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Auf der Suche nach dem optimalen agilen Entgelt

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Agile Unternehmen organisieren sich so, dass sie sich rasch und flexibel an Veränderungen im Umfeld anpassen können. Dadurch können sie Veränderungen frühzeitig antizipieren und deren Relevanz schnell bewerten. Diese Kompetenzen helfen ihnen, im Markt zu überleben. Doch wie lassen sie sich angemessen vergüten?

 

Klassische Organisationen kennen Silostrukturen, Top-down-Hierarchien und den Spezialisten als funktio-nales Herzstück. Agile Organisationen dagegen existieren vor allem als Netzwerk, das die einzelnen Mitarbeiter und oft auch externe Kooperationspartner miteinander verbindet. Das ermöglicht eine direkte und schnellere Kommunikation und Kooperation ohne Siloschranken und über alle Hierarchiestufen hinweg. Viele Start-ups praktizieren Agilität in Reinkultur. Auch traditionelle Organisationen stellen sich derzeit agil auf, häufig mit dem Ziel, disruptive Innovationen zu entwickeln. Für solche Innovationsprojekte gründen sie oft kleine agile Tochtergesellschaften, die auch Schnellboote genannt werden und den Tanker, also die Muttergesellschaft, unterstützen sollen. Zudem weisen Konzerne ein Neben-einander von traditionell und agil organisierten Einheiten und Teams auf. Je nach Markt und Geschäftsmodell unterscheiden sich die Anteilsgrößen für beide Organisationsmodelle von Konzern zu Konzern deutlich.

 

Unterschiede zwischen Tradition und Agilität

 

So unterschiedlich die beiden Organisationsmodelle sind, so unterschiedlich fallen auch die Vergütungsmodelle aus, die jeweils zu ihnen passen. In klassischen Organisationen ist die Vergütung häufig noch rein individual zentriert, also auf die Arbeitsleistung einer einzelnen Person bezogen. Zudem sind die Kriterien für Vergütung weitgehend intransparent. Allein die Geschäftsführung und HR legen in der Regel die einzelnen Gehaltshöhen fest. Auch wenn Einstiegsgehälter für vergleichbare Funktionen divergieren, hängt die weitere individuelle Gehaltsentwicklung wesentlich davon ab, wer welchen Beitrag zum Unternehmenserfolg beiträgt. Zugleich spielen die Verteilungsgerechtigkeit und die Verfahrensgerechtigkeit eine Rolle bei der Frage, ob Mitarbeiter ihr Gehalt als gerecht bewerten.

 

Von traditionellen Vergütungsansätzen unterscheidet sich die Praxis in agilen Netzwerkorganisationen deutlich. Hier herrschen eine größere Transparenz und oft auch Mitsprache- und Informationsrechte der Mitarbeiter vor. Zwar müssen nicht alle Mitarbeiter in einer agilen Organisation das gleiche Gehalt bekommen. Doch Transparenz in einem agilen Umfeld führt zumeist dazu, dass die Mitarbeiter ihre Gehälter als gerechter empfinden als die Beschäftigten in traditionellen Organisationen.

 

Eine komplette Offenlegung der einzelnen Gehälter ist aber mit Risiken verbunden. So bildet absolute Transparenz den Nährboden für Neid unter den Kollegen. Der Vergleich bei der Vergütung kann im Arbeitsalltag zu viel Raum einnehmen, auch für die Personen, die im Vergleich zu ihren Peers überdurchschnittlich bezahlt werden. Deshalb ist es für die Unternehmensführung erfolgsentscheidend, mit dem Faktor Transparenz in der Vergütung verantwortungsvoll umzugehen. Das fällt einem Management in einer kleineren, überschaubaren Organisation vermutlich leichter als in größeren Organisationen.

 

Transparenz mit System

 

Doch ein gewisses Maß an Transparenz in der Vergütung herrscht auch in Unternehmen, die mit einem Gradingsystem und mit Gehaltsbändern arbeiten. Hier können sich Mitarbeiter, die sich vergleichen oder die Vergütungskriterien erfahren wollen, besser einordnen, manche Frage und Unsicherheit der Mitarbeiter lösen sich auf. Deshalb ist traditionellen Unternehmen zu raten, zumindest die Verfahren und Kriterien transparent zu machen, nach denen sie Gehälter festlegen, also eine „Transparenz mit System“ anzubieten.

 

Welcher Organisations- und Vergütungsansatz wird sich in Zukunft als Trend in den Unternehmen durchsetzen? Während viele agile Organisationen noch dabei sind, ihr optimales Vergütungsmodell zu finden, ist für traditionelle Unternehmen zu erwarten, dass Top-down-Vorgaben vielerorts erhalten bleiben, aber in Teilen um eine Bottom-up-Partizipation ergänzt werden. Traditionelle Organisationen, die agiler werden wollen, sollten ihre Anreizsysteme und vor allem die Boni so umgestalten, dass diese Agilität fördern. Agile Einheiten werden Kollaboration sicher nicht dadurch fördern, dass sie in der variablen Vergütung auf rein individuelle Anreize setzen. Statt dessen sollten Anreizsysteme dazu beitragen, Kollaboration zu leben.

 

Dr. Guido Birkner,

verantwortlicher Redakteur Human Resources

FRANKFURT BUSINESS MEDIA – Der F.A.Z.-Fachverlag

guido.birkner@frankfurt-bm.com

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