Für die agile Transformation lösen Unternehmen ihre Hierarchien und Organisationseinheiten auf und bilden bereichs- und fachübergreifende Teams. Diese setzen sich zu Projektteams zusammen. Mit den neuen Rollen der einzelnen Mitarbeiter und den immer wieder neu zusammengesetzten Projektteams ergeben sich auch neue Führungsmodelle und veränderte Führungsverantwortungen. Das bringt auch neue Herausforderungen bei der Leistungsbewertung von Mitarbeitern mit sich.
Mitarbeiter werden in einer agilen Organisation nicht mehr zuerst auf Basis ihrer persönlichen Leistung und der Erfüllung individueller Zielvereinbarungen beurteilt. Vielmehr haben sie in ihren Teams Ziele für ihren jeweiligen Projektbereich im Blick. Somit ergeben sich für die Gehaltsstruktur und -entwicklung neue Möglichkeiten.
Gehaltsentwicklung kann in zwei Stufen erfolgen
Agile Unternehmen benötigen andere Leistungsbeurteilungen, insbesondere dann, wenn es flache Hierarchien und kaum Vorgesetzte gibt, die den Beitrag eines Mitarbeiters bewerten könnten. Dafür kann der Gehaltsprozess zweigeteilt werden.
1. Marktorientierung
Im ersten Schritt kann jährlich – automatisch – eine Gehaltsanpassung stattfinden, die sich an der allgemeinen Gehaltsentwicklung am Markt bzw. innerhalb der Branche orientiert. Da nicht alle Berufsgruppen am Markt identische Gehaltsentwicklungen vorweisen, können agile Unternehmen die Gehälter je nach Rolle des Mitarbeiters unterschiedlich anpassen. Trotz der unterschiedlichen Behandlung empfinden Mitarbeiter dieses Vorgehen meist als fair, da es transparent ist.
2. Team-Feedback
In einem zweiten Schritt kann der Mitarbeiter bewirken, dass sein Gehalt individuell angepasst wird. Ein Mitarbeiter, der eine individuelle Gehaltsanpassung wünscht, kann dabei den Prozess selbst anstoßen. Dazu bestimmt er zusammen mit einer Vertretung aus der Geschäftsleitung eine Gruppe von Kollegen unterschiedlicher Rollen, mit denen er vor kurzem zusammengearbeitet hat. Diese Mitarbeiter geben in einer anonymen Befragung Feedback zu Kompetenzen des Mitarbeiters. Dabei bewerten sie, ob ein Mitarbeiter gleichbleibende oder verbesserte Leistungen in bestimmten Bereichen erbracht hat.
In diesem System beurteilen direkte Kollegen einen Mitarbeiter, da sie am engsten mit ihm zusammenarbeiten und seine Leistungen am besten einschätzen können. Auf Grundlage des Team-Feedbacks und einer anschließenden Diskussion kann das Gehalt des entsprechenden Mitarbeiters neu festgelegt werden. Zudem bekommt der Mitarbeiter ein konstruktives Feedback und somit ein Verständnis zu seiner Entwicklung.
Funktionierende Teamstrukturen sind wichtig
Da die Gehaltsanpassung allein auf der Kompetenz und Entwicklung des Mitarbeiters basiert, ist nicht notwendig, dass die Gehälter gegenüber Kollegen transparent gemacht werden. Das System ist zudem fair, da es nicht auf der Beurteilung durch eine einzige Person beruht, sondern verschiedene Beurteilungen berücksichtigt.
Damit dieser Prozess allerdings gelingt, ist es wichtig, dass die Teamstrukturen und die Zusammenarbeit des agilen Teams funktionieren. Nur dann kann über eine Gehaltsanpassung mit einem Team gesprochen werden.
Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.