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Abbau mit Weitblick – auch in Zeiten von Corona

Ständige Veränderung ist in unserer globalisierten und digitalisierten Wirtschaft eine Normalität. Der Einsatz von Robotics und Artificial Intelligence wird Studien zufolge bis 2030 die Arbeit von bis zu 320 Millionen Blue-Collar- und 230 Millionen White-Collar-Beschäftigten weltweit beeinflussen. Die Anforderungen an die Tätigkeiten werden sich signifikant ändern und dazu führen, dass alte Arbeitsplätze verschwinden. Im Gegenzug dürften an anderer Stelle Millionen Jobs entstehen, in denen es auf menschliche Fähigkeiten, die weniger einfach zu automatisieren sind, wie Kreativität, Zusammenarbeit, persönliche Kommunikation oder Management- und Unternehmerfähigkeiten ankommt.

Hinzu kommt, dass das Prinzip der lebenslangen Anstellung durch den demographischen Wandel und sinkende persönliche Bindungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber als überholt gilt und der Wunsch vieler Arbeitnehmer nach mehr Flexibilität und einer vorzeitigen Rente in den Vordergrund rückt. Die Corona-Krise wird sich weiterhin disruptiv auf zahlreiche Unternehmen und Branchen auswirken.

Fragestellungen für die Praxis

Viele Unternehmen durchlaufen momentan einen Strukturwandel und müssen ihre Strategie neu definieren. Die Frage des Personalbedarfs spielt hier eine gewichtige Rolle. Personalmaßnahmen sollten möglichst sozialverträglich und im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen. Der Trend geht daher weg von klassischen, betriebsbedingten Kündigungen hin zu flexibleren Personalanpassungsmaßnahmen wie Freiwilligenprogrammen in Verbindung mit Altersteilzeit und Vorruhestand. Neben den operativen und finanziellen Herausforderungen sind insbesondere auch rechtliche Fragestellungen von großer Bedeutung. Die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen der verschiedenen Optionen eines Personalabbaus werden in Abbauprogrammen oft nur unzureichend berücksichtigt. Gleiches gilt für die Möglichkeiten staatlicher Fördermittel.

Kurzarbeit und Qualifizierung

In der Praxis können konjunkturelle Dellen (Stichwort Coronakrise) mit Hilfe von Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld zum Teil überbrückt werden. Seitens des Gesetzgebers wurden hier kürzlich Erleichterungen beim Bezug vom Kurzarbeitergeld verabschiedet, unter anderem die Übernahme der kompletten Sozialversicherungsbeiträge. In Zeiten des Fachkräftemangels versuchen Unternehmen zudem, einen Personalabbau durch Weiterbildung und Qualifizierung innerhalb des Unternehmens zu vermeiden. Mit dem neuen Qualifizierungschancengesetz wird auch hier die staatliche Förderung ausgeweitet.

Populäre Programme

Soweit ein Personalabbau unvermeidbar ist, sind neben den klassischen Abbauinstrumenten wie freiwilligen Aufhebungsvereinbarungen auch Frühverrentungen und Altersteilzeit durchaus populär. Ein Grund dafür ist, dass Deutschland mit einem Durchschnittsalter von 46,8 Jahren eine der ältesten Bevölkerungen weltweit hat und die Nachfrage nach rentennahen Programmen groß ist. Seitens der Unternehmen besteht durch entsprechende Ausgestaltung der Programme die Möglichkeit, zumindest für eine Übergangszeit noch auf das Know-how der älteren Arbeitnehmer zurückgreifen zu können. Beispielsweise setzen größere Automobilhersteller bei den anstehenden Konzernumbaumaßnahmen auf kooperative rentennahe Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern.

Bei alledem sind steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Belange zu beachten – sowohl für das Unternehmen als auch für betroffene Mitarbeiter. So stellen sich Fragen wie: Welche Auswirkungen hat die frühzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Rente? Was bleibt von der Abfindung netto übrig? Wie hoch ist die Steuerlast in der Freistellungsphase? Der Artikel soll im Folgenden einen Überblick geben.

Abfindungs-/Einmalzahlungen

Entscheidet sich der Mitarbeiter für die Teilnahme an einem Vorruhestandsprogramm, ist sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber insbesondere die Versteuerung einer im Rahmen von Personalabbaumaßnahmen gewährten Einmal- oder Abfindungszahlung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses relevant. Da die Zahlung an den Mitarbeiter durch das Arbeitsverhältnis veranlasst ist, handelt es sich regelmäßig um Arbeitslohn, und der (bisherige) Arbeitgeber ist für die Versteuerung im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens zuständig. Sofern es sich bei der Zahlung um eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen handelt, können außerordentliche Einkünfte vorliegen. Dadurch kann sich für den Steuerpflichtigen der Höhe nach eine begünstigte Besteuerung im Rahmen der sogenannten Fünftel-Regelung ergeben. Ob außerordentliche Einkünfte und eine mögliche Begünstigung vorliegen, ist vom (früheren) Arbeitgeber bei späterer Auszahlung zu prüfen.

Einbringung in eine betriebliche Altersversorgung

Abhängig vom angebotenen Modell der betrieblichen Altersversorgung, können der Zufluss und damit die Versteuerung durch das (teilweise) Einbringen von Abfindungsansprüchen zeitlich verschoben werden. Bei einer Direktzusage oder einer Unterstützungskasse liegt im Zeitpunkt des Einbringens noch kein steuerlicher Zufluss vor. Erst die spätere Auszahlung an den Mitarbeiter wird versteuert. Wird der Anspruch dagegen in einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung eingebracht, liegt bereits im Zeitpunkt der Zahlung durch den Arbeitgeber ein Zufluss vor. Entsprechend erfolgt die Besteuerung. Allerdings können sich für Beiträge, die aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geleistet werden, begrenzte Begünstigungen durch Steuerfreiheit oder Pauschalierung der Einkommensteuer ergeben. Eine Übertragung in die betriebliche Altersversorgung muss aber nicht nur steuerlich überdacht werden. Mitarbeiter müssen auch zwingend daran denken, dass die betriebliche Altersversorgung insbesondere bei gesetzlich kranken- und pflegeversicherten Personen bei Leistungsauszahlung zumindest teilweise beitragspflichtig sein wird.

Konsequenzen bei Rentenbezug

Bei späterem Rentenbezug ergeben sich für den vorzeitig ausscheidenden Mitarbeiter je nach vorliegender Rentenart steuerliche Konsequenzen. Erhält er beispielsweise vom früheren Arbeitgeber eine Betriebsrente, erfolgt die Versteuerung anders als bei Bezug von Zahlungen aus öffentlich-rechtlichen Pflichtsystemen oder bei privater Altersvorsorge. Die steuerlichen Konsequenzen unterscheiden sich, wie folgt:

Auszahlungen vom früheren Arbeitgeber aufgrund einer Direktzusage oder aus einer Unterstützungskasse unterliegen als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit analog der früheren Lohnzahlung dem Lohnsteuerabzug und sind grundsätzlich voll (lohn-)steuerpflichtig.

Auszahlungen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Pflichtsysteme sind als sonstige Einkünfte einzuordnen. Das bedeutet, dass bei Auszahlung kein automatischer Steuerabzug wie bei Lohnzahlungen erfolgt. Außerdem ist die Auszahlung nur bis zu einem bestimmen Anteil steuerpflichtig: zu 80 Prozent bei Rentenbeginn im Jahr 2020, zu 100 Prozent bei Rentenbeginn im Jahr 2040.

Auszahlungen aus privater Vorsorge oder aus Direktversicherung, aus der Pensionskasse oder aus Pensionsfonds werden grundsätzlich in Höhe des Ertragsanteils als sonstige Einkünfte besteuert. Auch hier gibt es keinen automatischen Steuerabzug, der Ertragsanteil ist vom vollendeten Lebensjahr bei Beginn der Rente abhängig. Beispiel: Bei vollendetem 67. Lebensjahr bei Beginn der Rente beträgt der Ertragsanteil 17 Prozent.

Weiterhin gilt: Wurden Beiträge an eine Pensionskasse oder Direktversicherung in der Ansparphase staatlich gefördert – etwa durch Steuerbefreiung oder Altersvorsorgezulagen –, ist die spätere Auszahlung voll steuerpflichtig. Ansonsten kann sich eine anteilige Besteuerung ergeben.

Abschläge ausgleichen

Nehmen Mitarbeiter an Freiwilligenprogrammen teil und wechseln nicht zu einem anderen Arbeitgeber, hat das Folgen für ihre soziale Absicherung. Beispielsweise können ältere Beschäftigte oft nicht 24 Monate, sondern nur 18 Monate Arbeitslosengeld beziehen; manche müssen vorzeitig in Altersrente gehen. Die Folgen: Abschläge und natürlich fehlende Beitragsjahre. Mitarbeiter stellen sich daher häufig die Frage, wie hoch am Ende die eigene Rente ist – und wie Abschläge abgefedert werden können. Die Antwort darauf ist: Es kommt darauf an. Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung kennt Ausgleichszahlungen, um eine Minderung durch die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente zu vermeiden. In der Praxis werden häufig Abfindungszahlungen zur Finanzierung herangezogen oder aber das Unternehmen beteiligt sich direkt an der Zahlung an die Rentenversicherung. Steuerlich können Ausgleichszahlungen an die Rentenversicherung im Rahmen der beschränkt abziehbaren Sonderausgaben das zu versteuernde Einkommen im Zeitpunkt der Einzahlung mindern. Dabei ist der Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung (2020: 25.046 Euro) die Maximalgrenze, bis zu der eine Berücksichtigung im Rahmen der Altersvorsorgeaufwendungen möglich ist. Eine weitere Einschränkung: Abhängig vom Veranlagungsjahr kann nur ein gewisser Prozentsatz dieses Höchstbetrags angesetzt werden (2019: 88 Prozent, 2020: 90 Prozent). Schließlich ist grundsätzlich der Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung abzuziehen. Am Ende greift die nachgelagerte Besteuerung bei der späteren Rentenzahlung.

Folgen für die Krankenversicherung

Bei der Kranken- und Pflegeversicherung gibt es Unterschiede zwischen privat und gesetzlich versicherten Mitarbeitern. Für privat Versicherte, die das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, könnte die Teilnahme an einem Personalabbauprogramm die Möglichkeit beinhalten, in das gesetzliche System zurückzukehren. Eine Rückkehr ist zwar nur unter sehr restriktiven Bedingungen möglich, aber gerade in einer derartigen Umbruchphase bieten sich einige Varianten, die Mitarbeiter häufig zu ihren Gunsten nutzen. Für über 55-Jährige sind die Möglichkeiten jedoch nahezu ausgeschlossen. Auch für gesetzlich kranken- und pflegeversicherte Mitarbeiter ist es allerdings wichtig zu verstehen, was sie beim Eintritt in den Ruhestand erwartet. Als Rentner zahlen sie nicht nur den halben Beitrag auf ihre gesetzliche Rente, sondern zusätzlich den vollen Beitrag auf Auszahlungen aus betrieblicher Altersvorsorge, wenn diese einen bestimmtem Freibetrag übersteigen. Für einen Überblick bieten sich Renteninformationen und Statusauskünfte der Versicherer an. Aber Vorsicht ist geboten, denn bei allen angegebenen Werten handelt es sich in der Regel um Bruttobeträge, d. h., Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und gegebenenfalls steuerliche Belastungen sind zu ermitteln und gedanklich abzuziehen.

Anreize und Informationen

In der Praxis hat es sich bewährt, von Personalabbauprogrammen betroffenen Mitarbeitern sogenannte Klageverzichts- oder Turboprämien anzubieten. Diese greifen letztlich aber nur dort, wo es um betriebsbedingte Kündigungen geht. Bei freiwilligen Lösungen erweist sich die Honorierung eines Klageverzichts als nicht passend. Andere Mittel sind zu empfehlen, beispielsweise Beratungsangebote für Arbeitnehmer, die Etablierung einer Transfergesellschaft oder ein Zuschuss zu Umschulungskosten. Vor allem interessiert aber gerade ältere Mitarbeiter, die möglicherweise bereits mit einem früheren Ausscheiden aus dem Erwerbsleben liebäugeln, ob sich nicht dieser Wunsch auch durch die Teilnahme an einem Abbauprogramm realisieren lässt. Umso wichtiger sind dann objektive Informationen, wie sich ein Eintritt in die Altersteilzeit oder der Übertritt in einen Vorruhestand für sie persönlich finanziell auswirkt. Fehlende Informationen und damit einhergehende Unsicherheiten führen häufig dazu, dass Angebote des Arbeitgebers auf wenig Zuspruch stoßen. Eine externe, vom Arbeitgeber finanzierte Beratung kann da Abhilfe schaffen.

Objektive Beratung

Gerade bei größeren Personalabbauprogrammen ist es wichtig, einen Partner an seiner Seite zu haben, der in der Lage ist, dem Mitarbeiter in allen Bereichen die Konsequenzen einfach und verständlich zu erläutern, der aber auch eine entsprechende Projektorganisation leistet. Eine starke Projektorganisation ist für die Durchführung der Beratung und letztlich für den Erfolg des Programms unerlässlich. Durch regelmäßigen Austausch mit der Personalabteilung kann der Programmverlauf gesteuert und können Rückmeldungen der Mitarbeiter umgesetzt werden. Auch für die betroffene Belegschaft kann es von Vorteil sein, eine erprobte elektronische Plattform zu nutzen, die es vereinfacht, etwaige individuelle Beratungstermine zu buchen, ggf. den Standort der Beratung frei zu wählen oder auch jederzeit die Möglichkeit zu haben, zusätzliche Fragen vor oder nach der persönlichen Beratung zu stellen, ohne dass dies sofort für den Arbeitgeber erkennbar wird. 

Sophia Haus
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Senior Associate
Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft
Sophia.Haus(*)de.ey(.)com
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Philipp Holst
Senior Consultant, Steuerberater
Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Philipp.Holst(*)de.ey(.)com
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