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COMP & BEN persönlich: Claus Vormann

Herr Dr. Vormann, Sie verantworten beim Energie- und Immobiliendienstleister ista in Essen den Bereich Vergütung und HR-Systeme. Wie sind Sie in diese Funktion gekommen?

Claus Vormann: Die Themen Personal und Geld beschäftigen mich schon mein gesamtes Berufsleben lang. Ich habe zunächst den Beruf des Bankkaufmanns erlernt und mich damit auseinandergesetzt, wie sich Geld anlegen und ausgeben lässt. Nach der Ausbildung bin ich in die Personalabteilung der Bank gewechselt und dort erstmalig mit HR-Themen in Berührung gekommen. In Bamberg habe ich dann Europäische Wirtschaft studiert und meine Abschlussarbeit über Anreizsysteme im Bankenwesen geschrieben. Daran schloss sich meine Dissertation über Personalauswahl an. Anschließend habe ich über acht Jahre im HR-Bereich des AXA Konzerns gearbeitet. Dort konnte ich eine große Bandbreite an HR-Themen von Grundsatzfragen über IT bis zum HR-Business-Partner abdecken, war unter anderem für die jährliche Gehaltsrunde zuständig und habe als Expat Erfahrungen in Frankreich gesammelt. Meine Karriere war also nicht rein auf C & B ausgerichtet, sondern ich konnte in viele HR-Bereiche hineinschauen. Ende 2017 bin ich zu ista gewechselt, zunächst als Manager für HR-Transformation. Im April des Folgejahres habe ich im Rahmen einer Nachfolgeregelung meine aktuelle Funktion übernommen.

Wie groß ist der C & B-Bereich von ista?

Claus Vormann: Insgesamt sind wir in meinem Team zu viert und bilden einen von vier HR-Bereichen, die jeweils an die Personalleitung berichten. Wir verantworten die Themen Compensation & Benefits und HR-Systeme. Dazu zählen Stellenarchitektur und Grading, die Gehaltsrunden und die Bonusprozesse. Auch gestalten wir Benefits wie die bAV immer wieder neu. Hinzu kommen das HR-Controlling und das HR-Reporting. In der Vergütung erstellen wir die Benchmarks für die gesamte internationale ista-Gruppe. Im Kern ist unsere Tätigkeit aber auf die rund 2.200 Mitarbeiter in Deutschland konzentriert. Obwohl wir nicht tarifvertragsgebunden sind, lehnen wir uns an den Tarifvertrag des Groß- und Außenhandels an. Das hat zum einen historische Gründe, weil wir früher zum Raab-Karcher-Konzern gehörten, zum anderen haben wir mit der Anlehnung an den Tarifvertrag bisher gute Erfahrungen gemacht. Wir beschäftigen zudem einen großen Anteil an AT-Kräften.

Mit welchem HR-Management-System arbeiten Sie?

Claus Vormann: Wir haben vor einiger Zeit Workday als zentrales HRM-Tool eingeführt, sind aber heute immer noch dabei, unsere IT-Landschaft zu bereinigen und zu optimieren, vor allem mit Blick auf das Datenmanagement. Hier schauen wir, wie wir Daten für das HR-Controlling und HR-Reporting mit überschaubarem Aufwand händelbar machen können. Wir wollen unseren Führungskräften gut aufbereitete Daten zur Verfügung stellen, damit sie auf dieser Basis strategisch richtige Entscheidungen treffen können. Im C & B-Bereich sind wir hingegen noch mit Excel unterwegs. Eine volle Integration des Vergütungsmanagements in Workday wäre schwierig, denn die Cloudsoftware eignet sich nicht für alle Sonderthemen aus der Vergütungswelt. Bei anderen HR-Themen prüfen wir gemeinsam mit dem Betriebsrat regelmäßig, ob wir in Zukunft weitere Bereiche und Funktionen in Workday integrieren können.

ista war bei der Abkehr von der individuellen Komponente der variablen Vergütung ein Vorreiter im Mittelstand. Wie schauen Sie heute auf diese Entscheidung?

Claus Vormann: Wir haben vor zwei Jahren die Bonuszahlungen im AT-Bereich von der Individualleistung abgekoppelt und allein an die Unternehmensleistung gehängt. Dadurch verzeichnen wir heute in der Belegschaft ein deutlich stärkeres Commitment auf die Gesamtziele des Unternehmens. Wir überwinden immer mehr das Silodenken in den einzelnen Abteilungen zugunsten von „One ista“ und arbeiten gemeinsam an den Unternehmenszielen. Dafür sind nicht nur Anpassungen am Vergütungssystem erforderlich, sondern wir haben auch eine neue Gesprächsinitiative zwischen Führungskräften und Mitarbeitern im Rahmen des Mitarbeitergesprächs gestartet. Zugleich haben wir davor gesehen, dass der Zeitraum von einem Jahr für die Zielsetzung zu lang ist. Wir arbeiten zunehmend agil in viel kürzeren Regelkreisen, wollen den Mitarbeitern aber den Druck nehmen, dass an der Erreichung kurzfristiger Ziele unmittelbar Geld hängt. Die Koppelung von Performance-Zielen und variabler Vergütung lenkt vom eigentlichen Sinn von Zielvereinbarungssystemen ab. Der Mitarbeiter soll keine Angst um sein Gehalt haben, wenn er individuelle Ziele nicht erreicht. Vielmehr ist uns wichtig, dass Führungskraft und Mitarbeiter offen über Ziele und deren Erreichung sprechen.

Arbeitet ista mit einem Gradingsystem?

Claus Vormann: Wir haben ein Gradingsystem, das insbesondere die Mitarbeiter im Headoffice erfasst. An unseren Standorten sind die Stellen deutlich homogener, so dass wir dort ohne ein Grading auskommen. Im Headoffice stellen sich uns derzeit neue Herausforderungen, weil sich ista durch die digitale Transformation verändert, auch die Art und Weise, wie wir unser Geschäft betreiben und wie wir uns organisieren. Wir sind im Grading noch mit einer traditionellen Lösung unterwegs, die gerade an den Stellen starr ist, an denen es um Verantwortungsbereiche und Führungsfragen geht. Wir befinden uns aber in einem intensiven Transformationsprozess hin zu mehr Agilität. Das verändert auch die Rolle und das Verständnis von Führung. Sie wird künftig zunehmend temporär, weil eine Person mal in dem einen und mal in dem anderen Squad unterwegs ist. Die Rollen für eine Person können sich von Projekt zu Projekt verändern. Wie bewerte ich die Rolle der Führung künftig, wenn sich Teams stärker selbst führen sollen? Diese Flexibilität und zugleich Stabilität muss ich in das Gradingsystem einbauen, ohne dass sich das Grading alle paar Monate verändern soll.

Haben Sie schon Antworten dafür gefunden?

Claus Vormann: Unser Vergütungsmodell und die Bänder sind so breit aufgestellt, dass Führungskräfte grundsätzlich einen Spielraum haben, wenn es um die gezielte Belohnung herausragender Einzel- oder Teamleistungen geht. Aber auch Spotboni sind ein Thema, das wir in Betracht ziehen. Genauso wichtig ist für uns die Frage, wie wir vergütungsseitig damit umgehen, dass wir einzelne Teams haben, die agil wie ein Start-up funktionieren, und andere Bereiche, die klassisch arbeiten. Die Verheiratung der alten und neuen Welt ist für Compensation eine große Herausforderung. Wir wollen alle Mitarbeiter auf dem Weg in die agile Arbeitswelt mitnehmen und müssen deshalb sehr gut aufpassen, niemanden zu verlieren.

Welche Rolle spielen Benefits in diesem Zusammenhang? Schließlich passen Unternehmen ihre Nebenleistungen auch anderen Zielen und Werten an?

Claus Vormann: Wir bei ista arbeiten an der Schnittstelle zwischen Energie- und Immobilienwirtschaft. Deshalb ist Nachhaltigkeit für uns sehr wichtig. Den Gedanken der Nachhaltigkeit wollen wir unseren Mietern nahebringen. Natürlich soll er sich auch in unserem Benefitsportfolio widerspiegeln. Wir haben beispielweise im vergangenen Jahr unsere Mobilitätsrichtlinie dahingehend überarbeitet, dass wir Elektro- und Hybridfahrzeuge gegenüber Dienstwagen mit Dieselantrieben begünstigen. Damit bieten wir unseren Beschäftigten neben weiteren Mobilitätskomponenten insgesamt mehr Wahlmöglichkeiten an.

Wie individuell sollen und können Vergütung und Benefits bei ista sein?

Claus Vormann: Die Forderung nach mehr Individualisierung hat bei uns wie auch in vielen anderen Unternehmen deutlich zugenommen, das ist für uns von C & B eine Herausforderung. Wir müssen schauen, dass wir innerhalb dieser Individualisierung von Vergütung und Benefits eine Standardisierung schaffen, um alles mit angemessenem Aufwand administrieren zu können. Das Spannungsfeld zwischen Flexibilität und Standardisierung ist groß. Vor diesem Hintergrund wollen wir die Fairnesskomponente erhalten in dem Sinne, dass die Mitarbeiter ihre Vergütung als fair wahrnehmen. Das ist das Wichtigste. Aber auch die Komplexität muss weiterhin für uns zu händeln sein.

Inwieweit kann Digitalisierung hierbei unterstützen?

Claus Vormann: Wir schauen uns Benefitsportale immer wieder an, müssen aber darauf achten, dass solche Programme in unsere IT-Landschaft passen. Zusätzliche manuelle Schnittstellen wollen wir unbedingt vermeiden. Funktionalität, Preis und Leistung müssen dabei in einem guten Verhältnis zueinander stehen.

Schauen wir einmal über ista hinaus auf die C & B-Landschaft. Wo sollte Ihre Zunft noch besser werden?

Claus Vormann: C & B hat sich in den Unternehmen noch nicht stark genug als Kulturfaktor positioniert. Wir C & B-Experten sind gut aufgestellt, wenn es um Zahlen und Prozesse geht. Aber wir dürfen die kulturelle Komponente der Vergütung nicht unterschätzen. Wie stark das ein Unternehmen nach vorn bringen kann, erfahren wir bei ista mit dem Abschied vom individuellen Bonus und dem Relaunch des Mitarbeitergesprächs. In der öffentlichen New-Pay-Diskussion der vergangenen zwei Jahre erkennen wir, dass Vergütung in der Gesellschaft einen veränderten Stellenwert einnimmt. Hinzu kommt die Frage nach der Vergütungstransparenz. Solche Themen haben weniger mit Zahlen zu tun als mit Kultur. Vor diesem Hintergrund werden viele Unternehmen ihr Vergütungssystem auf den Prüfstand stellen und gucken, wie sie Vergütung, agiles Arbeiten und die eigene Kultur besser aufeinander abstimmen.

Nehmen die Mitarbeiter die Arbeit von C & B überhaupt wahr?

Claus Vormann: Die Gehaltsabrechnung und die Zahlungen werden natürlich wahrgenommen, aber vielen Mitarbeitern ist nicht bewusst, woran das eigene C & B-Team ihres Unternehmens gerade arbeitet und wie und mit welchem Ziel es Vergütungssysteme verbessert. Hierin steckt viel Potenzial für die C & B-Funktion. Aufmerksamkeit hat der wachsende Bedarf an Transparenz in der Vergütung erweckt. So erreichen uns bei ista immer wieder Fragen von Mitarbeitern, die unser Vergütungsmodell nachvollziehen wollen. Über den richtigen Grad der Vergütungstransparenz diskutieren wir intern intensiv. Nach meiner Beobachtung findet sich volle oder weitgehende Transparenz in der Vergütung insbesondere in jungen, kleinen Unternehmen, die so auch von Anfang an verfahren. Unternehmen mit einer Historie und einer gewachsenen Struktur lassen sich nicht leicht in eine solche Transparenz überführen. Es liegt in der Natur des Menschen, sich vergleichen zu wollen. Natürlich ist das wichtig und richtig, denn Vergleich fördert Wachstum und Entwicklung. Allerdings ist dieser Grat schmal, weil es ja auch um Vertraulichkeit geht. Wir bei ista teilen unseren Mitarbeitern mit, in welchem Grade sie stehen, doch die volle Transparenz der Gehaltsbänder sehen wir kritisch. Wir denken, dass das ein guter Mittelweg ist.