War New Work noch vor ein paar Jahren eher ein Nischenthema, hat es sich allmählich zu einer Art Container-Begriff entwickelt. Alles, was sich gut anhört und Organisationen nützt, wird dort hineingeworfen und bei Bedarf wieder hervorgezogen.
Wenn New Work zu New Würg wird
Das Problem mit solchen Sammel-Containern ist jedoch: Irgendwann fangen sie an zu stinken. Dann hält man gerne Abstand. Auch New Work scheint langsam einen unangenehmen Duft zu verbreiten. Woran das liegt?
- Ursache 1: New Work wird zunehmend trivialisiert: Ob Homeoffice, Gratis-Kaffee oder Büromassage – jede halbwegs moderne Einzelmaßnahme erhält das Glitzerlabel „New Work“.
- Ursache 2: New Work wird immer mehr instrumentalisiert. Sie dient als schillerndes Einwickelpapier für unpopuläre Change-Maßnahmen. Sie fungiert als Feigenblatt, um die wahren Absichten des Unternehmens zu verschleiern, so etwa das Ziel, den Profit zu maximieren.
Beispiele dafür gibt es einige: Die Geschäftsführung möchte Mietfläche sparen. Also kreiert sie Open-Space-Büros und nennt das dann New Work. Das Management hat das Ziel, bezahlte Überstunden zu deckeln und versieht die dafür eingeführte Vertrauensarbeitszeit mit dem Etikett „New-Work-Maßnahme“.
Doch die wahre Intention kommt früher oder später ans Licht. Die Folgen davon sind fatal: New Work wird für Mitarbeitende zum New Würg. Jede neue Maßnahme wird gleichgesetzt mit noch mehr Arbeit und noch mehr Stress.
New Work hat Besseres verdient
Dabei steht die Idee von New Work für etwas ganz anderes: für Positives, für Inspirierendes. Sie steht für Praktiken in Organisationen, die das Ziel haben, das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden zu steigern.
Nach Carsten C. Schermuly, einem der führenden New-Work-Forscher in Deutschland, nehmen sich empowerte Menschen in ihrer Arbeitsrolle so wahr:
- Sie erleben sich als bedeutsam: Wer spürt, dass er zum Gesamterfolg des Unternehmens beiträgt, sieht Sinn in seiner täglichen Arbeit.
- Sie spüren ihre Kompetenz: Wer sich die Fähigkeiten zutraut, die für seine Arbeit notwendig sind, erlebt sich als selbstwirksam.
- Sie sind in der Lage, selbst zu bestimmen: Das heißt, sie können mitentscheiden, wie, wann und wo sie arbeiten.
- Sie haben Einfluss: Menschen mit hohem Einflusserleben sind überzeugt davon, dass sie etwas in ihrem Arbeitsumfeld bewirken können.
In zahlreichen Studien konnten die positiven Konsequenzen dieser Faktoren belegt werden. Sie können die Zufriedenheit, die Leistung und die Innovationsfreude der Mitarbeitenden steigern und Stress, Burn-out und Fluktuationsquoten reduzieren.
New-Work-Praktiken führen zwar nicht automatisch zu solchen Ergebnissen, reduzieren also nicht unmittelbar messbar Stress oder die Mitarbeiterfluktuation. Sie können jedoch das psychologische Empowerment stimulieren.
Neben individuellen Persönlichkeitsausprägungen der Mitarbeitenden vermindern oder verstärken auch Organisationsfaktoren wie zum Beispiel die Unternehmenskultur die Wirkung.
Wie New Work gelingt
Der tägliche Obstkorb oder ein Kicker im schicken Büro-Loft sind eher Deko als wirksame Maßnahmen. New Work mal eben punktuell, weil es gerade passt und hip ist, auf die Schnelle einzuführen, gelingt nicht. Sie scheitert, wenn es an den personellen und kulturellen Voraussetzungen dafür fehlt. Erst recht, wenn sie missbraucht wird zu ganz anderen Zwecken.
New Work braucht:
- Vorbereitete Mitarbeitende
- Vertrauen statt Kontrolle
- das passende Mindset, vor allem auf Führungsebene
- Führung und einen anständigen Umgang mit Führungskräften
- gute Kommunikation
- geregelte Freiheiten und Spielräume
- eine passende Unternehmenskultur
Mit jedem dieser Themen ließen sich Bücherregale füllen. Ein Buch, das all diese Gelingfaktoren kompakt zusammenfasst und noch dazu unterhaltsam aufzeigt, was passiert, wenn sie übersehen oder bewusst ignoriert werden, ist das neue Werk des mehrfach für seine Forschungsarbeit ausgezeichneten Professors für Wirtschaftspsychologie Prof. Dr. Carsten C. Schermuly.
Der Trainer und Organisationsberater wurde 2021 in die Gruppe der 40 führenden HR-Köpfe Deutschlands gewählt. In „New Work Dystopia“ macht Schermuly seinen Leser:innen mit der Geschichte des fiktiven Unternehmens „Kaltenberg“ erlebbar, warum New-Work-Projekte scheitern und wie es wesentlich besser geht.