Von einer globalen HR-Suite (beispielsweise Workday, SuccessFactors), die möglichst alle HR-Prozesse abdeckt bis hin zu vielen einzelnen Lösungen, die in ihrem Bereich „Best in Class“ sind, ist alles möglich. Die Praxis zeigt, dass auch die großen HR-Suites selten vollumfänglich alle HR-Prozesse und Strukturen abbilden können. Insbesondere Entgeltabrechnungssysteme sind häufig lokale Lösungen, aber auch für die Verwaltung der betrieblichen Altersvorsorge oder andere Prozesse von Compensation & Benefits wie Stellenbewertung, Benchmarks, Cafeteriasysteme und Benefit Management werden häufig Drittsysteme verwendet. Kernprozesse von Compensation & Benefits sind Gehalts- und Bonusrunden. Basierend auf den aktuellen Vorgehensweisen kann überprüft werden, ob das auszuwählende System den Anforderungen genügt.
Welches System ist für welche Daten führend?
Ein globales HR-System kann zum einen die Informationen aus verschiedenen lokalen Systemen bündeln oder selbst das führende System sein, in dem die Daten entlang von Prozessen bearbeitet und verwaltet werden. Globale HR-Systeme sind häufig führend für Bruttojahresgehälter oder die Durchführung der Bonusrunde (zum Beispiel Festlegung der Zielerreichung). Die Übersetzung in ein korrektes Netto oder die Proratierung des Bonus unter Berücksichtigung von Abwesenheiten und Arbeitszeitwechseln können besser in einem lokalen Payroll-System erfolgen, sofern die Zeitwirtschaft nicht auch im globalen HR-System abgebildet wird.
Die Krux mit dem Tarif
Insbesondere nationale Tariflogiken mit Tarifgruppen und Stufensprüngen lassen sich mitunter schwer in amerikanischen Systemen abbilden. Zudem ist es für die Kollegen in der Entgeltabrechnung eine große kulturelle Veränderung, die Kontrolle über diese Strukturen abzugeben. Unternehmen mit Tarifstrukturen sollten gut überlegen, ob und wozu sie diese im globalen HR-System abbilden wollen und wie sie im laufenden Geschäft gepflegt werden. Denn während neue Tariftabellen in Entgeltsystemen meist automatisch zur Verfügung gestellt werden, müssen sie im HR-System häufig manuell gepflegt/hochgeladen werden.
Möglicherweise ist es daher auch ausreichend, anlassbezogen zur Bonusrunde oder Gehaltsrunde die Gehaltsdaten aus den Entgeltsystemen im HR-System aufzufrischen. Hier sind allerdings die Auswirkungen auf die Anforderungen des HR-Controllings sowie auf unterjährige Gehaltsanpassungen zu beachten.
Systemlandschaft prüfen
Hier ist es ratsam, genau hinzusehen, welche weiteren Systeme aktuell in der Systemlandschaft vorhanden und welche Schnittstellen möglich sind. Häufig wird in den Pitches eine gute Anbindbarkeit versprochen, die sich dann in der Praxis als Herausforderung erweist, insbesondere wenn eine Payroll mit hochgradig angepassten Lösungen arbeitet, die noch aus den achtziger Jahren stammen.
Da in diesem Zuge Fragen zur IT-Architektur gestellt werden müssen, empfiehlt es sich, sowohl interne Ressourcen der IT einzubinden als auch Gespräche mit Referenzkunden zu führen, die eine vergleichbare IT-Landschaft betreiben. Naturgemäß haben Compensation-&-Benefits-Prozesse eine enge Verzahnung zu Stammdaten und den HR-Kernprozessen wie Mitarbeitereintritt, Versetzung und Beförderung, denn diese gehen fast immer mit einer Gehaltsanpassung einher.
Es ist wichtig zu betrachten, wo diese HR-Core-Prozesse abgebildet werden (sollen). Systeme wie Workday und SuccessFactors haben hier gute Karten, wohingegen viele andere Systeme in diesem Bereich (noch) Schwächen zeigen. Damit gehen auch operative Fragestellungen wie die Erstellung von entsprechenden Schreiben einher. Viele Systeme haben zwar grundlegende Funktionalitäten zur Dokumentenerzeugung, doch sind diese meist nicht ausgereift, und es wird auf Tools von Drittanbietern verwiesen. Es lohnt sich zu prüfen, welche Schreiben rechtlich wirklich erforderlich sind, da sich in den meisten Systemen Benachrichtigungen einstellen lassen.
Datenaustausch
Ein weiterer Aspekt ist die Verzahnung von Compensation-&-Benefits-Prozessen mit weiteren Tools und Datenquellen wie zum Beispiel des Performance Managements. Wenn beispielsweise eine (evidenzbasierte, nicht unbedingt empfehlenswerte) Kopplung von Gehaltserhöhungen oder Bonuszahlungen an die Ergebnisse der Mitarbeitergespräche oder die Positionierung innerhalb eines 9-Grid besteht, wäre ein gemeinsames Datenmodell wünschenswert. Auch im Bereich der Vertriebsvergütung sehen wir häufig, dass Daten aus CRM-Systemen und des Vertriebscontrollings für die Abrechnung von Kommissionszahlungen und Boni erforderlich sind. Für die Erstellung eines Total Reward Statements sind Informationen aus anderen Bereichen wie Learning und Benefits unverzichtbar.
Dass die Notwendigkeit eines (bidirektionalen) Datenaustauschs mit der (lokalen) Payroll besteht, versteht sich im Vergütungsbereich fast von allein. Dabei gilt: Je häufiger viele Daten ausgetauscht werden müssen, desto mehr macht eine automatisierte Schnittstelle Sinn. Im Idealfall können die neuen und bestehenden Systeme dann direkt über (Standard-)Schnittstellen aneinander angebunden werden, in anderen Fällen braucht es eventuell eine Middleware, mit deren Hilfe die Daten nach bestimmten Regeln konvertiert werden. In manchen Fällen ist die lokale Payroll-Landschaft dermaßen veraltet und/oder „over customized“, dass ohnehin ein Austausch angebracht wäre. Einige Anbieter verfügen in diesem Bereich über Preferred Partner. So arbeitet Personio eng mit DATEV zusammen, Workday ist mit SD Worx verzahnt sowie SuccessFactors naturgemäß mit SAP.
Welche Datenstrukturen gibt es aktuell?
Gibt es schon ein Vorgängersystem, aus dem Datenstrukturen übernommen werden können oder werden Stammdaten aktuell ausschließlich in lokalen Payroll-Systemen oder gar Excel-Tabellen vorgehalten? Aus Vergütungssicht sind Datenstrukturen essentiell. Was zählt zu einer notwendigen Struktur? Die Stelle/Funktion als kleinste Organisationseinheit ist Grundlage für eine Stellenarchitektur. Darauf basieren alle weiteren Elemente wie die Jobfamilie (zum Beispiel Finance), der Grade/das Level, das Gehaltsband, der Titel, der Kar-rierepfad, die gewünschten Kompetenzen und erforderlichen Skills, möglicherweise ein internes Management-Level, Firmenwagenberechtigung, Vertragsart und so weiter.
Ein Beispiel: Die Funktion Controller ist beispielsweise der Jobfamilie Controlling und der Oberfamilie Finance zugeordnet; darüber hinaus ist sie mit Grade 12 bewertet, zu dem ein Gehaltsband gehört, das je nach Standort (Land) festgelegt wird. Bei dieser Stelle/Funktion handelt es sich um eine in der Fachlaufbahn, die dem internen Cluster der Professionals zugeordnet ist. Die nächste Karrierestufe wäre Senior Controller, die durch die Rangbezeichnung Senior gekennzeichnet wird.
Auf Ebene der Stelle können auch Matching-Codes für Vergütungsdatenbanken hinterlegt werden, wenn im System externe Benchmarkdaten angezeigt werden sollen oder man sich auf die Teilnahme an einer Vergütungsstudie vorbereiten möchte.
Einmal gedacht, oft gemacht
Das Strukturelement Stelle wird dann auf der konkreten Position, also auf der Ebene des Headcounts/der Teamgröße, mit den Personendaten verknüpft. Die Funktion Controller gibt es dementsprechend nur einmal, wohingegen es beliebig viele (besetzte und unbesetzte) Controller-Positionen geben kann. Ebenso kann es Stellen geben, zu denen es keine Position gibt, beispielweise weil derzeit kein Bedarf an der Position eines Senior Controllers besteht. Die meisten (einfachen) HR-Systeme bilden jedoch hauptsächlich die Beziehungen von Personen (klassische Berichtswege) untereinander ab und verfügen somit nur über ein eindimensionales Datenmodell.
Der Reifegrad der HR-Organisation ist ausschlaggebend
Eine durchgängige Zuordnung zur Stelle durch den gesamten Mitarbeiterlebenszyklus ist für konsequentes Vergütungsmanagement entscheidend. Bereits bei der Ausschreibung sollte die Position einer Stelle/Funktion zugeordnet werden, damit im Recruiting-Prozess Transparenz hinsichtlich des Gehaltsbands oder der internen Eingruppierung, des Titels, der Vertragsart und der erforderlichen Kompetenzen besteht. Diese Transparenz kann den Beschaffungsprozess ungemein beschleunigen. Gleiches gilt für Versetzungen oder Beförderungen.
Grundlagenarbeit
Sind solche Strukturen aktuell nicht vorhanden, raten wir zur Grundlagenarbeit vorab zu einer Implementierung eines HR-Systems. Für fortschrittliche HR-Core-Systeme (zum Beispiel Workday und Success Factors) sind solche Strukturen Grundvoraussetzung einer Implementierung. Andere Systeme wie Cornerstone on Demand sind in den Datenstrukturen flexibler, und erste Module können schneller ausgerollt werden. Denn für transaktionale und in sich abgeschlossene Prozesse aus den Bereichen Learning oder Recruiting sind aufwendige Datenstrukturen nicht zwingend erforderlich. Implementiert man zuerst die Module der Peripherie und vernachlässigt die Strukturen und Kernprozesse in den Bereichen HRM und Compensation & Benefits, muss später auf Workarounds zurückgegriffen werden, oder aufwendige Nacharbeiten sind notwendig, um ein System vollumfänglich nutzen zu können.
Bentje Grünewald
Teammanagerin Compensation/HR-Systems
DKV Mobility, Ratingen
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www.dkv-mobility.com
Philipp Schuch
Gründer und Geschäftsführer
QPM GmbH
philipp.schuch(*)gradar(.)com
www.gradar.com