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Benchmarks richtig planen

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Die meisten Unternehmen streben eine wettbewerbsfähige Bezahlung ihrer Mitarbeiter und zugleich eine marktgerechte Aussteuerung des gesamten Personalkostenaufwands an. Dies gilt für die Gestaltung von Vergütungssystemen für ganze Belegschaften wie auch für die Festlegung eines individuellen Vergütungspakets für eine konkrete Funktion oder Person. Das etablierte Instrument zur Feststellung der Wettbewerbsfähigkeit der Vergütungen ist ein Vergütungsvergleich (englisch: Benchmark). Doch nicht alle Quellen halten, was sie versprechen.

 

Ein Benchmark ist eine Methode der vergleichenden Statistik, an der mindestens drei Objekte beteiligt sind. Erforderlich sind eine einheitliche Vergleichsgrundlage, definierte Vergleichskriterien, eine bekannte Vergleichsmethode – etwa Streuungsmaße – und eine ausreichend repräsentative Vergleichsbasis. Im modernen Unternehmen ist die Nutzung von Benchmarks eine der wertschöpfungsorientierten Kernaufgaben der HR-Organisation, um die eigenen Vergütungsstrukturen sowohl nach außen wettbewerbsfähig wie auch nach innen fair auszurichten.

 

Spezialisierte Anbieter, die Teilnahme an Survey-Clubs, Verbände, Gewerkschaften, Personalberater, statistische Bundes- und Landesämter sowie Veröffentlichungen im Internet und in Zeitschriften liefern Informationen zu Vergütungen im Markt.

 

Beim Vergleich von Vergütungen kommen weltweit regelmäßig zwei etablierte Methoden zum Einsatz:

  1.  Vergleich der Vergütungen auf der Basis von Funktionsprofilen, zumeist in einer Funktions- oder Stellenbeschreibung dokumentiert, oder
  2.  Vergleich der Vergütungen auf der Grundlage von Funktionsanforderungen, zumeist durch eine Funktionsbewertung ermittelt.

Beide Alternativen lassen sich kombinieren. Die Verknüpfung der Methoden kann zu treffsicheren und auf die Unternehmenssituation zugeschnittenen Vergleichsdaten leiten. Nachteile sind ein hoher Zeit- und Kostenaufwand und der Umstand, dass nicht immer ausreichend valide Vergleichsdaten selektiert werden können. Daher kommt diese Variante eher selten zum Einsatz.

 

Vergleich mit Funktionsprofilen

 

Wesentlicher Vorteil des Vergleichs mit Funktionsprofilen ist die spezifische Ermittlung von Vergleichsdaten für eine Funktion – zum Beispiel die eines Personalreferenten – oder für eine Funktionsgruppe, etwa Spezialisten im Personalwesen. Vergütungsdaten anderer Funktionen bleiben außen vor und verfälschen das Ergebnis nicht. Nachteile dieser Methode sind der hohe Aufwand für die Erstellung und Pflege zeitaktueller und realistischer Stellenbeschreibungen, die mühsame Selektion von Vergleichsfunktionen ähnlichen Typs und vor allem Niveaus im Markt, die eingeschränkte Eignung für die Gestaltung ganzheitlicher Vergütungskonzepte sowie die geringe Basis geeigneter Vergleichsdaten. Daher bietet sich diese Variante nur dann an, wenn wenige Funktionen ähnlichen Typs wie etwa Bilanzbuchhalter, die im Arbeitsmarkt weit verbreitet sind, verglichen werden sollen und Funktions- oder Stellenbeschreibungen im Betrieb vorhanden sind.

 

Vergleich anhand von Funktionsanforderungen

 

Die Methode bietet im Einzelnen folgende Vorteile:

  • effizient und zeitsparend bei mehreren Funktionen;
  • R. sind keine Stellenbeschreibungen erforderlich;
  • interner wie externer Vergleichsmaßstab bei der Nutzung einer etablierte Methode;
  • repräsentative Datenbasis ist im Markt fast immer vorhanden;
  • einfache Wiederholung eines Benchmarks, zum Beispiel alle drei Jahre;
  • geeignet zur Gestaltung und Pflege von Vergütungssystemen.

Funktionsanforderungen werden durch eine Funktionsbewertung ermittelt. Geeignete Modelle werden von Beratern angeboten und sind bekannt. In der Regel ist ihr Einsatz mit Kosten für Lizenz und Beratung verbunden. Die Funktionsbewertung selbst verursacht überschaubaren Zeitaufwand im Unternehmen. Deshalb bietet sich die Variante nicht für Unternehmen an, die nur gelegentlich die Vergütungen weniger Funktionen auf Marktfähigkeit hin überprüfen lassen wollen. Auch berücksichtigt die Funktionsbewertung im ersten Schritt nicht den Funktionstyp.

 

Ein Vergütungsvergleich auf der Basis von Funktionsanforderungen bietet sich an, um eine größere Zahl von Vergütungen unterschiedlicher Funktionen in etablierten Vergütungsmärkten zu vergleichen, wenn das Aufzeigen eines abgesicherten Vergütungstrends wichtiger ist als eine Stichtagsbetrachtung, wenn die Gestaltung und Pflege eines Vergütungssystems Berücksichtigung finden sollen bzw. wenn eine kostengünstige regelmäßige Wiederholung eines Benchmarks geplant ist.

 

Grundanforderungen an Vergütungsvergleiche

 

Unabhängig vom gewählten Durchführungsweg ist es entscheidend, Vergleichsgrundlagen und Vergleichskriterien eindeutig zu definieren, um Datenquellen auch auswerten zu können. Und damit beginnen bereits die Probleme mit den Informationen verschiedener Quellen aus dem Internet, von befreundeten Personalberatern oder aus Veröffentlichungen. Denn nicht immer wird deutlich, welche Kriterien dem Benchmark zugrunde liegen.

 

Ein Beispiel: Laut einer jüngeren, namentlich nicht genannten Studie erzielen Abteilungsleiter in der Chemieindustrie nach zehn Berufsjahren im Durchschnitt 116.000 Euro Gesamteinkünfte. Die Studie gibt aber keine Auskunft darüber, um welchen Typ und welches Niveau von Abteilungsleiter es sich handelt. Auch wissen wir nicht, was in die Gesamtvergütung miteingeflossen ist. Einige Studien berücksichtigen bei der Gesamtvergütung nur Barleistungen, also das Grundgehalt und die variable Vergütung. Andere Studien rechnen zusätzlich den geldwerten Vorteil für die private Nutzung eines Dienstwagens und die Aufwendungen beitragsorientierter betrieblicher Altersversorgungsleistungen mit ein.

 

Auch ist wichtig zu erfahren, in welchen Bereichen die Abteilungsleiter tätig sind und auf welchen Hierarchieebenen die Funktion des Abteilungsleiters angesiedelt ist. Kritischer ist das Fehlen einer Aussage über die der Auswertung zugrundeliegenden Grundgesamtheit der Datenbasis. Durchschnittsbetrachtungen sind bei großen Datenmengen zuverlässige Ankerpunkte, bei kleinen Datenmengen können sie zu Fehlinterpretationen führen.

 

Weiterhin werden gerne folgende Fehler begangen:

  1. Vergleich mit dem direkten Wettbewerb um Kunden allein innerhalb der Branche. Dies macht nur für spezifische Funktionen Sinn, die allein in der eigenen Branche beschäftigt sind. Das Gros der Belegschaft kann jedoch in einer Vielzahl von Branchen arbeiten. Daher lautet eine Prüffrage für die Definition eines Vergleichsmarktes: Woher kamen die letzten zehn Einstellungen, und wohin gingen die letzten zehn Eigenkündigungen?
  2. Vergleiche nach Titel oder Hierarchieebenen unterstellen zwangsläufig, dass andere Unternehmen eine ähnliche Organisations- und Titelstruktur aufweisen wie der eigene Betrieb. Doch das ist oft nicht der Fall. Unternehmen sind unterschiedlich organisiert, und Titelvergaben werden sehr heterogen gehandhabt.
  3. Der Zweck einer variablen Vergütung ist deren Volatilität. VW-Mitarbeiter werden dies 2015 vermutlich deutlich vor Augen geführt bekommen. Daher ist es zielführender, budgetierte oder in Aussicht gestellte Variable zu vergleichen, als tatsächlich bezahlte variable Vergütungen in der Vergangenheit. Nur Zielvariable geben Auskunft über längerfristige Trends bei der variablen Vergütung und werden nicht von jährlich wechselnden Ereignissen im Unternehmen beeinflusst.

Trotz einheitlicher Vergleichsbasis, umfangreicher und repräsentativer Datenpools und ausgefeilter mathematisch-statistischer Methoden sind ermittelte Informationen über Marktvergütungen stets nur eine qualifizierte objektivierende Unterstützung für grundlegende oder einzelfallbezogene Vergütungsentscheidungen. Diese soll insbesondere durch folgende Punkte deutlich werden:

  • mehr als 40 Millionen abhängige Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland;
  • circa 75 Millionen jährliche Veränderungen des individuellen Einkommens;
  • Vergütungsinformationen sind stets vergangenheitsbezogen;
  • keine einheitliche Definition zwischen Zieleinkommen und tatsächlichen Einkommen;
  • Methoden der Erhebung und Auswertung der Daten unterscheiden sich erheblich.

Benchmarks sollen daher die eigene Markt- und Unternehmenskenntnis ergänzen und plausibilisieren, aber nicht ersetzen. Der unternehmerische Mehrwert eines professionellen Vergütungsberaters in Zusammenarbeit mit den betrieblichen Entscheidungsträgern resultiert daher primär aus der folgerichtigen Interpretation des Analyseergebnisses auf die Wirklichkeit des betreuten Unternehmens und dessen Positionierung im Markt.

 

Stefan Röth,

Partner, Stefan Röth Vergütungsberatung

Oberhaching bei München

sroeth@roeth-reward.com

www.roeth-reward.com