Die Corona-Krise und die damit verbundenen wirtschaftlichen Verwerfungen rücken die Liquiditätsfrage für viele mittelständische Betriebe in den Fokus. Gerade die laufenden Verwaltungskosten und Leistungszusagen in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) bereiten Geschäftsführern Kopfzerbrechen. Eine Lösung für das De-Risking bei der bAV stellt die Innenfinanzierung dar, wie sie VOIT Automotive mit Sitz im saarländischen St. Ingbert betreibt.
Das Technologieunternehmen VOIT entwickelt und fertigt hochpräzise Aluminium-Druckgussteile für die Automobilbranche. 2017 verabschiedete sich der Zulieferer von seinen alten Direktversicherungen, die das Unternehmen bislang seinen rund 1.000 Mitarbeitern in Deutschland anbot. Die niedrige Beteiligungsquote der Beschäftigen an der alten versicherungsgestützten Versorgung führte der Geschäftsführung in St. Ingbert vor Augen, dass eine Betriebsrente per Versicherung als HR-Instrument ein stumpfes Schwert ist.
Doch den Verantwortlichen war bewusst, was sie brauchten: Das neue bAV-Angebot sollte für die Beschäftigten so attraktiv sein, dass es für die Gewinnung und Bindung hochqualifizierter Fachkräfte tatsächlich wirkt. Zugleich hat Hendrik Otterbach, CFO von VOIT, die finanziellen Risiken des bAV-Modells auf lange Sicht im Blick. Auch spielen Werte wie Innovation, soziale Verantwortung und Umwelt für das Leitbild des Technologieunternehmens eine zentrale Rolle. „Wir haben uns zusammen mit unseren Beschäftigten und dem Betriebsrat Gedanken über eine neue bAV-Lösung gemacht, die zu uns passen soll“, sagt der kaufmännische Geschäftsführer im Gespräch mit „Markt und Mittelstand“ („Markt und Mittelstand“, Ausgabe September 2020, S. 36-38).
Deshalb schlug VOIT vor drei Jahren bei der bAV einen eigenen Weg ein. Alte Seilschaften zu Versicherungen wurden gekappt. Stattdessen entwickelte das Unternehmen gemeinsam mit dem bAV-Beratungshaus auxilion mit Sitz im südhessischen Heppenheim eine unternehmensinterne Betriebsrente, die gesetzliche Gestaltungsfreiräume ausschöpft und sich den individuellen Bedürfnissen des Betriebs und seiner Beschäftigten anpasst. auxilion ist auf die bAV für mittelständische Unternehmen spezialisiert und bietet ein eigenes Betriebsrentensystem an, das sich auf die Kernpfeiler Entgeltumwandlung und Innenfinanzierung stützt.
Sparplan per Sparbuch
Herausgekommen ist die VOIT-Zukunftsvorsorge, eine Altersvorsorge, die Geschäftsführung und Mitarbeiter intern „VOIT-Sparbuch“ nennen. Dabei handelt es sich um eine reine Entgeltumwandlung, für die der Arbeitgeber den Mitarbeitern eine Verzinsung garantiert, die weit über dem aktuellen Marktniveau liegt und den Beschäftigten vollkommene Flexibilität bei der Einzahlung von Entgeltbestandteilen eröffnet – von monatlichen Beiträgen bis zu Einmalzahlungen. Auch bei der Auszahlung schöpft der neue Plan den gesamten gesetzlichen Rahmen aus, wobei einmalige Kapitalauszahlungen zu Beginn der Leistungsphase die Regel sind. Die Beschäftigten haben über ein Onlinekonto (im Corporate Design) vollkommene Transparenz über ihre Anwartschaften und Vorsorgeaktivitäten und können diese flexibel steuern.
Wie funktioniert der Sparplan? Die Mitarbeiter lassen den Arbeitgeber einen individuell und flexibel festlegbaren Teil ihres Bruttoeinkommens in die finanzielle Vorsorge für den Ruhestand umwandeln. Im Gegensatz zur früheren Direktversicherung, bei der eine Versicherungsgesellschaft die Einzahlungen in die bAV erhält und für die Verwaltung Kosten aufruft, stellen die Mitarbeiter, die das VOIT-Sparbuch nutzen, dem Arbeitgeber das umgewandelte Entgelt zur Verfügung. Im Gegenzug garantiert VOIT den Beschäftigten eine 4-prozentige Verzinsung. Den Zinssatz hat das Unternehmen selbst festgelegt entsprechend der eigenen Finanzstruktur.
Damit gibt das Technologieunternehmen den Mitarbeitern einen großen Anteil der Verantwortung für die eigene Altersvorsorge zurück, indem jeder selbst entscheidet, wie viel Entgelt er umwandeln lässt. „Die Experten von auxilion haben bei der Implementierung mit jedem unserer 1.000 Kollegen in Deutschland ein Beratungsgespräch geführt, unabhängig davon, ob er das neue Angebot annahm oder nicht“, beschreibt Hendrik Otterbach gegenüber „Markt und Mittelstand“ den Aufwand bei der Einführung. Als Ergebnis schlägt eine gute Teilnahmequote von 60 Prozent der Belegschaft am Sparbuchmodell zu Buche. Die durchschnittlichen Umwandlungsbeträge pro Monat bewegen sich bei VOIT je nach Abteilung zwischen 80 und 120 Euro. „Gerade für Azubis und andere junge Kollegen kann bei einem frühzeitigen Einstieg dank des Zinseszinseffekts über 30 Jahre eine schöne Anwartschaft zusammenkommen.“ Bei einem Jobwechsel nimmt der Berufstätige seine Anwartschaft mit – bei fortlaufender Garantieverzinsung. Das Geld verbleibt bis zum Renteneintritt im Unternehmen. Ein vorzeitiger oder ungeplanter Abfluss der finanziellen Mittel ist damit ausgeschlossen.
Szenarien vom Best Case bis zum Worst Case
Mit den langfristigen Zusagen einer Garantieverzinsung der bAV-Beiträge ging VOIT eine große Verpflichtung ein. Deshalb prüfte das Unternehmen zusammen mit auxilion, ob sich der Aufwand einer Einführung des neuen Plans auch in dem Fall lohnt, dass sich nur ein geringer Teil der Belegschaft am Vorsorgemodell beteiligt. Umgekehrt waren mögliche Langzeitrisiken bei einer hohen Mitarbeiterbeteiligung ebenfalls zu bewerten. Ein Ergebnis der Simulationen verschiedener Szenarien auf der Basis einer betriebswirtschaftlichen Analyse war, dass sich die zusätzliche Liquidität in jedem der Szenarien – vom Worst Case mit einem nicht wachsenden, aussterbenden Anwärterbestand bis zum Best Case mit fortlaufenden Neueintritten – sinnvoll in das Unternehmen investieren lässt. Auch ist das Unternehmen demnach selbst in schwachen Geschäftsjahren wie dem aktuellen in der Lage, die Auszahlungen stets zu beherrschen. Aus finanzieller Sicht kann das Unternehmen die Liquiditätsströme über mehrere Jahrzehnte gut und langfristig planen.
Alle über die Laufzeit eingezahlten Beträge und Zinsen sind in voller Höhe über den Pensions-Sicherungs-Verein insolvenzgeschützt. Die zusätzliche Liquidität investiert das Unternehmen in die Entwicklung neuer Produkte sowie in das internationale Wachstum. Je nach Szenario kann sich die über die Entgeltumwandlung eingesammelte Liquidität für den Autozulieferer perspektivisch auf bis zu 10 bis 15 Prozent des Eigenkapitals belaufen. „Gerade in der aktuellen Krisensituation hilft uns diese zusätzliche Liquidität als Reserve und stützt die Kapitalausstattung und damit die Resilienz unseres Technologiebetriebs“, betont Hendrik Otterbach gegenüber „Markt und Mittelstand“. Auch spart der Arbeitgeber die Lohnnebenkosten für das umgewandelte Entgelt und zusätzlich Steuern, was das Modell für mittelständische Arbeitgeber zusätzlich attraktiv macht.
Für VOIT ist der Sparplan ein Kernelement der Corporate Identity geworden. „Wir können mit unserer transparenten, versicherungsunabhängigen Lösung in Bewerbungsgesprächen die Arbeitgebermarke deutlich stärken“, sagt der CFO. „Die Zukunftsvorsorge ist bei Einstellungsinterviews ein elementarer Bestandteil geworden.“
Dr. Guido Birkner
verantwortlicher Redakteur Human Resources
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