Wann lohnt sich eine betriebliche Altersversorgung am wenigsten? Dann, wenn die Mitarbeiter die Angebote des Arbeitgebers für die Versorgung kaum wahrnehmen und sich Aufwand und Leistungen als nicht rentabel erweisen. Vor diesem Problem stand Endress+Hauser – und hat es gelöst.
2002 hatte der Schweizer Messgerätehersteller erstmals eine rückgedeckte Unterstützungskasse als Durchführungsweg gewählt und damit die alte Direktzusage für neue Mitarbeiter geschlossen. Jahrelang finanzierte das Unternehmen seinen Beschäftigten die bAV und bot ihnen obendrein eine Hinterbliebenenabsicherung und eine Berufsunfähigkeitsabsicherung an. Doch als die Entscheider im Unternehmen das Modell nach zehn Jahren auf den Prüfstand stellten, fiel die Bilanz mager aus: Die Wohltaten des Arbeitgebers, nach dem Gießkannenprinzip verteilt, verfehlten offensichtlich den Bedarf der Mitarbeiter.
Dreijährige Projektphase
„Die betriebliche Altersversorgung, wie wir sie jahrelang angeboten haben, stand bei den Mitarbeitern nicht im Fokus“, bilanziert Anja Kühn, Manager Pension and Benefits in der Endress+Hauser Unternehmensgruppe Deutschland. „Wir kamen zu dem Schluss, die bestehende Altersversorgung durch ein anderes Tool zu ersetzen, das zeitgemäßer ist und das dem Mitarbeiter einen größeren Nutzen bescheren kann.“
Es begann eine Projektphase, die drei Jahre dauern und an deren Ende das neue „Endress+Hauser Vorsorge-Programm“ stehen sollte. Das Projektteam um Anja Kühn setzte sich aus Mitgliedern verschiedener Bereiche zusammen. Dazu zählten außer den Personalchefs etwa auch Mitarbeiter aus Administration, Abrechnung und Kommunikation. Am Ende stand der Beschluss, weiterhin auf eine rückgedeckte Unterstützungskasse zu setzen. In diesem Rahmen gibt der Arbeitgeber eine höhere Beitragszusage als bisher.
2015 schloss das Projektteam alle Vorarbeiten ab, so dass das neue Vorsorgeprogramm mit dem Jahresbeginn 2016 starten konnte. Im Mittelpunkt des Programms steht wie bislang eine arbeitgeberfinanzierte Altersversorgung, die sich individuell durch zusätzliche Vorsorgebausteine und Beratungsangebote ergänzen lässt. In der arbeitgeberfinanzierten bAV wird das bisherige System vollständig auf das neue Modell umgestellt. Zudem hat der Arbeitgeber seinen finanziellen Beitrag mehr als verdoppelt. Die Höhe des Unternehmensbeitrags ist gehaltsabhängig und umfasst zwei Beitragsstufen.
Entgeltumwandlung lukrativer gestalten
In der Entgeltumwandlung über eine Direktversicherung bietet Endress+Hauser den Mitarbeitern Zuschüsse für eine verbesserte Altersvorsorge oder die Absicherung bei Berufsunfähigkeit an. Das Zuschussmodell soll insbesondere Mitarbeiter aus den unteren Gehaltsgruppen dazu motivieren, Entgelt umzuwandeln. Wer noch mehr vorsorgen will, kann zusätzlich eigene Beiträge in die Unterstützungskasse einzahlen. Weitere wählbare Vorsorgebausteine sind eine Todesfallabsicherung, eine Pflegefallabsicherung und eine Zusatzkrankenversicherung.
Eine neue Komponente ist die separate, lebensphasenorientierte Beratung für Mitarbeiter. Durch sie will der Arbeitgeber das bislang schwach ausgeprägte Bewusstsein der Mitarbeiter für die eigene Altersvorsorge schärfen. „Unser Ziel war es, die Mitarbeiter auf das Thema Altersvorsorge aufmerksam zu machen“, hebt Anja Kühn hervor. Die Beschäftigten sollen die Möglichkeit haben, sich ohne Druck zu informieren. Zwischen September und November 2015 fanden mehrere Informations- und Einführungsveranstaltungen zum neuen bAV-Modell bei Endress+Hauser statt. Daran nahmen rund 80 Prozent aller Mitarbeiter teil. Von ihnen haben inzwischen bereits 75 Prozent das Angebot einer individuellen Beratung genutzt.
Mit dem neuen, verbesserten Angebot will Endress+Hauser eine deutlich höhere Nachfrage bei den Mitarbeitern anstoßen. Im früheren System der Entgeltumwandlung hatte das Unternehmen eine Durchdringungsquote von 27 Prozent. Die neue Zielmarke bis 2018 war zunächst eine Durchdringung von 60 Prozent, doch die hat das Unternehmen bereits jetzt nach nur wenigen Monaten erreicht. Daran lässt sich das positive Feedback der Mitarbeiter ablesen. „Manche Mitarbeiter konnten zunächst nicht glauben, dass der Arbeitgeber freiwillig die Vorsorge zugunsten der Beschäftigten verbessert“, berichtet Anja Kühn.
Administration entlastet
Besonders wichtig ist dem Unternehmen, dass das alte bAV-System für alle aktiven Mitarbeiter vollständig abgelöst wurde. Es ist derzeit beitragsfreigestellt. Künftige Betriebsrentner, die Anwartschaften aus beiden Systemen erworben haben, werden somit in der Leistungsphase auch zwei verschiedene Versorgungsansprüche geltend machen müssen. „Bei der Unterstützungskasse ist ein Übertrag von einer Versorgungseinrichtung auf eine andere schwierig“, begründet Anja Kühn den Fortbestand paralleler Strukturen.
Schlanker ist hingegen die gesamte Administration der bAV aufgestellt. Endress+Hauser hat die Prozesse rund um die bAV automatisiert und vereinfacht. Dadurch und durch Sondervereinbarungen mit Produktanbietern sowie durch den Verzicht auf Produktprovisionen in den Tarifen der Unterstützungskasse konnte das Unternehmen die Rendite der Kapitalanlage für die bAV signifikant steigern.
Unterstützung erhalten Anja Kühn und ihr Projektteam von zwei Beratungsunternehmen, die für die Konzeption des neuen Vorsorgeprogramms und die anschließende Mitarbeiterberatung zuständig sind. Dadurch sind die Fachabteilungen bei Endress+Hauser deutlich entlastet. Besonders positiv kam es beim Mitarbeiter an, dass die Information weder durch den Berater noch durch den Produktanbieter stattfand. Damit hat der Arbeitgeber ein weiteres Kernziel erreicht: Das Vorsorgeprogramm passt sich der Lebenssituation der einzelnen Mitarbeiter an, nicht die Mitarbeiter dem Vorsorgeprogramm.