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Aktuelles zur wertpapiergebundenen Direktzusage als Vergütungskomponente

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Herr Helfen, welche Entwicklungen beobachten Sie aktuell bei der betrieblichen Altersversorgung?

 

Jürgen Helfen: Im Fokus der aktuellen Diskussionen steht das geplante Betriebsrentenstärkungsgesetz. Dabei geht jedoch eine mindestens genauso einschneidende Entwicklung unter: das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu wertpapiergebundenen Versorgungszusagen. Das ist bislang kaum breiter diskutiert worden. Dabei sind die Auswirkungen für die Praxis erheblich. Modelle, die Direkt- oder Pensionszusagen an einen Investmentfonds oder sonstige Wertpapiere knüpfen, sind besonders im aktuellen Niedrigzinsumfeld eine beliebte Option, besonders durch die Chancen aufgrund der Beteiligung an Kapitalmarktentwicklungen. Nach dem Urteil muss ihre Ausgestaltung ggf. in neuem Licht betrachtet werden.

 

Worum ging es genau bei dem Urteil?

 

Arne Ferbeck: Das BAG hat im August 2016 darüber entschieden, wie Beiträge eines Unternehmens an einen firmeninternen Anlagefonds zu bewerten sind. Dem Kläger war ein jährlicher Rentenanspruch in Abhängigkeit von Betriebszugehörigkeit und Gehalt zugesagt worden. Der Arbeitgeber hatte sich außerdem verpflichtet, monatlich 5 Prozent der pensionsfähigen Gehaltssumme der Mitarbeiter in einen Investmentfonds einzuzahlen. Aus dem Zinssaldo zwischen dem Ertrag des Fonds und den Kosten der Rückstellung zuzüglich Verwaltungskosten errechnete sich ein Zuschlag zum Rentenanspruch, den der Arbeitgeber den Mitarbeitern jährlich mitteilte. Der Kläger wehrte sich dagegen, dass ihm 2012 ein deutlich niedrigerer Rentenanspruch mitgeteilt wurde als noch 2009.

 

Wie fiel der Spruch des Bundesarbeitsgerichts aus?

 

Arne Ferbeck: Das BAG hat die Klage abgewiesen – ­genau wie die Vorinstanzen. Aber es trifft eine völlig andere Bewertung. Schon allein deshalb ist das Urteil bemerkenswert. Es besteht großenteils aus nebenbei geäußerten grundsätzlichen Rechtsansichten. Die Kernfragen berühren die Systematik des Betriebsrentenrechts. Sie läuten deshalb möglicherweise einen Richtungswechsel der Rechtsprechung ein.

 

Was heißt das genau?

 

Arne Ferbeck: Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass in diesem Fall eine sogenannte beitragsorientierte Leistungszusage vorliegt. Diese setzt voraus, dass bei einer Direktzusage bereits im Augenblick der Beitragsabführung feststeht, welche Rente sich später daraus ergibt. Der Arbeitgeber darf die Höhe der späteren Rente deshalb nicht ausschließlich von externen Faktoren wie dem Erfolg eines Anlageprodukts abhängig machen. Das Anlagerisiko darf also nicht vollständig auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Ihm muss vielmehr eine feste Mindestleistung zustehen.

 

Wieso blieb die Klage dennoch erfolglos?

 

Arne Ferbeck: Obwohl der Arbeitgeber hier eine mangelhafte beitragsorientierte Leistungszusage erteilt hatte, blieb die Klage ohne Erfolg. Der Grund: Der Kläger zielte nicht auf die Feststellung der Rechtsverletzung wegen der fehlenden unmittelbaren Umwandlung der Beiträge in Leistungen, sondern auf die Aufstockung bzw. Festschreibung seiner Betriebsrentenanwartschaft. Diese konnte er aber – trotz der Rechtsverletzung – nicht verlangen.

 

Ist die ertragsabhängige Direktzusage dann noch zulässig?

 

Jürgen Helfen: Das BAG hat in seinen Entscheidungsgründen insbesondere zwei Voraussetzungen dafür genannt: In der Zusage muss definiert sein, welche Mindestleistung sich unmittelbar aus den Beiträgen ergibt. Aber nicht jede ertragsabhängige Zusage ist allgemein zulässig. Definitiv unbedenklich sind die sogenannten versicherungsförmigen Durchführungswege – also Pensionskassen, versicherungsförmige Pensionsfonds oder Direktversicherungen. Ohne weiteres möglich sind auch Direktzusagen, deren Leistungen von Versicherungsverträgen abhängen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht unzulässig könnte jedoch die Zusage auf Erträge aus einer freien Anlage in Investmentfonds sein.

 

Welche Konsequenzen könnte diese Rechtsprechung für Unternehmen haben?

 

Jürgen Helfen: Das Urteil hat zum einen steuerliche Implikationen für den Arbeitgeber. So stellt sich die Frage, ob die Rückstellungsbildung gefährdet ist. Auch für den Versorgungsanwärter ergeben sich steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Fragen. Etwa die Frage, ob von einem sofortigen lohnsteuerlichen Zufluss bei der Aufwendung der Beiträge auszugehen ist und ob die Beiträge sozialversicherungspflichtig sind. Nicht zuletzt wirkt sich das Urteil auf die Insolvenzsicherung aus bis hin zu der Frage, ob das Unternehmen die Beiträge zum Pensions-Sicherungs-Verein zurückfordern kann und ob sich stattdessen die Notwendigkeit einer privatrechtlichen Insolvenzsicherung ergibt.

 

Was raten Sie Unternehmen in der aktuellen Situation?

 

Jürgen Helfen: Unternehmen, deren Versorgungsmodelle hiervon betroffen sind, sollten dem Thema in jedem Fall erhöhte Aufmerksamkeit schenken und die weitere Entwicklung im Auge behalten. Es ist davon auszugehen, dass Fälle zu kapitalmarktorientierten Versorgungsmodellen künftig verstärkt auch gerichtlich überprüft werden. Dies wird logischerweise vor allem dann der Fall sein, wenn die Performance des Anlageprodukts stärker schwankt bzw. nicht so gut wie vorhergesagt oder gar negativ ausfällt. Zum anderen empfehle ich Unternehmen, besonnen zu agieren und die Risiken sorgfältig zu analysieren.

 

Das Interview führte Dr. Guido Birkner.