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Zertifizierte Unternehmenskultur: Diese Kriterien entscheiden

Foto von Steffen Neefe
Steffen Neefe, Country Manager DACH, Top Employers Institute

Immer mehr Unternehmen erkennen in einer mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur einen wichtigen Hebel für den wirtschaftlichen Erfolg. Warum sie damit richtig liegen, erklärt Steffen Neefe, Country Manager DACH des Top Employers Institute.

Herr Neefe, wann zertifizieren Sie ein Unternehmen als herausragenden Arbeitgeber, als sogenannten Top Employer? 

Steffen Neefe: Im Kern unserer Zertifizierungsarbeit steht das Thema Mitarbeiterbedingungen. Dabei treibt uns der Anspruch an, den Faktor Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens deutlich stärker ins Bewusstsein zu rücken. Wenn man – egal, ob in Berlin, Zürich oder Wien – fragt, was den Unternehmen am wichtigsten ist, hört man zumeist die Antwort „der Kunde“. 

Aber heute wird die Kundenorientierung eigentlich schon als etwas Selbstverständliches betrachtet. Mitarbeiterorientiertes Handeln wird, nicht zuletzt dank der Generation der Millenials und der Generation Z, mittlerweile ähnlich stark gewichtet. Im Klartext: Ein Unternehmen ist dann ein Top Employer, wenn es diese beiden Themen – Kundenorientierung und Mitarbeiterbedingungen – erfolgreich ausbalanciert.

Ihr Institut ist mittlerweile in 115 Staaten aktiv. Kann man Mitarbeiterbedingungen überhaupt global einheitlich bewerten? 

Steffen Neefe: Nein, der Blick auf Mitarbeiterbedingungen variiert allein schon aus kulturellen Gründen. Unser Blick ist westeuropäisch geprägt. Das bedeutet: Weltweit können wir mit Unternehmen, die ein entsprechend westliches Verständnis von Mitarbeiterbedingungen haben, erfolgreich zusammenarbeiten.  

In der DACH-Region prüften Sie im vergangenen Jahr die Personalführung und -strategie von mehr als 210 Unternehmen. Wie viele davon konnten Sie als „Top Employers 2019“ auszeichnen?

Steffen Neefe: Unser Zertifizierungsprozess ist kein Selbstläufer. Er ist auf mindestens drei Jahre angelegt, in denen wir die Unternehmen mit Rat und Tat begleiten. In diesem Jahr konnten wir 188 Unternehmen als „Top Employers 2019“ auszeichnen. Sie erfüllten die hohen Anforderungen des Top Employers Institute an die Personalarbeit. Untersuchte Bereiche waren unter anderem die Führungskräfteentwicklung, Compensation & Benefits, Onboarding und Personalplanung. 

Können Sie die zentralen Punkte konkretisieren? 

Steffen Neefe: In unserem Zertifizierungsprozess stehen dieselben Dinge im Vordergrund, die auch für die Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung sind: Zum Beispiel Gehalt, Karriereaussichten, Unternehmenskultur. Zentrale Frage ist aber immer: Was tue ich als Arbeitgeber für meine Mitarbeiter, um sie persönlich weiter zu entwickeln? Und das ist nicht nur in rein fachlicher Richtung gemeint. Der Gedanke, jemanden permanent „persönlich“ zu entwickeln, ist gleichermaßen wichtig. Wer das als Unternehmen sicherstellt, ermöglicht es den Angestellten, ihre Komfortzone zu verlassen. Und das ist genau das, was gerade die jungen Talente wollen.

Wer im Unternehmen trägt dafür die Verantwortung?

Steffen Neefe: Aus unserer Sicht ist der HR-Bereich dafür verantwortlich, dass die Unternehmenskultur auf allen Ebenen, horizontal wie vertikal, verstanden und gelebt wird. Eine Vorbildfunktion fällt dabei den Führungskräften zu, die die Aussage „unsere Mitarbeiter sind uns wichtig“ jeden Tag von Neuem mit Leben füllen müssen. 

Und wie gehen Sie bei der Überprüfung vor? 

Steffen Neefe: Zunächst mit einem standardisierten Fragebogens mit 100 Fragen, die 600 Aspekte berücksichtigen. Er dient den Unternehmen als eine Art Selbstreflexion und uns als Basis für den weiteren Prüfprozess. Denn anhand verschiedener Unterlagen – von Prozessdokumenten über Strategiepapiere, Policies, Betriebsvereinbarungen oder Handbüchern  – überprüfen unsere Experten die Angaben des Unternehmens. Anschließend lassen wir unsere Methodologie und die Ergebnisse von einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testieren.

Ihr Institut gibt es bereits seit 1991. Seitdem hat sich die Arbeitswelt zum Teil radikal verändert. Wie gehen Sie mit diesem Wandel um?

Steffen Neefe: Auch für uns gilt das, was für die Unternehmen gilt, die wir zertifizieren: Wir müssen uns laufend dem Wandel stellen, unsere Zertifizierungsprozesse entsprechend überprüfen und anpassen. Denn nur wenn unsere Untersuchungsergebnisse stichhaltig sind, können wir den Unternehmen entsprechenden Mehrwert liefern. Sie sollten immer einen Teil zur Entwicklung eines Unternehmens beitragen. 

Ist dieser Gedanke denn auch bei den Unternehmen vorhanden? 

Steffen Neefe: Ja, denn immer stärker zeigt es sich, dass das Management in einer nachhaltig gelebten Unternehmenskultur eine wichtige Komponente für den wirtschaftlichen Erfolg sieht. Sie wissen heute, dass nicht nur Kunden und Dienstleister, sondern auch Mitarbeiter die Unternehmen bevorzugen, die eine gleichermaßen professionelle, konstruktive und leistungsorientierte wie auch freundliche und kooperative Kultur leben.

Inwiefern kann denn ein Unternehmen auch nach außen hin von der Zertifizierung profitieren? 

Steffen Neefe: Wichtig ist, dass das Unternehmen zunächst intern alle relevanten Multiplikatoren – Führungskräfte, Betriebsrat und andere Mitbestimmungsorgane – über den Wert der Zertifizierung aufklären. Hinsichtlich externer Kommunikation müssen dann die Zielgruppen genau definiert werden: Sollen Kunden, Dienstleister, Stakeholder und beziehungsweise oder Bewerber angesprochen werden? Viele Unternehmen nutzen mittlerweile unsere Zertifizierung aktiv für ihre Ausschreibungen. Sie machen dabei ganz deutlich, dass sie hohen Wert auf kontinuierlich gute Mitarbeiterbedingungen legen und wollen auch so herausragende Mitarbeiter von sich überzeugen.