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Corporate-Start-ups ticken anders als freie Gründer

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Herr Dr. Hinderlich, Sie haben in Ihrer „Marktstudie zur Incentivierung von Start-ups“ die derzeitigen Gründungsaktivitäten von DAX- und MDAX-Unternehmen sowie ähnlichen Gesellschaften untersucht. Können Sie den Ansatz dieser Unternehmen beschreiben?

 

Björn Hinderlich: Unternehmen tätigen bereits seit Jahren Venture-Capital-Investitionen in Start-ups. Seit zwei bis drei Jahren aber sind Unternehmen verstärkt bereit, eigenen innovativen Ideen oder auch Ideen, die von außen herangetragen werden, mehr Raum zu geben. Im DAX-Bereich und in vergleichbaren Unternehmen dieser Größe ist es inzwischen State of the Art, solche Start-up-Plattformen hochzuziehen. Auch der Mittelstand zieht inzwischen nach. Corporate-Start-ups sind laut unserer Studie zu 45 Prozent in Deutschland angesiedelt, zu 6 Prozent nur außerhalb von Deutschland, und 48 Prozent sind zugleich im Inland und im Ausland angesiedelt. Die Wahl des Standorts hängt oft davon ab, dass die Unternehmen an diesem Ort die benötigten Gründer und Mitarbeiter gewinnen können. Das ist für den Software- und E-Commerce-Bereich sicher zuerst das Silicon Valley, das kann für Cyber-Sicherheit beispielsweise auch Israel sein. Biotech-Unternehmen finden sich eher an der Ostküste der USA.

 

Ist der Bedarf der Unternehmen, auf diesem Weg Innovationen zu entwickeln, wirklich so groß?

 

Björn Hinderlich: Wir beobachten in etablierten Branchen wie Automotive derzeit einen radikalen technologischen Wandel. Unternehmen sind darauf angewiesen, Innovationen auch disruptiv zu entwickeln, um sich langfristig am Markt zu behaupten. Wer hier den nächsten Schritt verpasst, hat das Nachsehen. Das ist im Automotive-Bereich beispielsweise die Elektromobilität oder eine andere Antriebsform. Das Gleiche gilt für die Automobilzulieferer, aber auch für andere Branchen wie Industriegüter- und Dienstleistungs- sowie Chemie- und Technologieunternehmen. Die Betriebe begehen aber einen Fehler, wenn sie einfach einen Hype aufgreifen wollen, ohne den Wandel innerlich zu verstehen und umzusetzen. Es ist nicht damit getan, einfach ein Start-up zu gründen und Mitarbeiter aus dem Bestand mit dem bisherigen Vergütungsmodell hineinzusetzen. Es braucht schon eine echte Gründerkultur und ausreichenden Handlungsspielraum für die Gründer, damit ein Start-up überhaupt fliegen kann. Der große Vorteil für Corporate-Start-ups ist aber die deutlich bessere Kapitalausstattung im Vergleich beispielsweise zu den meisten freien Start-ups in Berlin.

 

Wie laufen Gründungen in Konzernen organisatorisch ab?

 

Björn Hinderlich: Oft geht es mit solchen internen Gründungen recht schnell, wenn der Konzern einmal entschieden hat, ein solches Projekt auszurollen. Er zieht die Organisation für die interne Gründung rasch hoch und setzt Mitarbeiter ein. In drei Viertel der Fälle sind Start-up-Einheiten als separate Tochterunternehmen organisiert, wobei auch eigenständige Organisationseinheiten oder Inkubatoren anzutreffen sind. Mehr als die Hälfte der Unternehmen nutzt dabei mehr als eine Form parallel. Häufig denken die Unternehmen zu spät an die Vergütung und übernehmen einfach das bestehende Vergütungsmodell auch für das Start-up. Im Gegensatz zu freien Gründungen sehen nur 24 Prozent der Unternehmen eine finanzielle Eigenbeteiligung der Mitarbeiter am Start-up vor. Oft bekommen die Mitarbeiter auch noch eine Rückkehrgarantie in den Konzern, falls das Start-up scheitern sollte. Solche Rahmenbedingungen schaffen in der Regel kein richtiges Unternehmertum.

 

Wie gut gelingt es Konzernen, erfahrene Gründer für ihre Start-ups zu gewinnen?

 

Björn Hinderlich: Das ist bei Corporate-Start-ups tatsächlich nicht so häufig der Fall. Oft führen bisherige Bereichs- oder Geschäftsleiter das Jungunternehmen, weil sie vielleicht die Geschäftsidee hatten oder bislang auf dem Gebiet gearbeitet haben. Sehr häufig stellen Unternehmen auch externe Mitarbeiter für ihre Start-ups ein. Anders ist der Fall bei übernommenen Jungunternehmen, in denen die Gründer auch nach der Akquise verbleiben.

 

Wie vergüten Konzerne ihre Start-ups?

 

Björn Hinderlich: Lediglich 41 Prozent aller befragten Unternehmen nutzen laut unserer Studie ein eigenes Vergütungsmodell für ihre Start-ups, das von der Muttergesellschaft unabhängig ist. Ein Drittel greift dagegen noch auf das System der Muttergesellschaft zurück. Häufig trifft man bei den Vergütungsmodellen der Start-ups innerhalb eines Konzerns auf eine Vielfalt und hohe Komplexität. Meistens ist die Grundvergütung für Start-up-Mitarbeiter niedriger, während die ein- bzw. mehrjährige variable Vergütung höher ausfällt, wobei die Hälfte der von uns befragten Unternehmen den Mitarbeitern der Corporate-Start-ups keine mehrjährige variable Vergütung gewährt. Die variablen Vergütungselemente in Corporate-Start-ups unterscheiden sich in ihrer Struktur fast durchgehend von der Vergütungsstruktur der Muttergesellschaft durch zusätzliche Vergütungselemente, die im Erfolgsfall des Start-ups gezahlt werden. Bei Erfolg kann die zusätzliche Vergütung on top eine maximale Höhe von bis zu 30 Prozent im Verhältnis zur Vergütung in der Muttergesellschaft erreichen. Die meisten Unternehmen incentivieren ihre Start-up-Mitarbeiter über eine einjährige oder mehrjährige variable Vergütung für den Erfolg des Start-ups am Ende der Laufzeit, etwa bei einem IPO oder einem Exit. Im Unterschied zu freien Start-ups existiert das immanente Verlustrisiko bei Start-up-Einheiten in Konzernen nur beschränkt.

 

Welche KPIs sind an den STI gebunden?

 

Björn Hinderlich: Corporate-Start-ups nutzen für ihre reguläre einjährige variable Vergütung verschiedene KPIs, vor allem Ertrags- und Gewinngrößen  sowie Umsatz und qualitative bzw. individuelle Ziele. Wenn der STI insbesondere in der Start-up-Phase gewährt wird, nutzen Unternehmen vor allem Ertrags- und Gewinngrößen sowie Cash-Flow-Ziele. Die meisten Unternehmen haben im STI die maximale Auszahlungshöhe gedeckelt. Zwar ist die Höhe des Caps oft individuell festgelegt, sie bewegt sich aber meistens in einer Spanne zwischen 100 und 300 Prozent.

 

Erkennen Sie bei der Vergütung in Corporate-Start-ups Entwicklungen in den beiden vergangenen Jahren?

 

Björn Hinderlich: Heute machen sich die Konzernmütter bereits im Vorfeld mehr Gedanken über die Vergütung als noch vor zwei oder drei Jahren. Inzwischen denken die Konzerne auch über Modelle nach, in denen die Mitarbeiter eine Einlage leisten müssen, wenn sie in ein eigenes Start-up wechseln wollen. Auch nehmen Unternehmen heute Rettungsfallschirme wie Rückkehrgarantien oder gar Tarifbindung sukzessive zurück.

 

Das Interview führte Dr. Guido Birkner.