Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) steht vor demografischen Herausforderungen. Die betriebliche Altersversorgung soll helfen, ausreichend Alterseinkommen auch für künftige Generationen bereitzustellen. Repräsentative Umfragen im Rahmen der Deloitte-bAV-Studien zeigen jedoch, dass die bAV diese Rolle noch bei Weitem nicht ausfüllt. Arbeitgeber können mit entsprechenden Angeboten für die kommenden Generationen Verantwortung übernehmen und gleichzeitig bei der Mitarbeitergewinnung Vorteile ausspielen.
Die DRV – für die meisten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer die wichtigste Quelle von Alterseinkommen im Ruhestand – beschreibt den Generationenvertrag so: „Keiner hat ihn eigenhändig unterzeichnet, und dennoch gilt er für uns alle: der Generationenvertrag. Die Jüngeren zahlen ihre Beiträge in die Rentenversicherung ein, wovon die Renten der heute Älteren ausbezahlt werden. So stützt und unterstützt die Generation, die im Berufsleben steht, die Generation, die sich im Ruhestand befindet.“
Dieses Umlageverfahren, die Finanzierung der laufenden Renten durch die aktuellen Beitragszahler, wurde 1957 eingeführt. Die Höhe der laufenden Renten bemisst sich also nur indirekt nach den für den Leistungsbezieher eingezahlten Beiträgen. Vielmehr werden Entgeltpunkte pro Beitragsjahr vergeben, und ihre Summe wird beim Eintritt in den Ruhestand mit dem dann aktuellen Rentenwert (34,19 Euro/West) multipliziert. Ein Arbeitnehmer, der 45 Jahre in Höhe des Durchschnittseinkommens der Versicherten (2022: 38 901 Euro p. a.) verdient hat, erhält mit Erreichen der Regelaltersgrenze 1538,55 Euro Monatsrente. Diesen Betrag erhält er unabhängig von der Finanzlage der Rentenversicherung oder den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Unabhängig davon, wie viele Arbeitnehmer (und Arbeitgeber) Beiträge einzahlen, stehen somit die Ausgaben der DRV fest. Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) betrug der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung 2020 rund 100 Mrd. Euro pro Jahr. Dieser Betrag entsprach circa 30 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung.
Vor dem Hintergrund des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs und einer deutlichen Alterung der Gesellschaft steht der Generationenvertrag vor einer großen Herausforderung: Die Babyboomer-Jahrgänge stehen vor dem Renteneintritt. Damit fallen sie nicht nur als Beitragszahler weg, sondern werden gleichzeitig zu eistungsbeziehern. Gleichzeitig rücken bedeutend weniger junge Menschen nach, die ins Berufsleben einsteigen. Zwar hat der Gesetzgeber die bAV in den letzten 20 Jahren in mehreren Schritten gestärkt, zuletzt 2018 mit dem sogenannten Betriebsrentenstärkungsgesetz. Trotzdem ist ihre Verbreitung noch deutlich eingeschränkt.
Die jährliche Deloitte bAV-Studie, die auf der repräsentativen Befragung von 2000 sozialversicherungspflichtigen Personen fußt, zeigt, dass nur 34 Prozent der Arbeitnehmer über eine vom Arbeitgeber finanzierte und nur 32 Prozent der Mitarbeiter über eine selbst finanzierte bAV verfügen. Da es zwischen diesen beiden Gruppen große Überschneidungen gibt, sind derzeit mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer nach eigenen Angaben ohne Ansprüche auf bAV.
Doch wie sieht die Versorgung in den verschiedenen Generationen aus? Wenn die bAV ein Teil einer Antwort auf die Herausforderungen der DRV sein soll, dann müssten jüngere Arbeitnehmer eigentlich besser abgesichert sein, um gegen einen mutmaßlichen Rückgang des Rentenniveaus aus den gesetzlichen Systemen gewappnet zu sein. Tatsächlich ist die Verteilung von bAV-Anwartschaften in den verschiedenen Generationen relativ ähnlich. In der Generation Z ist der Anteil der Beschäftigten, die ausschließlich eine vom Arbeitgeber finanzierte bAV erhalten, am größten – und bei den Babyboomern ist dieser Anteil am geringsten. Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen unter den jüngsten Arbeitnehmern, die Entgeltumwandlung betreiben, niedriger als bei den anderen Generationen.
Insgesamt fällt der Anteil von Arbeitnehmern ganz ohne bAV in den jüngeren Generationen verhältnismäßig gering aus, ist aber mit 50 Prozent immer noch sehr hoch. Mit Blick auf die antizipierten Bedarfe geht der Trend somit zwar in die richtige Richtung, ist aber noch deutlich zu schwach ausgeprägt.
Viel Unsicherheit und mangelnde Kenntnis
Offenkundig hat sich der objektive Bedarf an eine höhere bAV-Teilnahme in der Realität noch kaum ausgewirkt. Liegt es daran, dass Arbeitnehmern die Rentenproblematik noch nicht bewusst ist? Tatsächlich bestehen bei den jüngeren Beschäftigten merklich höhere Unsicherheiten bezüglich ihrer zu erwartenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Befragten sehen mehrheitlich den Bedarf an zusätzlichem Alterseinkommen. Es fällt jedoch auf, dass die Generation Z tendenziell wieder etwas optimistischer ist, als derzeit die Generationen X und Y sind. Die demografischen Zwänge sind insbesondere den jüngeren Arbeitnehmern noch nicht klar. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ihre Eigenvorsorge nur ungenügend ausgeprägt ist.
Ein echter Generationenvertrag bedeutet, dass die Babyboomer, die heute auch in Entscheidungspositionen sitzen, den jüngeren Mitarbeitern Hilfestellungen zum eigenverantwortlichen Aufbau einer substanziellen bAV geben.
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die derzeitige Verteilung der bAV nicht geeignet ist, etwaige demografiebedingte Leistungsrückgänge der umlagenfinanzierten staatlichen Alterssicherungssysteme zu kompensieren. Zudem ist den Betroffenen die Problematik noch nicht einmal voll bewusst.
Mehrwert kommunizieren
Diese Zustandsbeschreibung eröffnet Unternehmen viele Möglichkeiten, sich als verantwortungsbewusste Arbeitgeber zu positionieren. Im sich aktuell verschärfenden Wettbewerb um Talente kann die betriebliche Altersversorgung ein markantes Puzzlestück eines „Well-being“-Ansatzes sein. Und es zeigt sich, dass Mehrwert nicht nur durch das Angebot als solches generiert werden kann, sondern dass auch gerade Kommunikation und Information im Zusammenhang mit guten Eigenbeteiligungsangeboten sehr wichtig sind insbesondere für die Generationen Y und Z.
Ein besonders wirkungsmächtiger Ansatz dürfte darin liegen, die komplexe und manchmal „sperrige“ Thematik in die Sprache dieser Generationen zu übersetzen und damit (be-)greifbar zu machen. Ein echter Generationenvertrag in der bAV könnte bedeuten, dass die Babyboomer, die heute auch in den Entscheidungspositionen der Unternehmen sitzen, den jüngeren Mitarbeitern Hilfestellungen zum eigenverantwortlichen Aufbau einer substanziellen bAV geben.
Nachhaltige bAV-Konzepte
Solche Unterstützung bedingt aber, dass Unternehmen überhaupt bAV-Angebote offerieren. Im Rahmen der Deloitte bAV-Studie 2021 sagten 40 Prozent der Befragten, die keine Entgeltumwandlung betrieben, dass ihnen einen entsprechendes Angebot vom Arbeitgeber nicht vorliegt. Besonders geeignet sind dabei flexible Modelle, die der Mitarbeiter an seine jeweilige Lebensphase anpassen kann. In einem weiteren Schritt sollten HR- und Comp-&-Ben-Verantwortliche die Erforderlichkeit von Eigenvorsorge und die spezifischen Vorteile von bAV deutlich machen. Hilfreich sind hierfür Musterberechnungen oder interaktive Rechentools, mit denen auch junge Menschen schon eine erste Vorstellung von der Finanzierung ihres Alterseinkommens erhalten. Zwar liegt der Ruhestand noch in weiter Ferne, doch sind gerade die langen Zeiträume sehr nützlich, um gute Renditen bei der Anlage der Gelder zu erzielen. Portale, über die sich Arbeitnehmer in ihre Vorsorgekonten einloggen können, um sich jederzeit einen Überblick über den Stand ihrer Altersversorgung zu verschaffen, sind hierfür adäquate Lösungen.
Eine mit dem Eintritt in die Arbeitswelt beginnende Altersvorsorge sollte möglichst den Status einer Selbstverständlichkeit erreichen. Nur so kann die bAV ihrer Rolle als substanzielle Ergänzungsfunktion zur gesetzlichen Rente gerecht werden. Und nur so kann der Generationenvertrag, auf dem die Deutsche Rentenversicherung noch immer beruht, komplementiert werden.
Jens Denfeld
Senior Manager Human Captial/ Benefits & Compensation
Deliotte
jdenfeld(*)deloitte(.)de
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