Aus den Fehlern der anderen lernen, dieses Angebot möchte ich Personalentscheidern als erfahrener Personalberater, der seit nunmehr 20 Jahren seine Mandanten im Executive Search oder bei Management Audits berät, mit diesem Artikel machen. Manche Fehler oder besser Stolpersteine wiederholen sich immer wieder, andere sind erst in den letzten Monaten hinzugekommen.
Auf der Suche nach der „eierlegenden, fliegenden Wollmilchsau“
Bevor ein Personalberater mit der Suche nach einem Kandidaten beauftragt wird, machen sich beim Klienten Personalentscheider Gedanken zum Anforderungsprofil. Oftmals werden uns wahre Sammellisten an Anforderungen im Briefing vorgelegt. Erster Stolperstein ist allein die Anzahl der Mitwirkenden, neudeutsch Stakeholder, von denen sich jeder im Profil berücksichtigt wissen will. Hier sei nur an die vielen Köche und dem Brei erinnert. Zur Fokussierung ist eine unserer wichtigsten Fragen an unsere Klienten, anhand welcher Kriterien machen sie den Erfolg des zukünftigen Stelleninhabers in ein, drei und fünf Jahren fest. Diese Frage erzeugt oftmals Erstaunen, weil aus diesem Blickwinkel die Anforderungen nicht abgeleitet wurden. Die Frage hilft jedoch dem Klienten, sich auf das Wesentliche zu fokussieren.
Wer suchet, der findet – nicht immer!
Wer sucht, sollte auch wissen, was er sucht. Ein beliebter Fehler vieler Personaler ist es, mit internen Stellenbezeichnungen auf die Suche zu gehen. Entweder haben sie, bevor sie einen Personalberater beauftragen, Anzeigen ohne Erfolg selbst geschaltet oder wünschen sich, dass der Berater sich mit genau diesem internen Jobtitel auf die Suche macht. Mein Überzeugungsargument ist dann zum Beispiel bei Stepstone genau nach diesem Jobtitel zu suchen, mit dem Ergebnis „Null Treffer“. Damit konnte ich bisher jeden Klienten final überzeugen, mit marktgängigen Stellenbezeichnungen zu arbeiten.
Direktansprache – Königsweg oder Einbahnstraße?
Ich höre immer wieder von neuen Klienten, dass Mitbewerber ihnen in der Vergangenheit für die Kandidatensuche ausschließlich eine Direktansprache anboten und diese dann noch als „Königsweg“ des Executive Searchs anpriesen. Warum das so sein soll, hat sich mir auch nach 20 Jahren Berufserfahrung immer noch nicht erschlossen. Wenn sich Kunden auf diesen einzigen Suchkanal verlassen, müssen sie auch damit rechnen, dass Kandidaten in größeren Wochenabständen präsentiert werden, Suchprozesse sich in die Länge ziehen und Kandidaten der ersten Welle nach mehreren Wochen sich anderweitig entschieden haben.
Nur in den Fällen, wo ein Stelleninhaber ohne dessen Wissen ersetzt werden soll, macht eine alleinige Direktansprache Sinn, ansonsten zeigt unsere Erfahrung, dass eine Kombination aus Direktansprache und Anzeigensuche die höchste Chance bietet, den Suchraum zu vergrößern und damit die Quantität an geeigneten Kandidaten signifikant steigert.
Richtig fragen statt vermuten – oder warum Hypothesen wenig hilfreich sind!
Kommt es nach einer erfolgreichen Suche und Vorauswahl durch den Personalberater zur Präsentation beim Klienten, will das Auswahlgremium alles über die Kandidaten in Erfahrung bringen, was für die Entscheidung aus ihrer Sicht relevant ist. Auffällig ist, dass insbesondere Entscheider, die nicht aus der Personalabteilung kommen, glauben, mit EINER „Bingo-Frage“ den richtigen Kandidaten herauszufiltern. Beliebt ist beispielsweise die Frage, welche Position würden sie in einer Fußballmannschaft einnehmen? Sagt der eine Kandidat rechter Innenverteidiger und der andere linker Innenverteidiger, so frage ich meine Klienten, und nun… was leiten sie aus dem Unterschied rechts/links ab? Liebe Leser, haben Sie eine passende Antwort?
Im anschließenden De-Briefing nach einem Interview höre ich immer wieder Hypothesen wie „… ich glaube nicht, dass er/sie die Eigenschaft XY hat.“ Auf meine Frage, auf welchen Beobachtungen diese Aussage basiert, folgen in der Regel vage Vermutungen oder Allgemeinplätze. Inzwischen unterbreche ich nach ca. 80 Prozent der Interviewdauer das Gespräch, bitte den Kandidaten den Raum zu verlassen und frage die Runde, ob es noch Themen gibt, die wir nicht beleuchtet haben und die für die Entscheidung relevant sind. Diese Klarheit in den Entscheidungen ist auch ein Gebot der Fairness gegenüber dem Kandidaten.
Im diesjährigen Round Table Personalberatung klagten alle Teilnehmer darüber, dass seit einiger Zeit vermehrt finale Kandidaten die Verhandlungen bis kurz vor Vertragsabschluss treiben und dann mit der Begründung absagen, ihr jetziger Arbeitgeber hätte ihnen ein gleichwertiges Angebot unterbreitet oder sie würden ein anderes Angebot annehmen. Meine Empfehlung an unsere Klienten ist, offen oder verdeckt mit zwei Kandidaten die Vertragsverhandlungen parallel zu führen. Zugegeben, ethisch nicht ganz sauber, aber das Risiko für unsere Klienten zurück auf Los zu gehen, überwiegt letztendlich die Gewissensbisse.
Die Liste der Stolpersteine ließe sich beliebig verlängern und mit Anekdoten ausschmücken. Wenn es mir gelungen ist, Ihre Sensibilität für Stolpersteine zu steigern, hat sich mein Aufwand, den Artikel zu schreiben, schon mehr als gelohnt!
Autor
Dr. Thomas K. Heiden
Managing Partner heiden associates
Berlin/Dortmund/Stuttgart/Wiesbaden
heiden associates wurde vom FOCUS Business Magazin „Karriere Spezial“ seit 2015 achtmal in Folge in der Kategorie „Executive Search“ zu den Top 10 Personalberatern Deutschlands gekürt. Das Karriere-Portal experteer zeichnete heiden associates zweimal in der Kategorie „Recruiting Innovation“ und in der Kategorie „Client Experience“ zum „Headhunter of the Year“ aus.