungen einen hohen Einfluss auf die Mitarbeiterfluktuation (etwa fünf bis 15 Prozent pro Jahr) haben. Im Zuge der Standortentwicklung geht es häufig auch darum, neue Mitarbeitende zu gewinnen.

Arbeitsmärkte und der Wettbewerb um Arbeitskräfte müssen deshalb so bewertet werden, dass am Standort eine kritische Masse potenzieller Arbeitnehmer zur Verfügung steht. Wenn beide Ebenen übereinandergelegt werden, können bereits aus Unternehmenssicht attraktive Räume identifiziert werden. Aus Perspektive der Arbeitnehmer wird zudem die Attraktivität des Ortes bewertet, da diese ein entscheidender Faktor bei einer stellenbezogenen Umzugsentscheidung ist. Unternehmensseitig wirken wesentlich die finanziellen Effekte, die durch HR-, die immobilien- und standortbezogenen Kosten hervorgerufen werden.

Parameter gewichten, um die Standortattraktivität zu ermitteln

Nach der Erhebung der Einzelindikatoren werden diese in eine Gesamtbewertung überführt. Um die alternativen Standortoptionen aus Unternehmensperspektive miteinander zu vergleichen, werden die Parameter zunächst hinsichtlich unternehmensrelevanter Zielgrößen, Kennzahlen und Standortfaktoren sowie unter Berücksichtigung unternehmenskultureller Anforderungen gewichtet. Anschließend werden sie in eine integrative Bewertungsmatrix eingespielt.

In dieser Bewertungsmatrix wird einerseits die Attraktivität des Standortes anhand qualitativer, weicher Faktoren analysiert und dargestellt. Zudem werden die ökonomisch messbaren Indikatoren der einzelnen Sichtweisen für einen Gesamtkostenvergleich möglicher Standorte in einen vollständigen Finanzplan zusammengeführt. Das Multi-Layer-Verfahren generiert so im Ergebnis zwei transparente Kennzahlen samt ihren Wechselwirkungen: eine Attraktivitätskennzahl sowie die finanziellen Effekte. Damit werden erstmalig singuläre Analysen aus den Bereichen HR, CREM sowie Finance in zwei Kennzahlen gebündelt. Diese ermöglichen Unternehmen damit die Entwicklung einer datenbasierte Strategie für ihre künftigen Standorte im Wettbewerb um Arbeitskräfte.

Vorteile im Wettbewerb

Unternehmen und Behörden bietet das Modell Transparenz über Zielkonflikte und Synergieeffekte bei Standortentwicklungen unter Berücksichtigung der Fachkräftegewinnung und -bindung. Es zeigt auf, wie eine Gesamtkostenbewertung erzielt werden kann, mit der Standortentscheidungen im Wettbewerb um Arbeitskräfte optimiert werden können. Die Methode ist auch für Kommunen wichtig: Kommunale Entscheider können aus dem Wissen unternehmensseitiger Gesamtbewertungen gezielt Entwicklungsstrategien für den Standort- und den Arbeitsmarkt ableiten, um im Wettbewerb um Unternehmen die eigene Attraktivität zu steigern.

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